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Thailändische Medien wehren sich gegen Verleumdungsklagen

Nicola Glass, Bangkok30. Oktober 2005

Thailands Regierung und Geschäftswelt geht immer härter gegen kritische Medien vor: Führende Publizisten sehen die Presse- und Meinungsfreiheit unter der Regierung von Premier Thaksin Shinawatra zunehmend bedroht.

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Bangkok ist eine moderne Großstadt - bei der Pressefreiheit sieht es anders ausBild: AP

Ein beliebtes Instrumentarium ist seit einiger Zeit, Verleumdungsklagen gegen Medien zu initiieren, die weiterhin den Mut haben, Thaksins Politikstil anzugreifen. Die Gesetzeslage ist ohnehin kompliziert: Die erst kürzlich in Kraft getretenen Notstandsgesetze, die eigentlich erlassen worden waren, um den blutigen Konflikt in den Südprovinzen einzudämmen, erlauben jedenfalls die Zensur von Presseerzeugnissen, wenn es für die nationale Sicherheit notwendig ist.

Viele Kritiker in Thailands Medienbranche wollen sich auch weiterhin nicht mundtot machen lassen, obwohl sie mittlerweile wissen, was ihnen blüht: Von Politik und Geschäftswelt werden Verleumdungsklagen formuliert, Journalisten werden unter Druck gesetzt oder Radiosendungen abrupt aus dem Programm genommen.

Hohe Entschädigungsforderungen

Die Anzahl der Verleumdungsklagen gegen vermeintliche Störenfriede in den Medien hat sich seit dem Sommer gehäuft. Wer den Regierungsstil von Premier Thaksin Shinawatra anprangert und einen Interessenkonflikt wittert, sieht sich millionenschweren Entschädigungsforderungen gegenüber. Eine, die das bereits zu spüren bekam, ist die Medienrechtlerin Supinya Klangnarong. Ihr Fall wird seit Mitte Juli vor Gericht verhandelt.

Der Fall Supinya Klangnarong

Sie hatte zu behaupten gewagt, dass die Profite des Konzerns Shin. Corp, der von der Familie Thaksins kontrolliert wird, deutlich angestiegen seien, seit Thaksin 2001 an die Macht gekommen war. Daraufhin hatte der Konzern sowohl einen Strafprozess als auch eine Zivilklage gegen Supinya angestrengt. Geforderte Entschädigung: Bis zu 400 Millionen Thai-Baht, umgerechnet acht Millionen Euro. Die Begründung lautete: Die Öffentlichkeit könne sonst den Eindruck bekommen, dass das Unternehmen auf unangemessene Weise von Thaksins politischem Amt profitiert habe. Ein Urteil gegen die Medienrechtlerin wird gegen Ende des Jahres 2005 erwartet.

Supinya selbst sieht eine Lawine von Prozessen auf andere Regierungskritiker zurollen: "Ich selbst habe die Spitze des Berges passiert, aber für die Öffentlichkeit und Thailands Gesellschaft fängt doch das alles erst an. Mein Fall nähert sich dem Ende, aber viele andere Fälle beginnen. Verleumdungsklagen werden zunehmend zum Trend in Thailand, kommen mehr und mehr in Mode."

Der Fall Sondhi Limthongkul

Dafür gibt es mittlerweile etliche Beispiele: Erst kürzlich hatte Thaksin angekündigt, Sondhi Limthongkul, den prominenten Gastgeber einer Radio-Talkshow und Pressebaron, wegen Verleumdung verklagen zu wollen. Sondhi, der noch vor einigen Jahren als Unterstützer Thaksins galt, war in seinen jüngsten Sendungen immer mehr auf Distanz zum populistischen Premier gegangen.

In seiner Show vom 9. September hatte Sondhi unter anderem einen Zeitungsartikel zitiert, der impliziert hätte, der Regierungschef habe sich illoyal gegenüber dem von allen Thais hochgeschätzten Königshaus verhalten - ein in Thailand ohnehin sehr sensibles Thema. Premier Thaksin sah sich dadurch diskreditiert und kündigte sowohl einen Strafprozess als auch eine Zivilklage gegen Sondhi an. Geforderte Entschädigung: Rund 500 Millionen Baht, umgerechnet zehn Millionen Euro.

Ein moralisch integrer Premier erforderlich

Sondhi Limthongkul selbst, der in der Presselandschaft Thailands seit Jahrzehnten als schillernde Figur gilt, erneuerte in der Öffentlichkeit seine Kritik am Regierungschef: "Nichts, aber auch gar nichts in der Vergangenheit, hat mich annähernd so beunruhigt wie der jetzige Zustand, der in Verkleidung der Demokratie daherkommt. Zurückblickend auf frühere Diktaturen in Thailand wussten wir, es gab nur schwarz und weiß, es gab klare Spielregeln einzuhalten. Heute leben wir in einer demokratischen Gesellschaft, so heißt es. Die 1997 ausgearbeitete Verfassung war jedenfalls die beste, die Thailand jemals hatte. Aber diese umzusetzen, erfordert einen anständigen, einen moralisch integren Premier. Leider haben wir solch einen Premier nicht."

Im Kreuzfeuer steht derzeit auch die angesehene englischsprachige Tageszeitung "Bangkok Post". Einen Artikel, in dem berichtet wurde, dass die Landebahn des neuen internationalen Suvarnabhumi-Flughafens bedenkliche Risse aufweise, hatte das Blatt sofort zurückgezogen. Trotzdem sahen die zuständigen Behörden den Ruf des neuen Bangkoker Flughafens ramponiert und forderten deswegen eine Entschädigung von umgerechnet 20 Millionen Euro.

"Dieser Trend ist besorgniserregend"

Pichai Chuensuksawadi, Chefredakteur des Post-Publishing-Verlages gibt den Fehler in der Berichterstattung zu. Doch den gegenwärtigen Trend an Klagen findet er alarmierend: "Diese immensen Forderungen haben doch nur das Ziel, zu bestrafen, sie wollen nicht der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen. Wenn wir einen Fehler gemacht haben, dann war das halt so. Jede Pressefreiheit muss einhergehen mit Verantwortung. Einen Fehler muss man zugeben. Aber hier geht der Trend eindeutig dahin, zu bestrafen, sowohl Individuen als auch Zeitungen. Und dieser Trend ist besorgniserregend."

Doch nicht alle Zeitungen haben die finanziellen Möglichkeiten, um einen Fall vor Gericht durchzustehen. Vor allem Publikationen mit geringer Auflage könnten niemals das Geld für die vielen saftigen Entschädigungsforderungen aufbringen. Thailands Journalistenvereinigung will das ändern: Führende Publizisten kündigten vor kurzem an, einen Presse-Fonds einrichten zu wollen, damit auch kleine Zeitungen die Chance haben, sich juristisch zur Wehr zu setzen.