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Unruhen behindern Kampf gegen Cholera

19. November 2010

Wütende Menschen haben jetzt auch in Port-au-Prince UN-Blauhelmsoldaten angegriffen. Viele Haitianer sind davon überzeugt, dass UN-Soldaten aus Nepal die Cholera eingeschleppt haben. Die UN weisen das zurück.

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Demonstration gegen UN-Soldaten in Port-au-Prince (Foto: AP)
Demonstration gegen UN-Soldaten in Port-au-PrinceBild: AP

Die gewaltsamen Proteste hatten am Montag im Norden Haitis begonnen. Am Donnerstag (18.11.2010) griffen die Ausschreitungen auf Port-au-Prince über. Mehrere Hundert Demonstranten bewarfen in der Nähe des Präsidentenpalastes Blauhelm-Soldaten mit Steinen. In Anlehnung an den Namen der UN-Mission in dem Karibik-Staat forderten sie in Sprechchören: "Raus mit Minustah".

Die Demonstranten versuchten auch, den UN-Sitz in der Hauptstadt zu stürmen. Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Menge vor, um sie auseinanderzutreiben.

Die verängstigten und besorgten Menschen beschuldigen UN-Soldaten aus Nepal, die Cholera eingeschleppt zu haben. Sie begründen dies mit den medizinischen Analysen, denen zufolge der jetzt aufgetretene Krankheitskeim aus Asien stammt. Zudem habe es in den vergangenen 50 Jahren in Haiti keine Cholerafälle gegeben. Dies ist für die Menschen ein weiteres Indiz dafür, dass die Seuche eingeschleppt wurde. Die Vereinten Nationen, deren Friedenstruppen nach dem verheerenden Erdbeben vom Anfang des Jahres die Sicherheit in dem Land gewährleisten sollen, bestreiten die Vorwürfe.

Zahl der Choleraopfer steigt weiter

Cholera-Kranke (Foto: AP)
Cholera-KrankeBild: AP

Offiziellen Angaben zufolge starben in Haiti seit Ende Oktober mehr als 1100 Menschen an der Cholera, fast 20.000 infizierten sich mit der hoch ansteckenden Krankheit. Nach den Worten des Regionalbeauftragten der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation, Ciro Ugarte, könnten sich in den kommenden sechs bis zwölf Monaten weitere 200.000 Menschen mit der Cholera infizieren. Bliebe es in etwa bei der derzeitigen Sterberate, sei mit weiteren 10.000 Todesopfern zu rechnen.

Proteste blockieren Kampf gegen die Seuche

Mangelhafte hygienische Bedingungen in den Notunterkünften von Port-au-Prince (Foto: AP)
Mangelhafte hygienische Bedingungen in den Notunterkünften von Port-au-PrinceBild: AP

Die Hilfsorganisationen im Land kritisierten die Krawalle und Proteste als kontraproduktiv. "Die Gewalt verzögert unseren Kampf gegen die Cholera in Cap-Haitien", erklärte die Sprecherin der Hilfsorganisation Oxfam, Julie Jindall. Da Straßen von Demonstranten blockiert würden, könnten die Helfer dringend benötigte Güter nicht zu den Bedürftigen bringen. Nach UN-Angaben wurde auch ein Lager mit Hilfsgütern geplündert und in Brand gesetzt. Vertreter der UN machen Kriminelle und politische Agitatoren für die Unruhen verantwortlich. Sie instrumentalisierten die Krankheit, um die für den 28.November geplante Wahl eines neuen Präsidenten, des Parlaments und einiger Senatoren zu verhindern, lautet der Vorwurf.

Ausbreitung der Cholera

Von der Cholera entkräftetes Kind (Foto: AP)
Von der Cholera entkräftetes KindBild: AP

Die Seuche war Mitte Oktober in der Nähe von Saint Marc ausgebrochen, rund 100 Kilometer nordwestlich von Port-au-Prince. Schon wenige Tage später gab es die ersten Krankheitsfälle in der Hauptstadt. Dass sich die Cholera so schnell ausbreitet, liegt an den Eigenschaften des Erregers Vibrio cholerae. Viele Menschen tragen das Bakterium schon lange in ihrem Körper, bevor sie die ersten Krankheitssymptome wie Durchfall bekommen. Das heißt aber auch, dass schon weite Teile der Bevölkerung mit dem Erreger befallen sein können, wenn die Krankheit erstmals auftritt. Die weitere Verbreitung des Bakteriums ist dann kaum noch aufzuhalten. Erschwerend kommen in Teilen Haitis die nach dem Erdbeben vom Januar desolaten hygienischen Bedingungen hinzu. Verseuchtes Wasser ist eine Hauptansteckungsquelle. Der UN-Sprecher Nicholas Reader geht davon aus, dass die Cholera noch lange im Land wüten wird. Fürs Erste haben die Vereinten Nationen die Staatengemeinschaft dringend um 164 Millionen Dollar Soforthilfe gebeten. Auch Stefano Zannini von Ärzte ohne Grenzen befürchtet, dass es erst noch viel schlimmer wird, bevor die Lage sich entspannt. Immerhin stürben nicht mehr so viele Menschen, sagt Reader, obwohl die Zahl der Erkrankten rasant steige.

Ein Übergreifen der Krankheit auf andere Staaten in der Region wird befürchtet, insbesondere nachdem aus der benachbarten Dominikanischen Republik und aus dem US-Bundesstaat Florida jeweils ein erster Cholerafall gemeldet worden war.

Autor: Ulrike Quast (rtr,dpa,afp,dapd)
Redaktion: Martin Schrader