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Ufos, Irrtümer und ein brisanter Bericht

25. Juni 2021

Wer von Ufos sprach, machte sich früher schnell lächerlich. Jetzt aber hat das US-Militär einen Bericht über unerklärliche Himmelsphänomene veröffentlicht. Auch deutsche Ufo-Forscher waren schwer gespannt.

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Ein grobpixeliges Bild eines Flugobjekts
Grobpixelige Bilder und jede Menge Möglichkeiten - Material für Ufo-ForscherBild: General Nakata/Mary Evans Picture Library/picture-alliance

Erinnern Sie sich noch an Oumuamua? Das war dieser zigarrenförmige Himmelskörper, der im Herbst 2017 unser Sonnensystem durchquerte, bevor er wieder in den Tiefen des Alls verschwand. Das erste Mal hatten Astronomen einen Besucher von außerhalb des Sonnensystems beobachtet. Und was für einen Besucher: Ungewöhnliche Form, ungewöhnliche Flugbahn, ungewöhnliche Geschwindigkeiten. So ungewöhnlich, dass plötzlich auch seriöse Wissenschaftler in respektablen Medien die Frage wälzten, ob es sich bei dem rätselhaften Objekt vielleicht um ein Alien-Raumschiff handelte.

Schon lange beschäftigen sich Menschen mit der Frage, ob wir allein im Weltall sind. Und je mehr wir über die ungeheuren Dimensionen des Kosmos erfahren, um so mehr wächst die Zahl potenziell belebter Planeten – und umso mehr wird die Fantasie beflügelt von Vorstellungen außerirdischer Intelligenz. Und umso weniger wissen wir tatsächlich.

`Oumuamua: Ist das wirklich ein Asteroid?

"Wir sind nur dieser kleine blaue Planet inmitten von einem unendlichen Universum. Und da draußen könnte alles Mögliche sein", sagt Robert Fleischer der DW am Telefon. Fleischer sitzt dabei in Leipzig, im Büro seines Vereins Exopolitik Deutschland. Dort hat er auch ein Studio eingerichtet. In dem produziert der Ufo-Fachjournalist seine Sendung ExopolitikTV. Der dazugehörige Youtube-Kanal hat knapp 100.000 Abonnenten.

Tal der Ahnungslosen

Der 43-Jährige studiert seit Jahren alle zugänglichen Berichte über Ufos, in fünf Sprachen. Und erwartete den Bericht einer speziell eingerichteten Task-Force des US-Militärs über Ufos mit der Abgeklärtheit des Kenners: "Ich denke mal, daraus wird hervorgehen, dass da Fluggeräte mit erstaunlichen Eigenschaften herumfliegen. Mit Flugeigenschaften, die wir uns nicht erklären können, die uns überlegen sind", sagt Fleischer gelassen. 

Der Geheimdienstbericht dokumentiert 144 Sichtungen von Schiffen und Kampfjets des US-Militärs aus. Seit Jahrzehnten hat das Pentagon solche Berichte teils spektakulärer Begegnungen systematisch gesammelt - und lange unter Verschluss gehalten. Seit 2017 eine Journalistin der New York Times über das hochgeheime "Advanced Aerospace Threat Identification"-Programm berichtet und das Pentagon daraufhin bereits länger im Netz zirkulierende Videoaufnahmen als echt bezeichnet hatte, wird intensiv über die Bedeutung der Beobachtungen diskutiert. Im nun veröffentlichten Bericht heißt es eher unspektakulär, es gebe keine eindeutige und einheitliche Erklärung für die unbekannten Flugobjekte. "In unserem Datensatz fehlt es derzeit an ausreichenden Informationen, um Vorfälle spezifischen Erklärungen zuzuordnen." Hinweise auf mögliches außerirdisches Leben finden sich in dem Report nicht.

Der frühere US-Präsident Barack Obama hatte sich im Mai in einem TV-Talk überraschend zum Thema Ufos geäußert und von Bildmaterial und Aufzeichnungen über Objekte am Himmel gesprochen, "von denen wir nicht genau wissen, was sie sind. Wir können nicht erklären, wie sie sich fortbewegen, ihre Flugroute. Sie hatten kein einfach erklärbares Muster."

Barack Obama, ehemaliger US-Präsident
Barack Obama: "Objekte, von denen wir nicht wissen, was sie sind"Bild: Reuters/J. Skipper

Starlink-Satelliten und die Ufo-Hotline

Für Hansjürgen Köhler haben die Bemerkungen Obamas einen regelrechten Ufo-Hype befeuert. Köhler betreibt nahezu im Alleingang im hessischen Michelstadt das Centrale Erforschungs-Netz Außergewöhnlicher Himmelsphänomene, kurz CENAP. Seit über vier Jahrzehnten beschäftigt sich Köhler mit Ufos. In dieser Zeit wurde der Hobby-Astronom vom Ufo-Gläubigen zum dezidierten Skeptiker. "Unterm Strich bleibt nichts übrig", sagt er der Deutschen Welle am Telefon. Bei der von ihm betreuten Hotline gehen jährlich Hunderte Meldungen ein. Die allermeisten lassen sich mit natürlichen Ursachen erklären, stellt Köhler fest. "Wir haben eine Aufklärungsquote von 97 Prozent. Und die fehlenden drei Prozent bleiben offen, weil einfach ungenügende Daten vorliegen"

Seit Ende 2019 klingelt das Telefon der Ufo-Hotline häufiger. Köhler führt das auf die mehr als 1600 bereits im Orbit platzierten Starlink-Sateliten zurück, mit denen Elon Musks Unternehmen SpaceX weltweit Internetzugang anbieten will. "Für das Jahr 2020 haben wir insgesamt 895 Meldungen bekommen; von denen ließen sich 602 Berichte auf die Starlink-Satelliten zurückführen".

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Futter für Ufo-Sichtungen: Eine Falcon 9 Rakete bringt im April weitere Starlink-Satelliten ins AllBild: SpaceX/ZUMA Wire/imago images

Land der Vereine

Deutschland gilt als Land der Vereine. Auch viele Ufo-Enthusiasten zieht es in den Verein. Zu den bedeutendsten zählt die GEP, die Gesellschaft zur Erforschung des Ufo-Phänomens, im nordrhein-westfälischen Lüdenscheid. Die GEP gibt nicht nur eine Zeitschrift heraus, sie betreibt auch eine Ufo-Sichtungsdatenbank. Die Zahl der Datensätze derzeit: knapp 140.000. Auch die GEP-Experten finden für 95 Prozent der untersuchten Fälle eine natürliche Erklärung: Folienballons in ungewöhnlichen Formen, wie man sie auf Jahrmärkten sieht, Insekten, die zufällig so schnell durchs Bild fliegen, dass sie dann auf dem Foto wie eine fliegende Untertasse aussehen, Wetterphänomene oder eben Satelliten. Was ist mit den ungeklärten fünf Prozent? "Vielleicht sind das auch natürliche Phänomene, die wir einfach noch nicht erklären können", so der Vorsitzende Hans-Werner Peiniger gegenüber der DW.

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Keine Ufos über England sondern eindeutig gefälscht: Aufnahme von 1962Bild: picture-alliance/United Archives/TopFoto

Mitglied bei der GEP ist auch der Ufo-Journalist Fleischer - außerdem bei zwei anderen Ufo-Forschungsvereinen. Die deutschen Vereins-Mitglieder seien gerade keine Alien-Fans, betont Fleischer. Und beschreibt eher nüchterne Ingenieur-Typen, die mit den geringen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stünden, Vieles leisteten. Und schränkt dann ein: "Die privaten Ufo-Forscher haben nur ein Telefon, wo jemand anruft. Vielleicht hat noch jemand ein Foto oder ein Video gemacht, was sie vielleicht noch analysieren können, aber mehr haben die nicht". Weshalb für ihn klar ist: "Die interessantesten Fälle dürften sich beim Militär abspielen. Die haben den Luftraum unter Kontrolle, die haben die Instrumente, die Radargeräte und so fort."

Plötzliche Offenheit

Das Militär - egal in welchem Land - ist allerdings nicht eben für Offenheit bekannt. Deswegen staunt Fleischer über die plötzliche Bereitschaft von US-Regierungsstellen und Geheimdiensten, sich öffentlich mit Ufos zu befassen und bislang geheimes Material zu veröffentlichen. "Die Amerikaner haben jahrzehntelang alles getan, um dieses Phänomen lächerlich zu machen – und hatten dabei auch keine großen Probleme. Dass da jetzt was rauskommt und was da in Gang gekommen ist, ist in der Tat überraschend", fasst der Leipziger zusammen.

Eine Botschaft hat Fleischer zum Schluss des Telefonats. "Wir wollen nicht verbreiten, dass die Erde von Aliens besucht wird ", so Fleischer. "Wir wollen, dass dieses Thema öffentlich debattiert wird, dass es den Stellenwert erlangt, den es eigentlich hat, dass es von Wissenschaftlern untersucht wird."

Dieser Artikel wurde am 25.06.2021 aktualisiert. 

Matthias von Hein
Matthias von Hein Autor mit Fokus auf Hintergrundrecherchen zu Krisen, Konflikten und Geostrategie.@matvhein