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The Erika and Klaus Mann Story

10. Oktober 2001

A. Weiss und W. Speck erzählen in "Escape to Life" von der kompromisslosen Suche der Geschwister nach künstlerischen Ausdrucksformen und Identität.

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Sie waren Bohemiens, Weltenbummler und Pazifisten, engagiert im deutschen Widerstand und homosexuell. Die dramatische Lebensgeschichte des faszinierenden Künstler-Geschwisterpaares Erika und Klaus Mann, den Kindern Thomas Manns, wurde jetzt verfilmt. Andrea Weiss und Wieland Speck erzählen in ihrem Dokumentarfilm "Escape to Life" von der kompromisslosen Suche der Geschwister nach künstlerischen Ausdrucksformen und nach Identität in den konfliktreichen Jahren der Weimarer Republik und der Nazizeit.

Sie sahen sich als "Zwillinge", was ihnen ihre enge und schicksalhafte Verbundenheit am besten bezeichnete. Das bewegte und abenteuerliche Leben der Geschwister Mann ist ein dankbarer Filmstoff. So verkörpern die schillernden Künstlerpersönlichkeiten exemplarisch die ganze Spannung, Hoffnung und Tragödie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Film zeichnet facettenreich ihre Stationen, Reisen und Fluchtwege nach.

Der Untertitel des Films "Escape to Life" rührt von dem gemeinsam verfassten Buch der Manns über die Lage der deutschen Exilanten. Exil und Weltbürgertum blieben auch nach 1945 bestimmende Komponenten ihrer Biografien. Für Klaus Mann, der an den inneren und äußeren Widersprüchen zerbrach, endete die Katastrophe des 20. Jahrhunderts mit Selbstmord. Erika arbeitet bis zu ihrem Tod im Jahr 1969 als wichtigste Mitarbeiterin eng mit dem Vater Thomas Mann zusammen.

In gekonntem Wechsel montiert "Escape to Life" nachgespielte Szenen aus den eng verflochtenen Lebensgeschichten mit seltenen Archivaufnahmen und Interviews mit Zeitzeugen - wie der jüngsten Schwester Elisabeth Mann Borghese. Ein Strukturelement bilden Originaltexte von Erika und Klaus Mann, gesprochen von Barbara Nüsse - bzw. Vanessa Redgrave in der Originalfassung - als Erika und Ulrich Matthes bzw. Colin Redgrave als Klaus Mann.

Der Film beginnt mit einem spielerischen Gespräch, das die Manns in Amerika während der ersten Exiljahre führten. Darin denken sie über ihre Vergangenheit nach, auch über ihre Kindheit im behüteten Elternhaus, im Schatten des großen Schriftstellervaters.

Es ist vor allem die ihnen gemeinsame Erfahrung des Kampfes um Selbstbehauptung gegen den Vater, die die Geschwister früh zusammenschweißt. Ihr Bündnis half ihnen, eigene Wege zu gehen und, in einer Zeit der politischen Umbrüche und moralischen Unsicherheiten, an unkonformen Überzeugungen fest zu halten.

Die Werke von Klaus Mann durften zu seinen Lebzeiten kaum gedruckt werden. Sein Interesse lag in der "ästhestisch-religiös-erotischen" Sphäre und er bezog kämpferisch Stellung gegen das Hitler-Regime. Erika Mann erlebte als Schauspielerin, als Lesbe dazu, das Ende ihrer beruflichen Karriere auf deutschen Bühnen. Ihre sexuelle Neigung hielt sie jedoch nicht davon ab, zweimal zu heiraten, zuerst den Schauspieler Gustaf Gründgens und dann den Dichter W. H. Auden, durch den sie die britische Staatsbürgerschaft erlangte.

Dass Erika sich mit dem "Zauberer", wie die Kinder die übermächtige unnahbare Vaterfigur nannten, versöhnte, begriff Klaus vermutlich als Verrat. Doch nicht nur die Hinwendung Erikas zum Vater, auch die exzessive Drogenabhängigkeit des Bruders führte schließlich zur Entfremdung. Der Film endet nach Klaus' Selbstmord mit Erikas Ausweisung aus den Vereinigten Staaten der konservativen McCarthy-Ära.

Die Namen Andrea Weiss und Wieland Speck sind eng mit der Dokumentarfilmszene verbunden. Die aus New York stammende Filmemacherin und Autorin lebt in London, wo sie, neben ihrer Tätigkeit als Produzentin, Dokumentarfilm an der National Film und Television School of Great Britain lehrt. Mehrere ihrer Dokumentarfilme wurden international ausgezeichnet. Mit ihrem Collage-Film "A Bit of Scarlet" über die Einstellungen der Briten zur Homosexualität gewann sie auf dem Edinburgh Film Festival den Hauptpreis. Sie schrieb das Drehbuch zu "Paris was a Woman" und erhielt für das gleichnamige Buch 1996 den Lambda Literary Award. Gerade ist von ihr im Rowohlt Verlag das Buch zum Film, "Flucht ins Lebben. Die Erika und Klaus Mann Story", erschienen.

Wieland Speck ist seit 1992 als Programmleiter verantwortlich für die künstlerische Betreuung der Panorama-Sektion der Berliner Filmfestspiele. Er lehrte an der Freien Universität und an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Seit den 80er Jahren drehte er Videos und Dokumentationen, sein Spielfilm "Westler" wurde 1986 als bester Film auf den San Francisco Lesbian & Gay Film Festival ausgezeichnet.