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Umstrittene Nachwahlen in Hongkong

17. Mai 2010

Mit einem Urnengang wollten Hongkongs Demokraten ihre Stadt-Regierung und die Herrscher in Peking zu mehr demokratischen Zugeständnissen bewegen. Doch die Bevölkerung spielte nicht mit und blieb zu Hause.

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Straßenstand der Demokraten (Foto: Markus Rimmele / DW)
Straßenstand der Demokraten in HongkongBild: DW

Begeisterung im Demokraten-Lager: Umarmungen, hochgereckte Arme, lachende Gesichter. Das dürfte wohl vor allem eine Inszenierung für die Kameras sein. Denn viel Grund zum Jubeln haben die Initiatoren des Demokratie-"Referendums" nicht. Nur 17,1 Prozent der Hongkonger Wahlberechtigten gaben am Sonntag (16.05.2010) ihre Stimme ab. Erhofft hatten sich die demokratischen Abgeordneten 30 Prozent. Audrey Eu von der Bürgerpartei ist dennoch zufrieden. "Trotz aller Schwierigkeiten - dem Boykott durch die Regierung und der Ausgrenzung durch die anderen Parteien - haben immerhin mehr als 500.000 Wähler unsere Sache unterstützt", sagt sie. "Diese Zahl kann man nicht ignorieren. Viele Bürger stehen hinter unseren Forderungen."

Kein klares Votum

Wahlplakat des zurückgetretenen Abgeordneten Wong (Foto: AP)
Wahlplakat des zurückgetretenen Abgeordneten WongBild: AP

So weit, so korrekt. Doch das erhoffte starke Votum für die Einführung der vollen Demokratie in Hongkong ist ausgeblieben. Dabei war der Plan durchaus raffiniert. Fünf Parlaments-Abgeordnete aus den Reihen der Sozialdemokraten und der Bürgerpartei legten ihre Mandate nieder und erzwangen dadurch Nachwahlen in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Diese Nachwahlen deklarierten sie dann als Demokratie-"Referendum". Wer für die Demokraten stimmt, so der Plan, drückt damit aus, dass er für die Einführung allgemeiner Wahlen in Hongkong ist.

Zwar wurden nun alle fünf Zurückgetretenen wieder auf ihre alten Posten ins Parlament gewählt, doch eben nur bei einer minimalen Wahlbeteiligung. Der Großteil der Bevölkerung konnte an dem Verfahrenstrick offensichtlich keinen Gefallen finden. Auch nicht Herr Wong, ein Rentner im Vorort Tuen Mun. Er habe nicht gewählt, erzählt er. "Ich unterstütze alles, was gut für die Bürger ist. Aber diese Rücktritte! Was soll das? Erst verlassen sie das Parlament, und jetzt wollen sie wieder rein. Rücktritt ist Rücktritt. Die denken wohl, wir sind blöd!"

Demokratie von Pekings Gnaden

Tanya Chan (Foto: AP)
Tanya ChanBild: AP

So geht es vielen in der Stadt. Dabei sind Hongkongs Bürger durchaus mehrheitlich für volle Demokratie. Umfragen zufolge wünschen mehr als 60 Prozent die Einführung allgemeiner Wahlen. Derzeit wird nur die Hälfte der Parlamentsabgeordneten vom Volk bestimmt. Die übrigen Sitze besetzen verschiedene Interessengruppen der Stadt. Den Regierungschef bestimmen nicht die Bürger, sondern ein pekingtreues Wahlgremium. Die Demokraten wollen das ändern. Das so genannte Referendum soll den öffentlichen Druck erhöhen.

Doch die Aktion stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Das demokratische Lager war gespalten, nicht alle Vertreter unterstützten die Idee. Die regierungsnahen Parteien boykottierten die Nachwahlen gänzlich - wohl auf Druck Pekings. Für Ärger sorgten auch die hohen Kosten der Wahlen. 15 Millionen Euro Steuergelder dafür, dass jetzt wieder dieselben Abgeordneten im Parlament sitzen wie vorher. Und doch, glaubt der Politologe Joseph Cheng, seien die Wahlen ein wichtiges Zeichen gewesen. "Die Hongkonger haben keine andere Möglichkeit, sich zu äußern und politische Reformen zu verlangen. Durch das Referendum haben wir eine quantitative Größe. Wir können Stimme für Stimme zählen."

Nur geringfügige Veränderungen

Raymond Wong, der Vorsitzende der "League of Social Democrats" und einer der fünf zurueckgetretenen Abgeordneten (Foto: Markus Rimmele / DW)
Raymond Wong, einer der fünf zurückgetretenen AbgeordnetenBild: DW

Peking hat den Hongkongern allgemeine Wahlen ab 2017 in Aussicht gestellt. Aber die Demokraten trauen den Zusagen nicht. Zwar sollen bereits die nächsten Parlamentswahlen im Jahr 2012 etwas demokratischer werden. Der Reformvorschlag der pekingtreuen Regierung allerdings sieht nur minimale Veränderungen vor. Die Demokraten allerdings verlangen einen deutlichen Fortschritt. Und kämpfen lautstark und leidenschaftlich. Und manch einer zieht sogar persönliche Konsequenzen: Tanya Chan zum Beispiel, eine der fünf Zurückgetretenen. Sie will erst heiraten, wenn es allgemeine Wahlen in Hongkong gibt.

Autor: Markus Rimmele
Redaktion: Esther Broders