Türkisches Oppositionsbündnis zerbricht
3. März 2023Zwei Monate vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen in der Türkei ist das Bündnis aus sechs Oppositionsparteien zerbrochen. Der "Sechser-Tisch" sei nicht mehr in der Lage, "in seinen Entscheidungen den Willen des Volkes wiederzugeben", sagte die Vorsitzende der nationalistischen Partei IYI, Meral Aksener, im türkischen Fernsehen.
Die IYI - laut Demoskopen zweitstärkste Kraft in der Runde - habe einen gemeinsamen Kandidaten auf Grundlage öffentlicher Umfrageergebnisse bestimmen wollen. Die daraufhin von ihr vorgeschlagenen Kandidaten, der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu und der Bürgermeister von Ankara, Mansur Yavas, seien jedoch von den anderen Teilnehmern abgelehnt worden, erklärte Aksener nach einem Treffen mit Delegierten ihrer Partei.
"Wir werden uns nicht beugen"
Stattdessen habe man die IYI zwingen wollen, sich für den Chef der größten Oppositionspartei CHP, Kemal Kilicdaroglu, zu entscheiden, den die übrigen Partner des Bündnisses favorisierten. "Wir werden uns dem nicht beugen", sagte die IYI-Chefin. Sie warf Kilicdaroglu vor, "persönliche Ambitionen" über die Interessen des Landes zu stellen. Die beiden Bürgermeister, die ebenfalls der CHP angehören, forderte sie zu einer eigenen Kandidatur auf.
Erst am Donnerstag hatte das Sechserbündnis nach einjährigen Verhandlungen mitgeteilt, man habe sich auf einen gemeinsamen Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdogan geeinigt. Der noch nicht benannte Kandidat sollte planmäßig am Montag vorgestellt werden. Die jetzige Ankündigung der IYI-Vorsitzenden kommt daher überraschend. Beobachter werten sie als schweren Rückschlag im Bemühen der Regierungsgegner, Erdogan Mitte Mai zu besiegen.
Historisch schlechte Zustimmungswerte
Der Präsident strebt eine weitere Amtszeit an. Er hat nach dem Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet vor knapp einem Monat, bei dem mehr als 50.000 Menschen ums Leben kamen, historisch schlechte Zustimmungswerte. Aber auch keine der Oppositionsparteien kann Umfragen zufolge genug Stimmen auf sich vereinen, um die Regierung abzulösen. Erdogans Gegner hatten daher große Hoffnungen auf die Kür eines gemeinsamen Kandidaten gesetzt.
jj/se (dpa, afp, rtr)