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Urlaub im Krisengebiet

8. März 2011

Der Irak präsentiert sich auf der Berliner ITB als Reiseland. Bis vor kurzem herrschte dort noch Krieg, befriedet ist das Land auch heute nicht. Nun werben der Irak und selbst Afghanistan wieder um Touristen.

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Ischar Tor Loewe (Foto: DW-TV)
Schätze der babylonischen Vergangenheit

Der Irak hat eine lange touristische Tradition. Das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, das antike Babylon, gilt unter Historikern als die Wiege der westlichen Zivilisation. Reich an historischen und archäologischen Sehenswürdigkeiten hatte der Irak schon immer Besucher angelockt, doch seit den Golfkriegen waren die Touristen ausgeblieben. Inzwischen kommen sie wieder, doch es sind nur wenige und es sind Individualisten. Pauschalreisen dorthin gibt es nicht, oder noch nicht?

Die Replik des Nebukadnezar-Tores in Babylon (Foto: dpa)
Die Replik des Nebukadnezar-Tores in BabylonBild: dpa

"HinterlandTravel" ist eine Agentur, die von England aus Reisen nach Afghanistan und dem Irak anbietet. Der Inhaber Geoff Hann bereist selbst mit Unterbrechungen seit 40 Jahren die Länder am Hindukusch. Im Gespräch mit DW-WORLD beschreibt er seinen durchschnittlichen Kunden als einen eher älteren Menschen. Der habe den Irak oder Afghanistan schon vor Jahrzehnten besucht und wolle nun sehen, was sich dort verändert hat. Oder er ist ein Globetrotter, dem noch zwei Länder fehlen, die er unbedingt noch sehen möchte.

Abenteuer ja, Lebensgefahr nein

Karl Born, er unterrichtet an der Hochschule in Wernigerode das Fach Tourismusmanagement, hat sich ebenfalls Gedanken über die Menschen gemacht, die den Irak oder Afghanistan bereisen. Er weist noch auf ein anderes Motiv hin, aus dem Urlauber gerade diese Reiseziele wählen. Der typische Hindukusch-Reisende sei jemand, der Land und Leute kennenlernen wolle, der aber auch einen "nicht unerheblichen Touch zu Abenteuerreisen" habe.

Die Grabstätte des Dichters Abdul Rahman Jami im afghanischen Herat (Foto: DW)
Die Grabstätte des Dichters Abdul Rahman Jami im afghanischen Herat könnte eine Sehenswürdigkeit für Touristen werdenBild: DW

DW-WORLD verriet Professor Born seine Definition, wo die Grenze zwischen einem Abenteuerurlaub und einer abenteuerlich gefährlichen Reise liegt. Dazu erzählt er von einem Reisenden, der seinen Reiseveranstalter verklagt hatte. Der Urlauber hatte eine Abenteuerreise gebucht und sich anschließend beschwert, in seinem Urlaub nicht in Lebensgefahr geraten zu sein - deshalb wolle er sein Geld zurück. Das Gericht, das den Fall behandelt hatte, war da anderer Meinung und wies die Klage zurück. "Eine Abenteuerreise muss außergewöhnlich sein", resümiert Karl Born, "sie darf aber unter gar keinen Umständen irgendwo in den Bereich "Lebensgefahr" kommen."

Graue Haare schaffen Vertrauen

Die Schwierigkeiten, mit denen sich Reisende am Hindukusch konfrontiert sehen, lassen sich unter zwei Aspekten zusammenfassen: Sicherheit und Komfort. In Ländern, in denen vor nicht all zu langer Zeit Krieg herrschte, wie dem Irak oder noch herrscht, wie in Afghanistan, gelten andere Regeln als in den herkömmlichen Urlaubsgebieten. Geoff Hann weiß das und richtet sich danach. Als Veranstalter behalte er sich immer das Recht vor, Teile der Reise aus Sicherheitsgründen abzusagen. "Ich sage dann okay, wir kommen hier nicht weiter, weil es nicht sicher ist oder wir gehen zurück oder wir fliegen die nächste Strecke lieber oder wir machen was ganz anderes."

Der Flughafen von Kandahar in Afghanistan (Foto: DW)
Der Flughafen in der afghanischen Stadt Kandahar ist noch kein TouristenzielBild: DW/ Hekmatullah Asamali

Die Frage, ob er selbst schon einmal in Lebensgefahr gewesen sei, Angst gehabt hätte, jemals wieder heil nach Hause zu kommen, beantwortet Hann eher zögernd. Es sei nicht immer einfach, die Sicherheitslage einzuschätzen, aber mit einiger Erfahrung könne man die Gefahr schon frühzeitig erkennen. Schließlich erzählt er verschmitzt von einer besonderen Art Lebensversicherung im Krisengebiet: "Wir haben immer ein paar grauhaarige Reisende dabei, so dass den Einheimischen klar ist: Wir sind keine Soldaten, oder Vertreter anderer Organisationen oder der Vereinten Nationen. Deshalb werden wir immer sehr angenehm aufgenommen"

Ein hartes Bett

Ist das Überleben gesichert, taucht die Frage auf, unter welchen Bedingungen das geschieht. Gibt es in Afghanistan oder dem Irak überhaupt eine touristische Infrastruktur? "Ob man das, was die Individualreisenden dort vorfinden, als Infrastruktur bezeichnen kann, da würde ich ein Fragezeichen dahinter machen", sagt der Tourismusexperte Born. Reiseveranstalter Hann, der die Bedingungen am Hindukusch aus eigener Erfahrung und seit vielen Jahren kennt, sieht das entschiedener: "In Afghanistan gibt es eigentlich keine touristische Infrastruktur. Wir schlafen, weil es kaum Hotels gibt, auch in Teahouses, Raststätten etwa. Und da schlafen wir dann auf dem Boden."

Wegen dieser Einschränkungen werden der Irak und Afghanistan noch lange nur eine Außenseiterrolle im Angebot der Reiseveranstalter spielen können. Dass die Infrastruktur auf diesem Gebiet in absehbarer Zeit ausgebaut wird, glaubt Professor Born jedenfalls nicht. Er hält es für "vollkommen ausgeschlossen, dass es in den nächsten drei bis fünf Jahren ganz normale Urlaubsreisen, also Pauschalurlaubsreisen in diese beiden Länder gibt."

Autor: Dirk Kaufmann

Redaktion: Kay-Alexander Scholz