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5. Die Bahn kommt – fast für jeden

3. Dezember 2020

Für Menschen, die unseren Podcast nicht hören können, stellen wir hier ein Transkript zur Verfügung. Für Behinderte gibt es Hürden im öffentlichen Verkehr. In Folge 5 geht es um den Kampf für eine barrierefreie Bahn.

https://p.dw.com/p/3lbVc

Zum Podcast geht es hier.

Moderator Matthias Klaus: Hallo und herzlich willkommen zu "Echt behindert!" Ich bin Matthias Klaus und heute bei mir im Studio ist Kay Macquarie. Er sitzt in Berlin. Wir sind über Leitung miteinander verbunden. Er ist Rollstuhlfahrer und er ist DW-Mitarbeiter. Und er ist seit neuestem oder seit einem Jahr Behinderten-Aktivist. Kay sag mal: Was machst Du, dass Dich da in die Medien befördert?

Kay Macquarie: Ja hallo, ich bin einfach Bahn gefahren und - wie das Wunder es möchte - hat mich jemand gefragt, "Sag mal wie kommst du eigentlich in die Bahn rein?" Und dann habe ich ihm das erzählt. Und dann wurde es ein etwas längeres Gespräch. Er sagte: "Mensch, da musst du aber mal was draus machen und das ganz schnell ändern!" 

Matthias Klaus: Welche Härten hat man denn zu überstehen als rollstuhlfahrender Bahn Benutzer?

Kay Macquarie: Um mal einzusteigen im wortwörtlichen Sinne und vielleicht auch im übertragenen: Ich kann nicht mal eben so zum Bahnhof gehen und mir einen Zug oder eine Verbindung aussuchen und dann mal reinhopsen und von A nach B kommen, sondern ich muss diese ganze Geschichte mindestens einen Tag vorher anmelden: Erst mal gucken, ob Leute da sind, die die Hebebühne bedienen können, die letztendlich dazu dient, die Stufen, die es immer noch in der Bahn gibt, zu bewältigen - für mich als Rolli-Nutzenden.

Matthias Klaus: Dann meldest du alles an und dann klappt alles, dann ist überall Hilfe?

Kay Macquarie: Ja, schön wär's! Das ist dann der halbe Idealzustand, wenn man die Bedingungen betrachtet, wie wir sie jetzt vorfinden.

Aber nein, dem ist nicht so. Denn das Personal kann krank werden. Dagegen ist auch gar nichts zu sagen. Aber dann kann die Hebebühne nicht bewegt werden durch andere Personen, weil die dürfen nur ausgebildete Bahn-Mitarbeitende bedienen.

Was auch sein kann, ist, dass die einzige Tür, die in den barrierefreien Wagen führt, defekt ist; dass das WC selber nicht brauchbar ist - das soll auch vorkommen. Oder, dass einfach schon zu viele Rollifahrer da sind oder die Plätze einfach belegt sind.

Es gibt ja meistens nur ein bis zwei, manchmal drei oder vier Plätze in einem ganzen Zug. Das heißt: Selbst in Zügen, wo fast tausend Leute unterkommen, dürfen maximal 4 Rolli-Nutzende mitfahren.

Matthias Klaus: "Dürfen" heißt Passen nur rein oder gibt es da Vorschriften?

Kay Macquarie: Es gibt halt Vorschriften und man darf ja nicht irgendwie im Weg rumstehen - nicht wie alle anderen Leute das tun, wenn die Züge aus allen Nähten platzen. Das ist dann okay für Fußgänger, aber für Rolli Nutzende darf nur der vorgesehene Platz eingenommen werden. Da lässt die Bahn auch nicht mit sich reden.

Matthias Klaus: Ich habe ein Interview geführt mit Stephan Heinke vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e.V.

Einspieler: 

Blinde und Sehbehinderte haben auch so ihre Probleme mit dem öffentlichen Verkehr. Welche Probleme sehen Sie denn besonders für Blinde und Sehbehinderte?

Stephan Heinke: Wir haben zum einen die Problematik, dass bei weitem noch nicht alle Stationen, sowohl jetzt Bahnhöfe, aber auch Stationen des städtischen Nahverkehrs, mit einem blinden Leitsystem ausgerüstet sind. Das heißt, dass sich Sehbehinderte überhaupt nicht sicher auf den Stationen oder Bahnhöfen bewegen können.

Die nächste Problematik ist natürlich, dass für Blinde und Sehbehinderte oftmals nicht erkennbar ist: Was ist das denn jetzt für ein Fahrzeug, was gerade einfährt? Und wo fährt das hin? Weil eben nicht angesagt wurde - selbst wo es hinfährt, was es für eine Linie ist?

Dadurch ist man als Blinder immer auf Hilfe angewiesen. Eine weitere Problematik ist die Erkennbarkeit von Türen. Das heißt: Es fehlt ein Auffinde-Signal an Türen, auch teilweise bei den Fahrzeugen selbst. Die Problematik bei der schlechten Erkennbarkeit bei gekoppelten Fahrzeugen besteht darin, dass Betroffene zwischen den Wagen auf das Gleis stürzen können.

Matthias Klaus: Kay, das sind ja Sachen, wenn man die so hört, dann könnte man sagen "Okay, sobald noch jemand auf dem Bahnhof ist, kann er einem da helfen". Ein Blinder kann in den Zug einsteigen, wenn er die Tür richtig findet und wenn er weiß welcher Zug das ist. Er kann auch innendrin das Klo finden, auch wenn es mal abgeschlossen ist. Solche Sachen funktionieren als Rollstuhlfahrer nicht. Das ist dann eine Spur schwieriger. Na, wenn du jetzt alleine auf dem Bahnhof bist, dann bist du schon mal verloren.

Kay Macquarie: So richtig allein ist man ja nie auf dem Bahnhof. Da ist ja meist ordentlich was los und dann frage ich halt Passagiere oder Leute, die da herumstehen. Die spreche ich an und frage um Hilfe. Damit habe ich auch gar kein Problem. Das finde ich auch irgendwie in Ordnung, wenn es denn ab und zu mal vorkommt. Aber wenn strukturell was im Argen ist und das ist es bei der Bahn, dann finde ich das nicht so lustig.

Matthias Klaus: Was ist da strukturell im Argen?

Kay Macquarie: Naja, also überhaupt der Fall, dass man auch im 20. Jahrhundert oder im 21. Jahrhundert noch in die Züge hinein klettert und nicht einfach in sie hineingeht, wie wir in jeden Supermarkt gehen würden oder wie wir im ÖPNV halt einfach in die Straßenbahn einsteigen oder in die U-Bahn.

Dort liegt alles auf dem gleichen Niveau - ohne Rampe, ohne alles. Da kommt man von der einen Seite zur anderen recht gut rüber. Das ist nicht so im Fernverkehr. Da gibt es halt immer noch die Stufen, in die muss jeder und jede mit Koffer oder mit Rollstuhl oder mit Rollator oder mit Kinderwagen hineingehen muss oder hineinsteigen. Die Stufen werden dadurch überwunden, indem man vor Ort Hebebühnen hat, an einigen ausgewählten Bahnhöfen. Das sind bei weitem nicht alle.

Jetzt mit dem "neuen" ICE 4 der "neuesten" Klasse: Im Fernverkehr gibt es sogenannte Fahrzeug-gebundene Hebebühnen, die ein Meisterwerk deutscher Ingenieurskunst darstellen. Sie sind aber so ausgetüftelt, dass das Bahnpersonal sie nicht bedienen kann.

De facto werden die Teile nicht genutzt und es gibt auch eine interne Anlage der Bahn, die vorschreibt, das tunlichst zu unterlassen, weil ein nicht vorgesehenes Zusammenbauen der Hebebühne zu einem Error führt, der dann den ganzen Zug aufhält.

Matthias Klaus: Es war in den letzten Monaten mehrfach zu lesen von Menschen, die dann teilweise auch prominent waren, die nicht in den Zug kamen: [Der Grünen-Politiker] Hans-Christian Ströbele hatte mal ein Problem mit seinem Rollator. Er kam nicht rein. Kristina Vogel, die ehemalige mehrfache Olympiasiegerin, die inzwischen im Rollstuhl sitzt, ist auch nicht mitgenommen worden. Solche Sachen machen dann Schlagzeilen. Wie verhält sich denn die Bahn, wenn solche Geschichten aufkommen? Ist denen das wenigstens peinlich? 

Kay Macquarie: Ja, natürlich ist es denen unangenehm. Auf der anderen Seite ist es im Management selber nicht angekommen, dass es überhaupt ein Problem darstellt, weil die Bahn, glaube ich, insgesamt in Zahlen denkt. Wenn sie 99 Prozent Performance haben, dann ist das restliche Prozent, was dann runterfällt keine Größe mehr, mit der die Bahn rechnet. Ich glaube, da steckt ein Grundproblem drin.

Matthias Klaus: Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben ISL e.V. möchte, wenn es nötig ist, die Deutsche Bahn verklagen. 

Einspieler: 

Alexander Ahrens ist Pressesprecher der ISL. Herr Ahrens, wieso das denn? 

Alexander Ahrens: Weil wir als ISL ein Schlichtungsverfahren zurzeit laufen haben mit der Schlichtungsstelle (BGG) Behindertengleichstellungsgesetz. Das ist die Schlichtungsstelle, die beim Bundesbehindertenbeauftragten, Jürgen Dusel, angesiedelt ist. Dieses Schlichtungsverfahren droht jetzt zu scheitern, da uns damals die Deutsche Bahn nicht entgegengekommen ist, aufgrund unserer Beschwerde.

Das heißt, wir wollen mit allen Zügen fahren, die quasi auch rollen. Die Deutsche Bahn sagt aber immer "Nein. Wenn das Bahnsteigpersonal nicht vor Ort ist, dann können wir euch nicht in den Zug rein helfen". Deswegen haben wir dann gesagt, "Okay, gut, damit ist die Schlichtung gescheitert".

Die Stelle hat dann noch ein Gutachten in Auftrag gegeben, ein Rechtsgutachten, und hat da versucht zu eruieren und herauszubekommen, wie es denn überhaupt um die Beförderungssituationen von Menschen mit Behinderungen im Deutschen Bahnverkehr steht und wie das mit den EU-Fahrgastrechten übereinkommt.

Matthias Klaus: Was steht denn in diesem Gutachten drin? Zu welchem Ergebnis kommt der Anwalt denn?

Alexander Ahrens: Der kommt zu dem Ergebnis, dass die Deutsche Bahn und auch Deutschland die Rechtsvorschriften zur Barrierefreiheit und zu angemessenen Vorkehrungen unzureichend umsetzen. Ein Zug, der Stufen hat, ist nicht barrierefrei, weil ich selber nicht in einen Zug komme.

Laut Definition vom Behinderten-Gleichstellungsgesetz bedeutet "barrierefrei", dass ich etwas ohne fremde Hilfe nutzen kann. Deswegen kommen jetzt die angemessenen Vorkehrungen ins Spiel. Das sind immer die Vorkehrungen, die ich dann machen muss, wenn ich keine Barrierefreiheit habe.

Diesen Vorkehrungen müssen sie mir individuell immer stellen. Das heißt: Wenn ich in den Zug nicht hineinkomme, weil der Stufen hat, dann müssen sie mir rein- und raushelfen. Das machen sie aber nicht.

Sie machen es nur zu den Zeiten an denen am Bahnsteig Personal ist. Und damit ist es eine Diskriminierung. Wir versprechen uns von einer Klage, dass die Bahn bzw. auch die Bundesrepublik Deutschland, die ja der Hauptanteilseigner der Deutschen Bahn ist, dazu verpflichtet wird, das endlich umzusetzen, was sie schon seit 2009 umsetzen müssten, seitdem die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland ratifiziert worden ist und gültiges Recht ist. 

Ende Einspieler

Matthias Klaus: Kay, Du als Bahn-Nutzer, der auch Verständnis für die Bahn hat, würdest du sagen, so eine Klage ist im Endeffekt angemessen oder ist das jetzt doch zu viel? Durch Konfrontation erreichen wir damit nichts.

Kay Macquarie: Naja, die Haltung der Bahn ist ja die, dass ihnen Menschen mit Behinderung quasi egal sind. Die interessieren sich nicht für diese Zielgruppe. Das muss man mal so zugespitzt formulieren. Auch wenn Sie vielleicht irgendwie 3 bis 4 Leute haben, die sich auch strukturell mit dem Thema befassen, ist das bei einer Gesamtanzahl von über 300.000 Mitarbeitenden ein Tropfen auf den heißen Stein.

Und insofern ist klar: Es braucht hier eine Haltungsänderung. Jetzt muss es mal eine Zäsur geben, insbesondere in dieser Zeit, die ganz verstärkt auf die Bahn setzt als neuen Mobilitätsfaktor, der dann auch grün ist und grüner als viele andere Transportmittel.

Genau jetzt braucht es eine Zäsur und wir müssen irgendwie dahin kommen, die Bahn barrierefreier zu machen. Insbesondere wenn man sich vorstellt: Alle drei Wochen kommt ein neuer ICE auf die Schiene, den ich und wir als Menschen mit Mobilitätseinschränkung nicht spontan nutzen können.

Es bedarf einer Klage, die aufrüttelt, die wach macht und die zeigt: Barrierefreiheit ist total wichtig. Sie wird auch nicht nur einigen wenigen gerecht, sondern es ist eine echte Chance, die damit auch einhergeht, die Bahn für alle zugänglich zu machen.

Wenn man sie als Chance begreift, auch mal eine Charme-Offensive zu machen, damit man nicht in die Züge hineinklettert mit seinem Koffer, sondern einfach so einsteigen kann. 

Matthias Klaus: Die UN-Behindertenrechtskonvention, die in etwa 11 Jahre gilt in Deutschland, verlangt, dass der Nahverkehr im Jahr 2022 barrierefrei sein soll. Ich habe Stephan Heinke vom DBSV, vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. gefragt, wie er das denn einschätzt, wie weit man denn nun eigentlich ist.

Einspieler

Stephan Heinke: Bei weitem noch nicht so weit, wie wir sein sollten. Das ist schlecht an Prozenten festzumachen. Da ist noch deutlicher Aufholbedarf in solchen Sachen. Die Problematik ist natürlich auch, dass 2022 als Datum nicht im Raum steht, wie man es immer denkt, dass der Personennahverkehr barrierefrei sein muss, sondern dass bis zu dem Zeitpunkt zumindest die Verkehrsträger einen Fahrplan für die Herstellung von Barrierefreiheit bereithalten müssen.

Zwar sind die meisten Verkehrsträger doch mittlerweile so weit, dass sie anstreben, bis 2022 den Personennahverkehr barrierefrei zu gestalten, soweit es möglich ist. Aber das wird nahezu keiner der Verkehrsträger schaffen. Da, wo es eher noch schaffbar ist, ist eben wirklich bei solche Sachen, dass man die Fahrzeuge sprechend macht und man wirklich erkennt: Was ist das jetzt für ein Fahrzeug?

Aber gerade, wenn es um die baulichen Punkte der Barrierefreiheit geht: Um die Verlegung von Blindenleitsystemen, Erreichbarkeit von Stationen und Bahnhöfen und Fahrstühlen und sondergleichen. Da wird dieses bis 2022 nicht schaffbar sein.

Einspieler 

Kay Macquarie: Schleswig-Holstein hat jetzt gerade Züge im Wert von einer Viertelmilliarde Euro gekauft, die nicht barrierefrei sind. Die kommen 2022, also genau dann, wenn eigentlich dieses Personenbeförderungsgesetz gilt und wir Barrierefreiheit im Personennahverkehr haben wollen, in Schleswig-Holstein auf die Schiene. Sie verbindet dann Hamburg mit Lübeck und Fehmarn.

Ich als Mensch mit Rollstuhl kann die Dinger nicht selbstständig bedienen. Ich muss immer jemanden fragen, ob er mir die Rampe rausfährt, damit ich dann da runterkomme und am Ende auch wieder raus. Das zementiert im Prinzip für die nächsten 30 Jahre dann Barrierehaftigkeit in Schleswig-Holstein.

Matthias Klaus: Kay, man kann von dir eine Website im Internet finden, die sich mit dem Thema Bahn beschäftigt. Kannst du uns ein bisschen erklären, was auf dieser Website stattfindet?

Kay Macquarie: Ja, auf barrierefreiebahn.de sammeln wir positive Beispiele, wie es irgendwie auch läuft. Das, was wir da sammeln, gilt der Sichtbarmachung von Lösungen, aber auch von Dingen, die halt einfach jetzt an der Zeit sind, mal umgesetzt zu werden.

Ich war jetzt gerade in der Schweiz unterwegs. Da kann man z.B. Bahn fahren und einfach so einsteigen und auch wieder rauskommen an vielen Bahnhöfen. Vor allem kann man das auch mit 10 Leuten machen - eine ganze Gruppe von Rollstuhlfahrern. 

Ob es irgendwie ein Basketballverein ist oder Tischtennisverein - wer auch immer in der Gruppe fahren möchte, der kann so einen Zug besteigen und er muss es nicht auf drei oder vier Züge aufteilen als Gruppe. Das sind so Beispiele, die wir dort sammeln. Wir rufen dann auch die Leute auf, die etwas Schlechtes erfahren haben und Ausgrenzung erfahren in der Bahn, das zu dokumentieren und uns zu schreiben oder auch der Schlichtungsstelle zu schreiben, damit sich endlich etwas bewegt in der Bahn.

Gleichzeitig haben wir auch eine Petition am Start, die jetzt eigentlich schon fast 100.000 Menschen unterzeichnet haben, wo es um eine "Bahn Challenge" für den Bahnchef Dr. Richard Lutz geht. Es geht darum, eine Runde Bahn zu fahren. Er im Rollstuhl, ich im Rollstuhl und dann gucken wir wie das so läuft. 

Matthias Klaus: Hat er sich dazu schon geäußert? Wird er es machen?

Kay Macquarie: Klar hat er sich geäußert - nach ungefähr drei Monaten. Da musste man ihn ein bisschen bearbeiten. Dann hat er doch was dazu gesagt. Es war recht umständlich auf drei Seiten. Ich habe das als Bahn-Klingonisch dann irgendwie übersetzt für mich.

Ich glaube, da steht irgendwie drin, sein Terminkalender sei so voll, dass er das nicht machen kann. Für mich ist das so, dass er damit eine Chance vergibt, weil das natürlich eine Win-Win-Situation wäre für ihn, wie auch für mich.

Ich glaube insgesamt, dass diese Generation 50+, wenn ich das mal so pauschal sagen darf, zu denen gehört, wo ich dann auch den Bahnchef einsortiere. Die haben so wenig Berührungspunkte mit Menschen mit Behinderungen gehabt und Mangel an Diversität, dass er gar nicht weiß, wie sich das so anfühlt, mit dem Rollstuhl unterwegs zu sein und dann irgendwie so eine Hebebühne, so einen metallenen Käfig nutzen zu müssen, um irgendwie mal in die Bahn reinzukommen.

Ich glaube, wenn er das selber mal erfährt, dass sich hier eine ganze Menge ändern wird.

Matthias Klaus: Man konnte auf deiner Webseite folgendes lesen: Da hat eine Frau gepostet, sie hätte sich immer Sorgen gemacht, wie sie als Rollstuhlfahrerin mit der Londoner U-Bahn klarkommt. Das wäre das kleinere Problem gewesen am Ende. Das hätte alles super funktioniert. Aber hier in Deutschland war es schwierig. Hast du Erfahrungen mit dem Ausland? Wie steht Deutschland da im Vergleich zu den restlichen Ländern, die wir ja um uns rumhaben?

Kay Macquarie: Das Beispiel Schweiz war schon angesprochen. Da läuft es toll, wegen dem Stufenlosen Zugang. Das ist halt ein großes Thema: Stufenlos. Geht endlich hin und macht es ebenerdig zugänglich. Da ist es halt irgendwie schon in vielen Teilen umgesetzt und man kann halt auch mit mehreren Leuten da reinkommen.

Ähnliches habe ich in Österreich erfahren. Wenn man die gesamte EU im Blick hat, dann gibt es dort halt auch schon viele Stufen - und nicht nur Stufen, sondern auch viele unterschiedliche Systeme. In der Tat bräuchte man hier die EU, um da mal ein bisschen was zu vereinheitlichen.

Schön wäre es auch, wenn der Mobilitätsservice-Dienst der Deutschen Bahnn nicht an der deutschen Grenze quasi aufhört, sondern wenn es ihn EU-weit gäbe. Dann könnte man auch internationale Fahrten mit der Bahn bestreiten kann.

Matthias Klaus: Ich hab gelesen, du hattest diese Anfrageformulare der Mobilitätservicezentrale (MSZ) in irgendeiner Form vereinfacht oder im Internet platziert. Was hat es damit auf sich und funktioniert das?

Kay Macquarie: Das nennt sich "HaSe", auf das du gerade anspielst. und bedeutet Hilfeleistung als Service. Letztendlich kann man damit die Hilfeleistung der Bahn ganz einfach mit wenigen Klicken anmelden. Wir haben das gemacht, weil dieser Prüfungsprozess der Service Zentrale (MSZ) so unglaublich kompliziert ist. 

Es wirklich eine Faust, die einem ins Gesicht schlägt. Wenn man das Anmeldeformular ausfüllt, da sieht man, dass die Bahn nicht nur Barrieren im infrastrukturellen Bereich vorhält, also im rollenden Material und auf den Bahnhöfen, sondern auch das Internet und das Digitale überhaupt noch nicht für sich entdeckt haben - das barrierefrei und inklusiv zu gestalten.

HaSe ist eine Website. Da kann man diesen Hilfsdienst anmelden und es wird jetzt auch schon regulär genutzt. Ich kann es nur jedem empfehlen, der mit der Bahn reist und diesen Hilfsdienst benötigt, weil es halt einfach zu machen ist und man hat immer im Überblick, wo man sich gerade befindet und sämtliche Reiseketten sind dort miteinander verbunden. 

Matthias Klaus: Und die Bahn kooperiert da? Nehmen die dann die Daten entgegen? Wie funktioniert das?

Kay Macquarie: Naja, das läuft mit Trick 17. Wir haben da eine Schnittstelle zur Deutschen Bahn und was wir letztendlich machen ist dieses unsägliche Formular mit 100 Feldern automatisch zu bespielen. Das geht, dank toller Technik aus Karlsruhe.

Die Bahn weiß noch nicht so richtig was von ihrem Glück aber sie toleriert es. Wir machen es irgendwie kostenfrei und wir wollen halt einfach damit zeigen, dass es durchaus möglich ist, Hilfsanmeldung ganz einfach zu machen und nicht so gemein zu gestalten, wie es die Bahn tut. 

Matthias Klaus: Hast du selbst Erfahrungen mit Flugzeugen? Wie funktioniert das da?

Kay Macquarie: Im Flieger funktioniert die Anmeldung des Rollstuhls auf Knopfdruck. Das ist letztendlich das, was ich von der Bahn auch fordere. Jetzt muss ich halt irgendwie ein unglaublich langes Formular ausfüllen, wenn ich da mal den Hilfsdienst anmelden möchte. Aber im Flieger geht das bei vielen Airlines einfach mit einem Klick.

Da ist eine Rollstuhlbezeichnung drauf und mit einen Klick wird dann alles vorbereitet. Im Flieger selber ist das natürlich nochmal eine andere Geschichte, etwa, um da aufs Klo zu kommen. Das ist so eine Perspektive für das Jahr 2050 oder so, bis die Toiletten dann auf eine Art auch so breit sind, dass man mit dem Rollstuhl dort hineinfahren kann.

Matthias Klaus: Gibt es da Bestrebungen oder ist das einfach nur ein ferner Traum?

Kay Macquarie: Klar gibt es Bestrebungen. Es gibt [Entwürfe von] Herstellern [für flexible Toiletten] die man bei Bedarf groß machen kann. Das ist irgendwie eine gute Sache, weil dann die Airlines nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Insofern, wenn man das Wirtschaftliche damit reindenkt, dann gibt es auch da jetzt schon Lösungen. Jetzt sind die Airlines gefragt, das halt irgendwie auch in ihre Flugzeugkabinen einzubauen. 

Matthias Klaus: Aussichten, dass es besser werden kann - auch in Deutschland, Vorbilder im internationalen Vergleich. Bei mir zu Gast heute hier war Kay Macquarie - DW Mitarbeiter und Aktivist im Bereich Reisen mit Behinderung. Kay, ich danke dir sehr herzlich, dass du die Zeit gefunden hast und ich hoffe, dass deine Projekte alle so gut werden, wie Sie wollen. Wenn der Herr Lutz mit der Bahn fährt, dann machen wir hier die nächste Folge. Vielen Dank, Kay!

Kay Macquarie: Wunderbar. Vielen Dank! 

Matthias Klaus: Das war "Echt behindert!" Heute zum Thema barrierefreies Reisen. Mein Name ist Matthias Klaus. Mehr Folgen und mehr Infos unter dw.com/wissenschaft

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Schreiben Sie an: echt.behindert@dw.com

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Hinweis der Redaktion: Dieses Transkript wurde unter Nutzung einer automatisierten Spracherkennungs-Software erstellt. Danach wurde es auf offensichtliche Fehler hin redaktionell bearbeitet. Der Text gibt das gesprochene Wort wieder, erfüllt aber nicht unsere Ansprüche an ein umfassend redigiertes Interview. Wir danken unseren Leserinnen und Lesern für das Verständnis.