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Treffpunkt Europa: Überschuldung von Verbrauchern in Europa

Cathrin Brackmann12. Januar 2009

Was bedeutet eigentlich überschuldet zu sein? Ab wann ist man überschuldet? Dafür gibt es viele Erklärungen, aber, bis jetzt, keine EU weit anerkannte Standarddefinition.

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Eine Schuldnerberatungsstelle in DeutschlandBild: picture-alliance/ dpa

Entsprechend gab es bislang keine ausreichenden Statistiken, wie groß das Ausmaß der Überschuldung in den einzelnen Mitgliedsstaaten genau aussieht. Um das zu ändern, hat die EU-Kommission eine Studie in Auftrag gegeben. Diese hat ergeben, dass 13 Prozent aller Haushalte in EU-Mitgliedsstaaten im Jahr 2006 Probleme hatten ihren monatlich anfallenden Kosten nachzukommen. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. So war die Überschuldung in Nordeuropa z. B. Skandinavien deutlich geringer als in Süd- oder Osteuropa.

Die Privatinsolvenz als Rettung

In Deutschland sind, nach aktuellen Untersuchungen gut zehn Prozent der erwachsenen Deutschen überschuldet – bei den Betroffenen übersteigen Ausgaben dauerhaft die Einnahmen.

Um aus einer solchen Schuldenfalle wieder herauszukommen, gibt es in Deutschland seit 1999 die Methode der Privatinsolvenz. Damit haben überschuldete Menschen die Chance innerhalb von wenigen Jahren schuldenfrei zu sein. Doch obwohl die Verschuldung der privaten Haushalte zunimmt, Experten rechnen für 2009 mit 145.000 neuen Verbraucherinsolvenzen, melden immer weniger Menschen Privatkonkurs an. Sandra Pfister hat nachgefragt, woran das liegt.

Zu viele Kredite ohne Bonitätsprüfung

Es gibt viele Gründe, warum ein Mensch in die Schuldenfalle geraten kann. Zu viel Gutmütigkeit, zu wenig Erfahrung, geringes Einkommen oder auch die Möglichkeit recht einfach z. B. einen Kredit zu bekommen. Einen Kredit, den man dann gar nicht zurück zahlen kann. Genau wie gerade ganz aktuell in den USA, wo faule Kredite auf dem Hypothekenmarkt die weltweite Finanzkrise ausgelöst haben. Doch nicht nur in den Vereinigten Staaten war es viele Jahre kein Problem leicht einen Kredit zu bekommen.

Auch in Rumänien bekam lange fast jeder Geld von der Bank. Und inzwischen können viele diese Kredite nicht mehr zurückzahlen. Ein Teufelskreis, den Ökonomen schon lange vorausgesagt haben.

Kredite per SMS

Doch während die rumänischen Banken inzwischen die Notbremse gezogen haben und nur noch wenige Kredite vergeben, so sieht das in anderen Ländern ganz anders aus, z. B. in Schweden. Bei Jugendlichen dort sind derzeit so genannte SMS-Kredite sehr beliebt. Sie werden per Handy geordert - ohne Kreditprüfung. Immer mehr junge Menschen tappen auf diese Weise in die Schuldenfalle.

Davor will jetzt die Informationskampagne "Koll på cashen", auf Deutsch „Übersicht über das Bargeld“, warnen. Das schwedische Verbraucherschutzamt, die Finanzaufsicht und das staatliche Inkassoamt haben die Kampagne initiiert. Ein entsprechender Film wurde im Herbst an schwedischen Schulen gezeigt. Ob er etwas nützt muss sich noch zeigen. Deshalb denkt die schwedische Regierung jetzt über eine Gesetzesänderung nach, um junge Menschen vor der Überschuldung zu bewahren.

Pfandleihhäuser wieder hoch im Kurs

Doch was tun, wenn man dringend eine Rechnung bezahlen muss, aber kein Geld mehr hat? Immer mehr Menschen entscheiden sich inzwischen dazu einen Wertgegenstand zu verpfänden. Rund 1 Million Menschen haben in Deutschland so im vergangenen Jahr insgesamt eine Kreditsumme von 500 Millionen Euro bekommen.

Die verpfändeten Gegenstände bleiben drei Monate beim Pfandleiher. Was bis dahin nicht abgeholt worden ist, wird versteigert, in 92 von 100 Fällen werden sie wieder vom Besitzer abgeholt. Und nicht nur in Deutschland haben die Pfandleiher wieder mehr zu tun. Auch in Slowenien, wo der Beruf noch vor kurzem vor dem Aus zu stehen schien.

Eine Lobby für die Verbraucher

Wie es dazu kommen kann, dass ein Mensch in die Schuldenfalle gerät, dafür gibt es viele Gründe. Aber was kann man dagegen europaweit dagegen tun? Das ist eine Aufgabe, die sich das ecdn, das European Consumer Debt Network gestellt hat. Diesem Netzwerk gehören sowohl Schuldnerberatungen, als auch Forschungsgruppen und alternative Finanzberatungen an.

Es will eine Lobby für die Privathaushalte schaffen, die in die Schuldenfalle geraten sind. Dr. Hans Grohs, Präsident des ecdn fordert deshalb eine EU weite Normierung von einfachen Finanzprodukten, ohne versteckte Kosten oder Zinsen. Ein Beispiel wäre ein einfaches Sparkonto oder ein Girokonto ohne einen Dispositionskredit. Außerdem solle das Mittel der Privatinsolvenz in allen Ländern der EU eingeführt werden, damit überschuldete Menschen die Chance bekommen in absehbarer Zeit wieder schuldenfrei zu sein.