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Politik

Tiergarten-Mord hat diplomatische Folgen

15. Dezember 2021

Der Prozess wegen der Ermordung eines Georgiers belastet das deutsch-russische Verhältnis massiv. Das Auswärtige Amt bestellte nach dem Urteil den russischen Botschafter ein und ergriff Maßnahmen gegen zwei Diplomaten.

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Seit Herbst vergangenen Jahres hatte das Berliner Kammergericht verhandelt
Seit Herbst vergangenen Jahres hatte das Berliner Kammergericht verhandelt Bild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sieht die Beziehungen zu Russland nach dem Urteil im Fall des sogenannten Tiergartenmordes schwer belastet. "Dieser Mord in staatlichem Auftrag (...) stellt eine schwerwiegende Verletzung deutschen Rechts und der Souveränität der Bundesrepublik Deutschlands dar", sagte Baerbock in Berlin. Sie habe den russischen Botschafter deswegen einbestellt und zwei Mitarbeiter der russischen Botschafter zu unerwünschten Personen erklärt. Ein offener und ehrlicher Austausch mit Russland sei durch den Vorgang schwer belastet.

Das Außenministerium in Moskau sprach in einer ersten Reaktion von einem "unfreundlichen Akt" und kündigte nach einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur Interfax Vergeltungsmaßnahmen an.

Im Prozess um einen mutmaßlichen russischen Auftragsmord im Kleinen Tiergarten in Berlin war der Angeklagte Vadim Krasikov einige Stunden zuvor zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Das Berliner Kammergericht sah es als erwiesen an, dass der russische Staatsbürger im August 2019 einen tschetschenischstämmigen Georgier in dem Park mitten in der Hauptstadt erschossen hatte - vor den Augen zahlreicher Passanten. 

Vorzeitige Entlassung praktisch ausgeschlossen

Die Richter erkannten zusätzlich auf die besondere Schwere der Schuld, was eine vorzeitige Haftentlassung praktisch ausschließt. Das Urteil entsprach der Forderung der Bundesanwaltschaft, die wegen der besonderen Bedeutung des Falls die Ermittlungen und die Anklage übernommen hatte. Die Verteidigung von Krasikov hatte einen Freispruch gefordert. Der Fall wurde seit Herbst vergangenen Jahres vor einem Staatsschutzsenat verhandelt. 

Polizisten und Spezialisten im August 2019 am Tatort im Kleinen Tiergarten in Berlin
Polizisten und Spezialisten im August 2019 am Tatort im Kleinen Tiergarten in Berlin Bild: Christoph Soeder/dpa/picture-alliance

Er könnte die ohnehin schwierigen diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland weiter belasten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mord von der russischen Staatssicherheit in Auftrag gegeben wurde. Für die Staatsanwaltschaft handelt es sich bei Krasikov  um einen ehemaligen Offizier des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, der für den Auftragsmord an dem Georgier eine Scheinidentität erhalten hat.

Berlin wies zwei russische Diplomaten aus

Das Opfer wiederum, das seit Ende 2016 als Asylbewerber in Deutschland gelebt hatte, war von russischen Behörden als Terrorist eingestuft worden. Der Mann soll im zweiten Tschetschenienkrieg von 2000 bis 2004 gegen Russland gekämpft haben. Nach dem Mord an ihm wies die Bundesregierung als Reaktion zwei russische Diplomaten aus. Moskau wies die Vorwürfe eines staatlichen Auftragsmords als haltlos zurück.

Krasikov war unmittelbar nach dem Verbrechen am 23. August 2019 in der Nähe des Tatorts von Polizisten festgenommen worden und saß seitdem in Untersuchungshaft. Auf das Opfer waren drei Schüsse aus einer Pistole mit Schalldämpfer abgegeben worden. Vor der Tat hatte sich der Angeklagte laut Anklage dem Getöteten in dem Park im Zentrum von Berlin von hinten auf einem Fahrrad genähert.

Empörung in Moskau

Der russische Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew, kritisierte das Urteil zum Tiergarten-Mord als "politisch motiviert". "Wir halten dieses Urteil für eine voreingenommene und politisch motivierte Entscheidung, welche die ohnehin schwierigen deutsch-russischen Beziehungen erheblich belastet", erklärte der Botschafter. Netschajew bezeichnete die Einschätzung des Gerichts, dass der Auftrag zu dem Mord von staatlichen russischen Stellen kam, als "absurd". Er fügte hinzu, im gesamten Verfahren sei diese Sichtweise "vermischt mit antirussischen Stimmungen" in die Öffentlichkeit getragen worden.

Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der Christlich Demokratischen Union, sagte im Gespräch mit der Deutschen Welle, dass ein entschlossenes, gemeinsames Vorgehen der Europäischen Union erforderlich sei, um eine starke Botschaft an Russland zu senden. "Wir sollten Sanktionen, persönliche Sanktionen, gegen eine Reihe von Personen oder eine Reihe von verantwortlichen Personen in den Geheimdiensten und im Staat Russland verhängen, die als diejenigen identifiziert werden können, die von den Geschehnissen wussten und die vielleicht die Idee hatten, dies zu tun", betonte der Bundestagsabgeordnete. "Das sollte ein klares Signal sein." Hardt fügte hinzu, dass die Sanktionen nicht die einfachen Russen treffen sollten, sondern vielmehr auf Personen in der Regierung und in deren Nähe abzielen.

sti/WW/kle (afp, dpa, rtr, DW)