1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Talmon: "Es geht um Symbolpolitik."

Rodion Ebbighausen11. Dezember 2013

Im Ostchinesischen Meer streiten China, Japan und Korea um Territorien. Mit neuen Luftverteidigungszonen formulieren sie Ansprüche. Stefan Talmon bewertet das völkerrechtlich.

https://p.dw.com/p/1AX8g
Stefan Talmon Universität Bonn
Bild: DW

Deutsche Welle: Jeder Nationalstaat hat die Lufthoheit über seinen Luftraum. Können sie kurz erklären, wie das völkerrechtlich geregelt ist und welche Rechte und Pflichten damit einhergehen?

Stefan Talmon: Jeder Staat hat über seinem Staatsgebiet, das heißt seinem Landgebiet und dem der Küste bis zu zwölf Seemeilen vorgelagerten Küstenmeer, die Lufthoheit. In diesem Bereich übt der Staat die volle Souveränität aus. Das heißt: Er kann Regelungen für die Luftfahrt in diesem Bereich erlassen, er kann den Einflug verbieten oder kontrollieren. Das ist im Grunde so, wie wenn man eine Landgrenze überschreitet, nur dass es in diesem Fall um eine Luftgrenze geht.

Welche Regelungen gelten in diesen Zonen für den internationalen Flugverkehr?

Aufgrund der Lufthoheit können die Staaten bestimmen, wer in ihren Luftraum einfliegen darf und wer nicht. Die Staaten haben sich im Chicagoer Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt und die Vereinbarung über den Durchflug im Internationalen Fluglinienverkehr von 1944 gewisse Rechte für den Überflug und die Landung in ihrem Staatsgebiet eingeräumt. Mit Hilfe dieser Abkommen wird der internationale Flugverkehr weitgehend geregelt.

Was hat es aber nun mit den Luftverteidigungs-Identifikationszonen (ADIZ), die etwa China und Südkorea in jüngster Zeit erklärt haben, auf sich?

Diese Zonen sind unabhängig von der Lufthoheit des Staates. Das sieht man daran, dass sich diese Zonen weit in die Hohe See hinein erstrecken. Im Luftraum über der Hohen See übt kein Staat die Lufthoheit aus. Hier hat jeder Staat das Recht des Überflugs als eine der "Freiheiten" der Hohen See. Es bedarf hier also keiner besonderen Genehmigung und kein Staat kann dieses Recht einseitig durch die Erklärung besonderer Zonen einschränken.

Es geht bei den ADIZ gar nicht um eine Beschränkung von Überflugrechten, sondern darum, durch die Anforderung von Informationen bereits im Vorfeld eventuelle Angriffe auf das Staatsgebiet zu verhindern. Zu diesem Zweck fordern die Staaten alle Flugzeuge auf, sich bei Einflug in eine solche Zone zu identifizieren, ihren Flugplan zu übermitteln und das Flugziel zu nennen. Dazu besteht keine völkerrechtliche Pflicht, solange die Flugzeuge nicht in den Luftraum des entsprechenden Staates einfliegen wollen. Die meisten Fluggesellschaften halten sich trotzdem an diese Regelung, einfach aus Gründen der Sicherheit.

Infografik: Luftverteidigungs-Identifikationszonen im Ostchinesischen Meer (DW)

Die ADIZ hat demnach völkerrechtlich keine Relevanz?

Für die ADIZ gibt es völkerrechtlich keine Vorschriften, die die Einrichtung solcher Zonen regeln. Das bedeutet, dass das völkerrechtliche Grundprinzip Anwendung findet: Die Staaten dürfen aufgrund ihrer Souveränität erst einmal alles tun, was völkerrechtlich nicht ausdrücklich verboten ist. Das Völkerrecht setzt hier erst Grenzen, wenn ein Staat Souveränität, souveräne Rechte oder Hoheitsbefugnisse über den Luftraum über der Hohen See beanspruchen würde. In der bloßen Aufforderung an Flugzeuge, sich zu identifizieren und Informationen zu liefern, kann ein Anspruch auf den Luftraum der ADIZ nicht gesehen werden.

Welche Bedeutung haben ihrer Ansicht nach die aktuelle Einrichtung bzw. Vergrößerung der entsprechenden Zonen durch China und Südkorea?

Bei der Einrichtung dieser Zonen geht es in erster Linie nicht um Luftverteidigung. Es geht vielmehr um Symbolpolitik. Die Länder wollen unterstreichen, dass sie bestimmte Inseln und Inselgruppen, die innerhalb dieser ADIZ liegen, als ihr Territorium beanspruchen. Es geht also um Territorialansprüche, die natürlich durch die Erklärung solcher Zonen völkerrechtlich nicht begründet werden können. Es geht deshalb vor allem um ein politisches Signal: Wir haben Anspruch auf diese Inselgebiete.

Stefan Talmon ist Professor am Institut für Völkerrecht der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Das Interview führte Rodion Ebbighausen.