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Talk: Rückenschmerz ade - durch Aktivierung der körpereigenen Heilungskräfte

15. April 2013

Hilfe zur Selbsthilfe ist das Motto unseres Studiogasts Georg N. Duda. Der Biomechaniker von der Charité Berlin beschäftigt sich mit der Regeneration von Muskeln und Knochen mit Hilfe von Stammzellen.

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DW: Bewegung ist extrem wichtig, aber wenn ich einen Hexenschuss habe, möchte ich mich natürlich gar nicht mehr bewegen. Komme ich dann nicht in einen Teufelskreis und bin hinterher komplett verspannt?

Georg Duda: Das Risiko ist sicher da. Wichtig ist, so viel Bewegung wie möglich im normalen Alltag zu integrieren. Das heißt, ein gewisses Orchester der Muskulatur sollte auch wirklich genutzt werden, damit es erst gar nicht zum Hexenschuss kommt. Wenn es zu einer gewissen Verspannung kommt, ist sicher eine ärztliche Betreuung oder ein qualifizierter Physiotherapeut sinnvoll. Wichtig ist, zu verstehen, dass die Muskeln und die Muskelkräfte - und das ist Teil unserer Forschung - die Gelenkbelastungen dominieren. Wenn da ein Ungleichgewicht herrscht, kommen erhebliche Belastungen auf die Gelenke zu. Die müssen wir möglichst vermeiden.

Können Sie uns als Forscher versprechen, dass es in 20, 30 Jahren überhaupt keinen Hexenschuss mehr gibt, weil wir ein Wundermittel gefunden haben?

Das Wundermittel wird es wahrscheinlich nicht geben. Wir sollten versuchen den Körper als eigenes System so gut wie möglich zu erhalten. Alle Ersatzmethoden, alle Unterstützungsmethoden sind meistens nicht so gut, wie der Körper selbst. Wenn aber ein Muskel wirklich kaputt ist und sich aus eigenem Potential nicht mehr regenerieren kann, dann interessieren wir uns in unserer Forschung dafür, wie dieses eigenen Potential der Regeneration initiiert werden kann. Oder wie kann man bei Geweben, die sowieso zu Narbengewebeheilung neigen, überhaupt eine Regeneration ermöglichen?

Und wie geht das?

Der Muskel ist da ein gutes Beispiel. Wir versuchen zur Zeit mit Stammzelltherapie Muskelregeneration zu ermöglichen und kommen in den Modellversuchen zwar nicht auf den ursprünglichen, voll intakten Muskel, aber auf einen sehr gut regenerierenden. Wir sind jetzt in der klinischen Studie "Phase 1.2", wo wir das zum ersten Mal im Patienten evaluieren und anschauen.


Wie läuft so etwas dann konkret ab? Bekomme ich eine Spritze mit eigenen Stammzellen in die degenerierte Struktur und dann wächst da wieder ein Muskel? Wie muss man sich das vorstellen?

Die Idee ist, dass wir einen Muskelschaden, der gesetzt ist und der nicht von selber regenerieren kann, stimulieren, indem wir dort lokal Stammzellen implizieren. Da gibt es verschiedene Quellen von Stammzellen. Es gibt die eigenen Stammzellen, die man nutzen kann. Und es gibt inzwischen auch Stammzellen, die man gewinnen und "of the shelf", also aus dem Regal zur Verfügung stellen kann. Das ist eine Strategie, die wir verfolgen und untersuchen. Damit können wir zum Teil sehr erfolgreich Muskelregeneration ermöglichen.

Dann funktioniert der Muskel wieder. Ich kann wieder trainieren, aber natürlich nur, wenn meine Knochen das auch mitmachen. Stammzellarbeit mit Knochen und Knorpeln funktioniert schon relativ gut. Gibt es da auch Fortschritte an der Wirbelsäule?

Der Knochen ist für die Stammzellen und für die Stammzellforschung seit Langem ein Thema. Aber Therapien, die wirklich im breiten Einsatz sind, haben wir noch nicht. Es gibt jetzt die ersten, sehr vielversprechenden Ansätze, wo wir es auch wirklich schaffen, Knochen zu regenerieren, z.B. in der Bandscheibe, oder wenn die Bandscheibe nicht mehr ersetzbar ist, in der Wirbelsäule. Dann reden wir häufig über Ansätze wie Fusionen. Da werden zwei Knochen fixiert. Hier kann sowohl eine Zelltherapie mit Stammzellen oder mit Wachstumsfaktoren eine Beschleunigung ergeben. Wir arbeiten daran, mit möglichst wenig Einsatz, möglichst viel eigenes Potential zu stimulieren.

Das klingt so, als würde uns die Forschung in Zukunft vom Rückenschmerz weitgehend befreien - mit eigener Hilfe.

(Interview: Ingolf Baur)