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Uli Kunz und die Faszination Meer

Philipp Jedicke
8. Juni 2023

Der Meeresbiologe Uli Kunz ist Forschungstaucher, Unterwasserfotograf, TV-Moderator und Vortragsreisender. Sein Ziel: Ein Bewusstsein schaffen für die Fragilität der Meere angesichts ihrer wachsenden Verschmutzung.

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Uli Kunz mit einem Seedrachen im Taucheranzug
Uli Kunz mit einem SeedrachenBild: Uli Kunz

"Welttag der Ozeane ist bei mir 365 Tage im Jahr", sagt Uli Kunz gleich zu Beginn des DW-Interviews im Hinblick auf den UN-Welttag der Ozeane am 8. Juni. Gerade erst ist er aus Mosambik zurückgekehrt, wo er im Auftrag der TV-Sendereihe "Terra X" die Tierschutzorganisation "Marine Megafauna Foundation" besucht und Haie und Geigenrochen beobachtet hat. Letztere kann man nur an wenigen Orten der Welt sehen. Vor der Küste Mosambiks überleben sie dank einer rigide durchgesetzten "No-Take"-Zone, einem Meeresschutzgebiet, aus dem kein Tier entnommen werden darf. "Was dann passiert, ist enorm, weil sich dann diese ganze Vielfalt wieder ausbreitet", erzählt Uli Kunz begeistert. 

Der Meeresbiologe ist ein bekannter Fürsprecher der Meeresflora und -fauna. Er ist gern gesehener Gast in Fernseh- und Talkshows. Im weitesten Sinne könnte man ihn als Abenteurer bezeichnen: Der Wahl-Hamburger ist seit 2005 als Forschungstaucher unterwegs, er ist unter arktischem Eis getaucht und inmitten von Buckelwalen und Orcas bei der Heringsjagd geschwommen, er hat sich in dunkle Brunnen herabgeseilt und Skelette der Maya in wassergefüllten Höhlen im mexikanischen Dschungel aufgespürt. Mal ist er allein unterwegs, mal mit seinen Kollegen von der Forschungstauchgruppe Submaris, die im Auftrag von Landesämtern oder Forschungsinstituten bestimmte Fischarten oder die Meeresfauna vor Helgoland unter die Lupe nimmt.

Ein Taucher in vereistem Wasser lächelt in die Kamera
Tauchen im Eis: Auch für Uli Kunz nichts AlltäglichesBild: Claudia Ruby

Artenvielfalt und Artenrückgang

Seine Auftraggeber sind unter anderem das Alfred-Wegener-Institut für Polarforschung, Greenpeace, der WWF oder das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Der gelernte Meeresbiologe hat zweifellos einen der aufregendsten Jobs, die man sich vorstellen kann, doch einen Karriereplan hatte er nie: "Ich wollte mal Arzt werden, habe aber im Studium festgestellt, dass ich nicht nur ein Lebewesen kennenlernen will, sondern ganz viele. Danach ging es ins frei Fließende." Nach zwei Semestern Medizin an der Uni Freiburg verschlug es Kunz nach Kiel, wo er Meereskunde, Ökologie und Ozeanografie studierte und seine Ausbildung zum Forschungstaucher machte.

Neben der Forschung und seiner Tätigkeit als TV-Moderator ist Kunz seit 2012 auf Tour im deutschsprachigen Raum und hält Vorträge an Universitäten, Schulen und Instituten. Dort präsentiert er seine faszinierenden Unterwasseraufnahmen und spricht über die bedrohlichen Veränderungen im Ozean. Auf seinen Fotos und Videos dokumentiert er nicht nur den Artenreichtum, sondern zunehmend auch den Artenrückgang, die Überfischung der Meere und den Einfluss des Klimawandels sowie die Zerstörung durch Umweltverschmutzung.

Ein Taucher fotografiert Haie, die ihn umkreisen
Uli Kunz unter HaienBild: Alina Opris

Botschafter der Meere

Wenn Uli Kunz seine Begeisterung über die großen und kleinen Wunder der Wasserwelt teilt, ist man sofort ganz Ohr. Er ist ein begnadeter Erzähler, und das ist ihm durchaus bewusst: "Was mir liegt, ist dieses Wissen zu sammeln und komplexe Probleme verständlich zu vermitteln. Denn Meeresbiologie kann einfach dargestellt werden." Mit viel Leidenschaft und äußerst anschaulich entzaubert Uli Kunz bei seinen Vorträgen falsche Mythen übers Meer und zeigt stattdessen, was wirklich faszinierend ist an der Meeresflora und -Fauna. Und wie fragil beide sind.

Ein prall gefüllter Saal und eine Leinwand, auf der ein Taucher und ein Buckelwal zu sehen sind
Uli Kunz bei einem seiner VorträgeBild: Damian Poffet

Auf den Ist-Zustand der Ozeane angesprochen, wird Kunz ernst. Dieser sei "katastrophal". "Wir sind dabei, zahlreiche Tierarten zu bedrohen. Der Klimawandel beeinflusst die Unterwasserwelt. Das ist ein Riesenproblem, das uns noch in vielen Jahrzehnten beschäftigen wird." Allein während seiner aktiven Zeit als Taucher hat Uli Kunz beobachtet, wie blühende Korallenriffe zu schwarzen Trümmerhaufen wurden, in denen kein Leben mehr möglich ist. Hat er vor 20 Jahren bei Nachttauchgängen in der Nordsee noch sehr viele Aale gesehen, seien diese mittlerweile fast vom Aussterben bedroht, "weil im Atlantik Baby-Aale abgefischt werden, um sie auf dem asiatischen Markt für viel Geld zu verkaufen".

Umweltschutz ist Selbstschutz

Seiner Ansicht nach müssten wir Menschen uns endlich einer Sache bewusst werden: "Es geht um uns selber. Es ist ein rein egoistischer Ansatz, wenn man die Natur schützt. Wenn wir es schaffen, sie besser zu behandeln, überleben auch wir viel besser, als es aktuell der Fall ist. Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden die Schäden unermesslich groß sein." Was die Artenvielfalt und den Klimawandel angehe, werde es in nächster Zeit weiter viele sehr schlechte Nachrichten geben. Doch all das sei kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken.

Ein Mann in Neoprenanzug und mit Bauhelm liegt im seichten Wasser inmitten von Algen und fotografiert mit viel Ausrüstung
Auch das gehört zum Arbeitsalltag: Fotos von Algen im Schlamm auf HelgolandBild: Uli Kunz

Was gibt ihm also Hoffnung? "Das Wort Hoffnung verwende ich so gut wie nie. Es wäre vermessen, sich darauf zu verlassen", so Kunz. Stattdessen liege alles in unserer eigenen Verantwortung. "Ich will, dass junge Menschen die Perspektive haben, dass man im Meeresschutz etwas bewirken kann, dass man sich selber immer weiterbildet, um diese Welt zu verstehen. Denn nur, wenn wir Bewusstsein schaffen, haben wir vielleicht eine Chance." Zurückfahren und die Gesellschaft auf einen "nachhaltigen Weg" bringen - nicht nur als Modewort - das seien die Stichworte. Dann erzählt Kunz begeistert von einer Algenfarm in Norwegen und wieviel Platz in der Natur frei werden könnte, würden wir einen großen Teil der Massentierhaltung eindämmen. "Eine Stellschraube, an der wir leicht drehen könnten. Die Fakten dazu sind auf dem Tisch. Es dauert nur alles wahnsinnig lange bei uns Menschen."

Ein Junge in Badehose und Badekappe steht mit Flossen und Schnorchel auf einem Steg
Schon als Kind vom Wasser fasziniert: Uli Kunz am BodenseeBild: Winfried Kunz

Kunz selbst hat seine Faszination für die Natur und das Gespür für ihre Zerbrechlichkeit seinem Vater zu verdanken. Dieser nahm ihn immer wieder mit auf Kayak-Touren und zum Schnorcheln an den Bodensee. "Wenn man als kleines Kind schon in die Natur geführt wird, dann wird man sie automatisch mit Respekt behandeln. Und je mehr man sieht, welche Probleme es auf der Welt gibt - welche tollen Projekte aber auch, dann kann man nicht darüber hinwegsehen." Auf die Frage, was er noch erleben oder sehen will, antwortet Uli Kunz entschieden: "Ich habe noch nicht alles gesehen, ich will aber auch nicht alles sehen. Ich habe keine Bucket List. Ich bin jeden Tag froh über das, was ich erleben darf."

Faszinierende Bilder der Unterwasserwelt

Hier gibt es alle Folgen "Terra X" mit Uli Kunz zu sehen.