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Trübe Aussichten

23. April 2009

Sechs Prozent Minus in diesem Jahr - das sagen die fünf führenden Wirtschaftsinstitute für die deutsche Wirtschaft voraus. Mit verheerenden Auswirkungen für den Arbeitsmarkt.

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Symbolbild: Fallender Index vor der Deutschland Flagge
Deutschland steckt in einer tiefen RezessionBild: DW-Montage

Auch Experten können sich durchaus irren. Ein Wachstum von 0,2 Prozent hatten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute noch im vergangenen Herbst für 2009 prognostiziert. Im aktuellen Frühjahrsgutachten sieht die Welt aber ganz anders aus, wie Kai Carstensen vom ifo-Institut München deutlich macht. "Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Frühjahr 2009 in der tiefsten Rezession seit der Gründung der Bundesrepublik. Alles in allem wird sich das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2009 voraussichtlich um sechs Prozent verringern." Für 2010 erwarten die Institute keine durchgreifende Erholung. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte um 0,5 Prozent sinken.

Einen Trost hat Carstensen allerdings parat: Das Minus von sechs Prozent beim Bruttoinlandsprodukt werde maßgeblich bestimmt durch den Produktionseinbruch im zurückliegenden Winterhalbjahr. "Fünfeinhalb von den sechs Prozentpunkten erklären sich so. Das große Erdbeben in der Produktion liegt also hinter uns." Jetzt kämen die Nachbeben, die Folgeschäden und die Aufräumarbeiten – vor allem am Arbeitsmarkt.

Mehr Arbeitslose und höhere Defizite

Menschen stehen Schlange im Arbeitsamt Kassel (Foto: dpa)
Solche Bilder werden zum Alltag: Arbeitslose stehen vor der Arbeitsagentur SchlangeBild: dpa

Die meisten Unternehmen dürften die Talsohle erreicht haben, doch solange es noch nicht wieder aufwärts geht, brauchen sie weniger Beschäftigte. Eine Million Arbeitsplätze werden nach Berechnungen der Wirtschaftsforscher in den kommenden Monaten verloren gehen. Bis Ende 2010 könnte sich die Arbeitslosenzahl auf knapp unter fünf Millionen erhöhen. Ein düsteres Szenario, das einhergeht mit einer wachsenden Verschuldung der öffentlichen Haushalte.

"Die Konjunkturprogramme, die wegbrechenden Steuer- und Beitragseinnahmen sowie kräftig steigende Arbeitsmarktausgaben werden die öffentlichen Budgets erheblich belasten." So Kai Carstensen vom ifo-Institut München. Für das Jahr 2009 werde das Finanzierungsdefizit auf 89 Milliarden Euro hochschnellen, was einer Defizitquote von 3,7 Prozent entspricht. Aufgrund weiter rückläufiger Produktion und steigender Arbeitslosigkeit erwarten die Institute für das kommende Jahr einen Fehlbetrag von 133 Milliarden Euro und eine Defizitquote von 5,5 Prozent.

Keine neuen Konjunkturprogramme

Zwei Schrottautos in einem Container, an der Vorderseite des Containers ein Plakat: "Umweltprämie 2500, -€ (Foto:AP)
Die Abwrackprämie halten die Experten für keine gute IdeeBild: AP

Vor diesem Hintergrund lehnen die Wirtschaftsforscher weitere staatliche Milliardenprogramme ab. Aktuell, so sagt Joachim Scheide vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, müsse man erst einmal die zwei bisher aufgelegten Konjunkturpakete wirken lassen. "Wenn alles so einfach wäre und es keine Kosten gäbe für expansive Programme, dann würden wir ja alle zustimmen und sagen, man soll auf jeden Fall eine expansive Politik betreiben." Aber diese Programme müssten finanziert werden. Da sei die Befürchtung, dass mittelfristig die Steuern stark erhöht würden.

Vor allem Maßnahmen, die nur kurzfristig den Konsum anregen, wie die so genannte Abwrackprämie für Altautos, sind für die Experten Beispiele verfehlter Politik. Im kommenden Jahr werde sich durch die entstehende Nachfragelücke die Rezession in der Autoindustrie nur verschärfen. Stattdessen, so Kai Carstensen, müsse sich die Bundesregierung weiter massiv um die Stabilisierung des Bankensektors kümmern, um die Kreditklemme in den Griff zu bekommen. "Sicherlich gibt es keine Blaupause für den besten Weg. Es scheint jedoch unumgänglich, dass die Bundesregierung den Druck auf die Banken erhöht und sie notfalls zwingt, staatliche Hilfen anzunehmen." Selbst eine Verstaatlichung stelle ein geringeres Übel dar, als ein Andauern der Schwierigkeiten.

Ende der Rezession nicht in Sicht

Statistisches Amt Indiens (Foto: Bloomberg)
Indien kann noch Wachstum präsentierenBild: picture-alliance/ landov

Wie lange es dauern wird, bis es in Deutschland wieder aufwärts geht, hängt vor allem aber auch von der Weltwirtschaft ab. Die befinde sich, so Volker Nitsch von der Konjunkturforschungsstelle der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) in der tiefsten Rezession seit der Grossen Depression zu Beginn des 20. Jahrhunderts. "Deutliche Hinweise auf ein Ende des Einbruchs sind bislang noch nicht erkennbar, auch wenn einige Indikatoren darauf hindeuten, dass Produktion und Nachfrage in den kommenden Monaten langsamer abnehmen werden."

In den Schwellenländern wird die Wirtschaft 2009 nur leicht schrumpfen. Dies ist aber vor allem der anhaltenden, wenn auch schwächeren Expansion in den beiden großen Ländern China und Indien geschuldet. In den übrigen asiatischen Schwellenländern und in Lateinamerika sowie in Russland geht das Bruttoinlandsprodukt deutlich zurück. 2010 wird mit einer moderaten wirtschaftlichen Erholung in den meisten Ländern gerechnet.

Autor: Sabine Kinkartz

Redaktion: Zhang Danhong

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