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Turkmenistan wählt einen neuen Präsidenten

8. Februar 2007

Erstmals haben die Menschen die Gelegenheit, zwischen mehreren Kandidaten auszuwählen. Vertreter der Opposition sind jedoch nicht zugelassen. Viele glauben, dass die Macht bereits im Vorfeld neu verteilt wurde.

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Wahl ohne echte AlternativenBild: Bilderbox

Im Dezember war der schillernde turkmenische Staatsführer Saparmurat Nijasow, der sich auch "Turkmenbaschi", "Führer aller Turkmenen", nannte, unerwartet gestorben. Er hatte die zentralasiatische Republik, die über ziemlich große Erdgasreserven verfügt, über 15 Jahre diktatorisch regiert. Die Chancen, dass nach seinem Tod Demokratie in Turkmenistan Einzug hält, sind gering. Denn der 49-Jährige Gurbanguly Berdymuchammedow - ein langjähriger Vertrauter Nijasows - hat schon angekündigt, dessen Kurs weiterzuführen. Berdymuchammedow nimmt das Amt des Präsidenten schon jetzt übergangsweise wahr. Bei den Wahlen ist die Opposition chancenlos: Ihre Kandidaten sind nicht zugelassen; die meisten Oppositionellen befinden sich ohnehin seit Jahren im Exil.

Opposition spricht von Junta

Der Oppositionspolitiker Nurmuchammed Hanamow war unter Diktator Nijasow Minister für Wirtschaftsplanung und später Botschafter in Israel und in der Türkei. 2002 floh er aus Turkmenistan nach Österreich. Von dort aus führt er die oppositionelle Republikanische Partei Turkmenistans - und beobachtet das politische Geschehen in seiner Heimat aus der Ferne. Vor zwei Jahren verlor er seine zwei Söhne bei einem offenbar vom Geheimdienst inszenierten Autounfall in Moskau. Hanamow spricht von einer Junta, die derzeit die Macht in Turkmenistan in den Händen halte: "Der Interimspräsident Gurbanguly Berdymuchammedow ist der aussichtsreichste Kandidat für die Wahl. Er ist aber nur die sichtbare Spitze. Hinter ihm steht der Chef der Präsidentengarde, Akmurat Redschepow. Der ist mehr als Chef der Präsidentengarde. Redschepow wurde noch von Nijasow eingesetzt, um alle Schaltstellen der Macht zu kontrollieren:Ihm unterstehen das Verteidigungs-, das Sicherheits- und das Innenministerium. Überall sitzen dort Redschepows Leute. Und die verhindern heute jede freie Meinungsäußerung. Wer freie Wahlen fordert, den verfolgen sie und stecken ihn ins Gefängnis."

Kritik an versprochenen Reformen

Nach Meinung Hanamows räumen Redschepows Leute diejenigen aus dem Weg, die dem Regime in die Quere kommen, wie zum Beispiel kürzlich den Parlamentspräsidenten. Laut Verfassung hätte er nach Nijasows Tod übergangsweise die Staatsführung übernehmen müssen. Er wurde aber unter mysteriösen Umständen verhaftet. Der an seiner Stelle inthronisierte Vizepremier Berdymuchammedow hat unterdessen angekündigt, den Kurs Nijasows fortzuführen. Andererseits hat er aber einige Reformen versprochen. Bisher ist Turkmenistan nahezu komplett isoliert. Berdymuchammedow will nun Studenten im Ausland studieren lassen und einen freien Internetzugang im Land erlauben. Doch das seien nichts als schöne Worte, warnt der Exilpolitiker Chudaiberdy Orasow. Er lebt seit einigen Jahren in Schweden. Orasow ist sich sicher: "Die Politik Nijasows setzt sich fort: Es wird viel geredet, aber nichts getan. Turkmenistan befindet sich in einer katastrophalen Lage. Die Führung müsste sich überlegen, wie sie Krankheiten bekämpfen kann, anstatt sie totzuschweigen. Oder wie sie Umweltkatastrophen und den Hunger in einigen Regionen im Land stoppt. Das müssten die ersten Schritte sein. Stattdessen reden sie von 100 Auslandsstipendien und Computerisierung. Das tun sie nur für das Ausland. Das hat nichts mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung zu tun."

Hoffnung auf Unterstützung des Westens

Orasow leitet von Schweden aus die oppositionelle Exilorganisation "Watan" (Heimat). Und er wurde von den Exilanten zum Oppositionskandidaten für die Präsidentenwahl am 11. Februar nominiert. Orasow wurde allerdings von der Zentralen Wahlkommission nicht zugelassen. Denn in Turkmenistan dürfen nur Personen kandidieren, die in den vergangenen 15 Jahren vor der Wahl im Land gelebt haben. Orasow will deshalb den Kopf nicht in den Sand stecken. Er hofft auf Unterstützung der westlichen Regierungen und der OSZE: "Wenn die internationale Gemeinschaft hart gegenüber Turkmenistan auftritt und ganz klar fordert, dass Turkmenistan einen demokratischen Weg einschlagen muss, dann müssen die jetzigen Machthaber das akzeptieren und freie Wahlen zulassen. An denen könnte ich teilnehmen und gewinnen."

Bisher aber hält sich das Ausland mit Kritik an der turkmenischen Führung zurück - übrigens auch die Bundesregierung, die für die Zeit ihrer EU-Ratspräsidentschaft eine Zentralasien-Strategie angekündigt hat. Den Exilanten Hanamow von der Republikanischen Partei wundert das: "Leider sehen wir, obwohl die EU und auch Deutschland als derzeitiger Ratsvorsitzender sehr viel Macht haben, keine aktiven Reaktionen. Die beobachten nur und warten ab, was passiert. Aber das ist falsch. Denn von selbst wird sich da gar nichts tun. Wenn die Wahlen so verlaufen, wie sich das jetzige Regime das vorstellt, dann wird es später nur noch schwerer, einen Wandel herbeizuführen."

Warnung vor islamischem Fundamentalismus

Und noch eine Gefahr wachse, warnt Hanamow: Die des islamischen Fundamentalismus. Turkmenistan grenzt an Iran und Afghanistan. Schon jetzt gäbe es im Land Zellen religiöser Fundamentalisten: "Anfangs waren diese Zellen nur in zwei Regionen an der Grenze zu Usbekistan; jetzt sind sie schon bis in die Nähe der Hauptstadt Aschchabad vorgerückt. Einige Leute finden deren Regime besser als das von Nijasow. Dazu kommt ein gewaltiges Heer von Arbeitslosen. Nach Schätzungen internationaler Organisationen sind das mehr als 60 Prozent. Diese Leute fühlen sich von den gewaltigen finanziellen Mitteln der arabischen Extremisten angezogen, mehr noch als von deren religiöser Propaganda. Sie geraten in finanzielle Abhängigkeiten von religiösen Einrichtungen. Wenn das Regime seinen politischen Kurs so weiterführt, dann wird sich der islamistische Extremismus immer weiter ausweiten. Für die Exilpolitiker steht deshalb fest: Die internationale Gemeinschaft sollte entschiedener gegenüber der turkmenischen Führung auftreten.

Gesine Dornblüth
DW-RADIO, 6.2.2007, Fokus Ost-Südost