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Unmoralische Angebote

11. Oktober 2001

Viele Staaten der arabischen Welt öffnen sich dem Internet nur langsam. Zensur ist noch weitverbreitet.

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Internet-Cafe in RiadBild: AP

In Afghanistan starb das Internet schon kurz nach seiner schweren Geburt. Im Sommer verbot das Taliban-Regime das Internet im ganzen Land. "Wir sind nicht gegen das Internet, aber es wird benutzt, um Obszönitäten, Unmoral und Propaganda gegen den Islam zu verbreiten", sagte damals der Taliban-Außenminister, Wakil Ahmed Mutawakil. Dabei hätten die Taliban das Internet gar nicht fürchten müssen. In vielen Teilen des Landes gibt es schon seit Jahren keinen Strom. Wie viele Internet-Zugänge es vor den Taliban gab, ist unbekannt. Es werden aber wohl nicht mehr als hundert gewesen sein, so Schätzungen von Experten. Außerdem, wer sich ins Netz einwählen wollte, war auf Telefonlinien angewiesen, die von Pakistan zur Verfügung gestellt wurden.

Wenige Internetzugänge

Auch wenn Afghanistan als drastischstes Beispiel gelten muss, ist dennoch klar, dass das Internet in der gesamten arabischen Welt noch immer einen schweren Stand hat. Das international tätige Online-Marktforschungsunternehmen Nua schätzt, dass im gesamten Mittleren Osten gerade mal 4,65 Millionen Menschen das Internet nutzen. In Europa sind es 155 Millionen, in Nordamerika gar 180 Millionen. Während in Deutschland bereits jeder Zweite schon Erfahrungen mit dem Internet gesammelt hat, verfügen im Irak nach Schätzung des Nua nur 0,05 Prozent der Bevölkerung über einen Internetzugang.
Die mit Abstand am meisten Internet-Nutzer in der arabischen Welt gibt es in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dort ist rund ein Drittel der Bevölkerung online. Einen regelrechten Internetboom erlebte der Iran nach dem Amtsantritt Mohammed Chatamis 1997. Unzählige Internet-Cafes wurden eröffnet, wo sich vor allem junge Menschen in Chatrooms über Themen wie Musik oder Sex vor der Ehe austauschten. Doch vor den Wahlen im Frühjahr dieses Jahres ließen die Konservativen plötzlich über 400 Internet-Cafes einfach schließen.

Internetcafe in Dubai
Internet-Cafe in DubaiBild: AP

Sittliche Bedenken nur Vorwand

Die Furcht vor dem freien Informationsfluss ist noch immer zu groß. In Saudi-Arabien wurde vergangenes Jahr ein Internet-Cafe für Frauen geschlossen. Der Grund: unmoralische, mit dem Islam nicht zu vereinbarende Bilder seien dort angesehen worden. Unter diesem Vorwand wird in fast allen arabischen Staaten von Marokko bis Syrien der Zugang zum Netz kontrolliert sowie Inhalte zensiert. Doch dabei geht es den Staaten nicht immer nur um den Verbot von Pornoseiten. Der Internetexperte des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, hält die sittlichen Bedenken für ein "vorgeschobenes Argument". Er vermutet, dass mancher Wortführer den freien Informationsfluss fürchtet. "Über das Internet verbreiten sich zum Beispiel schneller Informationen über Menschenrechtsverletzungen", so Mazyek. Der ZMD betreibt eine eigene Internetseite, die zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen vermitteln will.

Gesperrte Seiten

Eine Studie der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) über das Internet im Mittleren Osten kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Nicht gewünschte Seiten würden häufig durch Filter oder eingeschränkten Zugang zensiert. In Saudi-Arabien gibt es Internetzugänge nur über die staatliche Telekommunikationsbehörde. Alle Internetverbindungen laufen über einen Knotenrechner nahe der Hauptstadt Riad. Mehr als 200.000 Seiten wurden bereits gesperrt, in Zukunft sollen noch einmal so viele dazu kommen.
Die HRW kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Meinungsäußerung im Netz weniger eingeschränkt ist als in Printerzeugnissen. Ein Problem bleibt allerdings, dass sich viele Menschen im Mittleren Osten oder in Nordafrika keinen Computer leisten können. Den besten Zugang haben Menschen in großen Städten wie Kairo. Doch auch dort werde das Netz hauptsächlich von Akademikern und Vermögenden genutzt, sagt Mazyek.