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Politik

Angehörige Oppositioneller unter Druck

Mikhail Bushuev mo
12. Juli 2019

Entlassung, Überwachung, Verhöre, Drohungen. Die tadschikischen Behörden machen Angehörigen geflüchteter Oppositioneller das Leben schwer. Was will das Regime damit erreichen? Die DW sprach mit Betroffenen.

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Symbolbild Gefangenschaft Gefängnis
Bild: picture-alliance / dpa

Die Palette von Repressionen ist breit. Die Journalistin Humayro Bakhtiyar geriet 2015 in Schwierigkeiten, nachdem sie von einem Praktikum bei der Deutschen Welle zurückgekehrt war. Wegen "Drucks von oben", wie es hieß, musste sie die Mediengruppe "Asia-Plus" verlassen, bei der sie zuvor gearbeitet hatte. Im Oktober desselben Jahres begannen mehrere unbekannte Personen, sie offen zu verfolgen.

Humayro reiste im Juni 2016 aus und bat in Deutschland um Asyl. Als sie 2017 bei einem Treffen von Exil-Tadschiken gesehen wurde, begannen daheim Polizei und Geheimdienst ihren Vater zu verfolgen. Humayro sagte der DW, ihrem Vater, der Medizin unterrichte, sei gedroht worden, er würde seinen Job verlieren, sollte seine Tochter nicht nach Tadschikistan zurückkehren. Man werde ihn statt seiner Tochter in Haft nehmen. Noch ist er auf freiem Fuß, doch Humayro hat Angst um ihn.

Humayra Bakhtiyar
Humayro Bakhtiyar lebt seit 2017 im Exil in DeutschlandBild: Privat

Tadschikistan wird faktisch seit 1992 von Staatschef Emomali Rahmon kontrolliert. Nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion im Jahr 1991 wuchsen im Lande die Spannungen zwischen der postkommunistischen Regierung und oppositionellen Gruppen. In diesem Konflikt entluden sich politische, religiöse und regionale Gegensätze. Rahmon kam im Laufe des Bürgerkrieges mit Unterstützung Moskaus an die Macht. Nach und nach schaltete er Konkurrenten in der Opposition aus und konzentrierte die Macht auf seinen engsten Vertrauten- und Familienkreis. Die letzten Präsidentschaftswahlen im November 2013 gewann Rahmon nach offiziellen Angaben mit 86,6 Prozent der Stimmen. Seine derzeitige Amtszeit endet 2020.

Feind von Rahmon

"Ich habe Tadschikistan zu Beginn des Bürgerkriegs im Dezember 1992 verlassen", erinnert sich der Journalist Temur Varki. Als eine Auflage der von ihm herausgegebenen Zeitung "Tadschik-Press" bei einer Kundgebung von Rahmons Anhängern öffentlich verbrannt wurde, floh er nach Russland. "Das, was in Tadschikistan passierte, habe ich als rotbraune Junta und massenhafte sub-ethnische Säuberung bezeichnet. Daher erklärte mich Rahmon im tadschikischen Fernsehen zum Volksfeind", sagte Temur und fügte hinzu, Rahmon habe ihn zudem ermahnt, nicht zu vergessen, dass er Angehörige in Tadschikistan habe.

2014 begann Russland, tadschikische Bürger in ihre Heimat zurückzuschicken. Aus Angst um sein Leben ging Temur im Frühjahr 2015 nach Frankreich, wo er als politischer Flüchtling anerkannt wurde. Doch Ruhe hat er keine. "Mir wird über anonyme Fake-Profile in Kommentaren zu meinen Publikationen im Internet mit der Vergewaltigung meiner Töchter und Ehefrau gedroht", so Temur.

Bruder im Gefängnis

Auch der Rechtsanwalt Jamshed Yorov hat in Tadschikistan Frau und Kinder. Sein älterer Bruder Buzurgmehr, ebenfalls Anwalt, wurde 2015 festgenommen und zu 28 Jahren Haft verurteilt. Beobachter bezeichnen den Prozess bis heute wegen vieler Verfahrensverstöße als Farce. "Wir haben oft Regimegegner verteidigt", sagte Jamshed der DW.

Dschamsched Jorow
Jamshed Yorov lebt seit 2017 im Exil in PolenBild: Privat

2016 wurde auch er ins Gefängnis geworfen, wegen angeblichen Verrats von Staatsgeheimnissen. Doch nach zwei Monaten kam er frei und verließ im Januar 2017 heimlich das Land. Seine Frau und seine Töchter hatten ebenfalls Flugtickets und sollten im Februar folgen. "Aber sie wurden nicht rausgelassen. Man nahm ihnen die Pässe weg", so Jamshed. Auch ihnen wird anonym mit Vergewaltigung und Gewaltanwendung gedroht. Von seinem Bruder weiß Jamshed nur, dass er die Haft tapfer erträgt. Doch er befürchtet, dass Buzurgmehr wie viele andere Gefangene gefoltert wird.

Totale Überwachung

Eine Gegnerin des Regimes in Tadschikistan ist auch die Journalistin Mavjuda Sohibnazarova. Sie lebt heute in einem Flüchtlingslager in den Niederlanden. 2013 wollte sie gemeinsam mit dem ehemaligen Industrieminister Zayd Saidov die Partei "Neues Tadschikistan" gründen. Saidov wurde 2014 zu einer langen Haftstrafe verurteilt.

"Danach bekam ich Drohungen", erinnert sich Mavjuda. Sie sagt, sie sei total überwacht und immer wieder verhört worden. Schließlich verlor sie ihren Job. "Egal wo ich mich bewarb, hieß es: 'Das ist ein Befehl von oben. Wir verlieren selbst unseren Job, wenn wir dich einstellen'", so die Journalistin. Freunde halfen ihr 2017, das Land zu verlassen.

Mawdschuda Sohibnasarowa
Mavjuda Sohibnazarova lebt im Exil in den NiederlandenBild: Privat

Auch Mavjuda wurde in einem Video von einem Treffen von Exil-Tadschiken in Europa gesehen - zusammen mit Muhiddin Kabiri, dem Anführer der "Islamischen Partei der Wiedergeburt Tadschikistans". Die Partei, die 1997 mit Präsident Rahmon einen Friedensvertrag unterzeichnete und damit den blutigen Bürgerkrieg beendete, wurde 2015 verboten. "Ich hatte die Halle noch nicht verlassen, da schüttete es schon Drohungen gegen mich und meine Kinder", so Mavjuda. Meist sei anonym mit der Vergewaltigung der Tochter und der Ermordung des Sohnes gedroht worden. Mavjudas Sohn verließ nach einiger Zeit Tadschikistan, doch die Tochter ist geblieben, um ihre Großmutter zu pflegen.

Immer wieder drohen Vertreter des Geheimdienstes und der Polizei Mavjudas Tochter, ihre Mutter zu entführen und zurück nach Tadschikistan zu bringen. Beobachter meinen, seit 2017 gebe es ein inoffizielles Programm zur Rückführung von Regimegegnern nach Tadschikistan. Der Journalist Khayrullo Mirsaidov, der ebenfalls schon mit der DW zusammengearbeitet hat, betont, dass es natürlich kein öffentlich einsehbares Dekret oder Programm gebe. "Aber Angehörige werden unter Druck gesetzt, damit die in Ungnade gefallenen Personen zurückkehren", so Khairullo.