Unterbezahlt und überfordert: Lehrkräfte in Integrationskursen
Lehrkräfte in Integrationskursen nehmen angesichts der Migrantenzahlen immer mehr Aufgaben wahr. Aber die Arbeitsbedingungen sind nicht erfreulich, der Verdienst gering – besonders für Freiberufler.
Deutschland steht vor einer großen Herausforderung: Mehr als eine Million Menschen, die vor Krieg und Verfolgung nach Deutschland geflüchtet sind und hier Asyl bekommen haben, müssen in die Gesellschaft integriert werden. Dazu gehören nicht nur die Vermittlung etwa von Geschichte, Kultur, dem demokratischen Grundverständnis, sondern vor allem der deutschen Sprache. Eine sehr wichtige Aufgabe, die derzeit mehr als 20.000 Dozentinnen und Dozenten übernehmen, die bundesweit im Auftrag des Bundesinnenministeriums an verschiedenen Bildungseinrichtungen unterrichten – etwa an Volkshochschulen, in Vereinen oder bei Wohlfahrtsorganisationen wie beispielsweise dem Deutschen Roten Kreuz oder der Arbeiterwohlfahrt. Doch die meisten dieser Lehrkräfte sind nicht festangestellt, sondern freiberuflich tätig. Das hat mehrere Nachteile, zu denen vor allem die geringe Bezahlung gehört. Für Lehrkräfte ist die Situation, wie Corinna Becker, die als Dozentin für Integrationskurse arbeitet, deutlich macht, nicht sehr angenehm:
„Na ja, also sehr prekär. Das ist ja so, dass es den meisten ‘ne Herzensangelegenheit ist, und sie das gerne machen. Sonst kann man das auch nicht machen. Viele stocken auf, also zumindest in den Kursferienzeiten, wenn wir Verdienstausfall haben. Und viele leben halt auf einem sehr niedrigen Niveau. Und dann gibt es bestimmt auch einige, die in ‘ner Partnerschaft leben, wo es einen Doppelverdienst gibt und wo sie jetzt nicht unbedingt darauf angewiesen sind.“
Dass Sprach-und Integrationskurse noch stattfinden, hat laut Corinna Becker hauptsächlich damit zu tun, dass es den Dozentinnen und Dozenten eine Herzensangelegenheit ist. Sie tun es gern, weil sie helfen wollen. Denn von der Dozententätigkeit leben können sehr viele nicht. Ihre Situation ist prekär, problematisch und instabil, weil etwa der Verdienst niedrig ist. So werden die Lehrkräfte während der Ferien die Lehrkräfte nicht bezahlt, haben also einen Verdienstausfall, ebenso, wenn Kurse nicht zustande kommen. Werden sie krank, wird ihnen für die Zeit kein Honorar gezahlt. Deshalb müssen sie aufstocken, also mit einem anderen Job noch Geld dazuverdienen. Und sie leben auf einem sehr niedrigen Niveau, können sich nicht viel leisten. Es gibt aber auch Lehrkräfte, die von ihrem Verdienst nicht leben müssen, nicht darauf angewiesen sind. Meist sind das Personen, deren Partner ein regelmäßiges Einkommen haben, wo es also einen Doppelverdienst gibt. Derzeit erhalten freiberufliche Dozentinnen und Dozenten durchschnittlich etwa 23 Euro pro Unterrichtsstunde. Nur das Goethe-Institut und Volkshochschulen in größeren Städten zahlen besser. Von diesem Geld müssen noch Steuern und Beiträge zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung gezahlt werden. Nach Abzug von Steuern und Versicherungsbeiträgen bleibt ein Nettoeinkommen von rund 14.145 Euro pro Jahr – das macht im Monat 1178 Euro. Das hat der „Bonner Offene Kreis“, ein Zusammenschluss engagierter Lehrkräfte für Deutsch als Fremdsprache beziehungsweise Deutsch als Zweitsprache, in einer Modellrechnung errechnet. Zu den schlechten Arbeitsbedingungen trägt auch bei, dass es eine Vielzahl von Einrichtungen gibt, die in Deutschland Integrationskurse anbieten. Rund 1400 waren es nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Jahr 2015. Die Bundesbehörde entscheidet unter anderem über Asylanträge, ist für die formale und inhaltliche Ausgestaltung der Integrationskurse sowie die berufsbezogene Förderung der Deutschkenntnisse von Migranten verantwortlich. Die Arbeitsbedingungen der Integrationslehrkräfte haben sich nach Aussage von Corinna Becker zuletzt weiter verschlechtert:
„Insofern, dass beispielsweise Qualifizierungsmaßnahmen für uns vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestrichen wurden. Beispielsweise unterrichten wir in Alphabetisierungskursen teilweise, weil viele Leute hierherkommen, die entweder keine Schule besucht haben oder die Zweitschrifterwerbler sind, das heißt, die unsere Schriftzeichen erst lernen müssen. Das ist eigentlich sehr wichtig, da ‘ne Weiterqualifizierung zu haben, weil das noch mal sehr weit darüber hinausgeht, was der normale Deutschunterricht ist.“
Die Lehrkräfte werden laut Corinna Becker mit zusätzlichen Aufgaben konfrontiert: Unter den Migrantinnen und Migranten sind sehr viele, die Analphabeten sind, also weder schreiben noch lesen können, beziehungsweise Zweitschrifterwerbler sind, weil sie beispielsweise nur arabische Schriftzeichen kennen und die lateinischen noch lernen müssen. Das geschieht in sogenannten Alphabetisierungskursen. Nur sind nicht alle Lehrkräfte darin geschult, sie müssten sich hier zusätzlich qualifizieren, Kenntnisse erwerben. Allerdings hat das Bundesamt nach Angaben von Corinna Becker die Mittel dafür gestrichen, stellt kein Geld mehr dafür zur Verfügung. Neben der geringen Bezahlung, der unterschiedlichen Zusammensetzung der Kurse, der Heterogenität, bereitet den Lehrkräften noch ein weiterer Punkt Schwierigkeiten, so Corinna Becker:
„Zum andern wurden die Teilnehmerzahlen in den Kursen erhöht – in den Integrationskursen – von 20 auf 25 Teilnehmer. Das klingt jetzt vielleicht nicht so viel, es ist aber sehr viel für uns, weil die Gruppen eh schon sehr heterogen sind, was beispielsweise das Lerntempo betrifft.“
Die freiberuflichen Dozentinnen und Dozenten sind entscheidende Bindeglieder zwischen den Migranten und der neuen Heimat. In ihrem Honorar und den Arbeitsbedingungen – finden sie – spiegelt sich das noch nicht wider.
Autorinnen: Kersten Knipp, Fidaniya Mukhamadieva
Redaktion: Beatrice Warken
Arbeitsauftrag
Personen, die Asyl in Deutschland erhalten haben, müssen unter anderem Deutsch lernen und Integrationskurse besuchen. Informiert euch in Kleingruppen auf der Seite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF): http://bit.ly/1emOxSU, welche Bestimmungen es gibt. Tragt eure Ergebnisse in eurer Lerngruppe zusammen.