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Politik

Mit Hilfe von Libyen an Zyperns Gas

Daniel Derya Bellut
4. Januar 2020

Das Parlament hat entschieden - die Türkei wird Soldaten in den libyschen Bürgerkrieg entsenden. Präsident Erdogan kommt damit nicht nur einem Partner entgegen, sondern hat vor allem eigene Machtinteressen im Sinn.

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Türkei l Erdogan will Truppen nach Libyen schicken - Militär
Türkisches Militär demnächst auch in Libyen (Archivbild aus Syrien)Bild: Getty Images/AFP/D. Souleiman

Die libysche Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch soll militärisch unterstützt werden - diese befindet sich in einem Bürgerkrieg mit dem abtrünnigen libyschen General Chalifa Haftar. Mit seiner Libyschen Nationalarmee (LNA) versucht er, die Hauptstadt Tripolis einzunehmen.

Wie begründet die türkische Regierung den Militäreinsatz?

Die Türkei befindet sich seit Sommer 2018 in einer Wirtschaftskrise; warum die türkische Regierung gerade in diesen Zeiten nach dem Einsatz in Nordsyrien eine zweite kostspielige Militäroperation beginnen möchte - darüber wird in der Türkei spekuliert.

Präsident Recep Tayyip Erdogan geht es nach seinen eigenen Worten vor allem darum, die legitim gewählte Regierung Libyens vor dem "Kriegsbaron" Haftar zu verteidigen. Ankara handelt auf Einladung Al-Sarradschs, der sich im November mit der türkischen Regierung auf eine militärische Zusammenarbeit geeinigt hatte. Doch für Erdogan geht es offensichtlich um mehr als das.

Die Popularität des türkischen Präsidenten ist zurzeit im freien Fall. Die Währungs- und Wirtschaftskrise haben seine Unterstützung in der türkischen Bevölkerung schwinden lassen. Bei den Kommunalwahlen im März 2019 wurde er mit Wahlniederlagen in zahlreichen türkischen Metropolen vom Wähler abgestraft - der erste bedeutende Misserfolg in der Karriere des erfolgsverwöhnten Präsidenten.

Was will die türkische Regierung erreichen? 

Um diesem Trend entgegenzuwirken, setzt Erdogan auf ein altbewährtes Mittel: Er weckt nationalistische Gefühle in der türkischen Bevölkerung. Indem sich die türkische Regierung in Krisenregionen als schlagkräftige Regionalmacht präsentiert, kann sie in weiten Teilen der Bevölkerung, besonders in religiös-konservativen Kreisen, punkten. Bereits der türkische Staatsgründer Kemal Mustafa Atatürk habe zu Zeiten des Osmanischen Reiches in Libyen gekämpft, schwärmt Erdogan. Dass es sich bei den Militäroperationen in Nordsyrien und Libyen um Einsätze auf dem Territorium des ehemaligen Großreiches handelt, weckt bei manchen türkischen Wählern Träume von altem Glanz. Es wird vermutet, dass Erdogan die Präsidentschaftswahl, die eigentlich für 2023 angesetzt sind, bereits auf dieses Jahr vorziehen möchte. Mit nationalistischer Rhetorik versucht er, die Reihen hinter sich zu schließen.

Türkei Konya |  Recep Tayyip Erdogan bei Eröffnungszeremonie am Mevlana Platz
Der türkische Präsident setzt in Krisenzeiten auf NationalismusBild: picture-alliance/AA/A. Coskun

Was hat der Militäreinsatz von Libyen mit dem Erdgas im Ostmittelmeer zu tun?

Die türkische Regierung verfolgt mit der Militäroperation auch wirtschaftliche Interessen. Bei dem Abkommen, das Erdogan mit der international anerkannten Regierung Al-Sarradschs im November abschloss, geht es nicht nur um militärische Unterstützung von Seiten Ankaras. Man einigte sich mit Tripolis auch darauf, internationale Seegrenzen zu Gunsten der Türkei festzulegen, damit Ankara auf die reichen Erdgasvorkommen vor der Küste Zyperns Zugriff erhält.

Das gigantische Erdgasfeld vor der Südküste Zyperns wurde vor etwa zehn Jahren entdeckt. Der freudige Fund birgt immer noch Zündstoff, denn die drittgrößte Mittelmeerinsel ist seit 1974 in einen griechischen Süden und einen türkischen Norden geteilt. Beide Teile der Insel erheben Ansprüche auf die wirtschaftliche Ausbeutung des Erdgasfeldes.

Zypern EU berät über Sanktionen gegen die Türkei
Fakten schaffen: Das türkische Bohrschiff "Fatih" hat seine Arbeit vor der zypriotischen Küste bereits aufgenommenBild: picture-alliance/AP Photo/Turkish Defence Ministry

Die (griechische) Republik Zypern beruft sich auf das Seevölkerrecht, das jedem Land mit Zugang zum Meer eine "ausschließliche Wirtschaftszone" (AWZ) zusichert, die 200 Meilen in das offene Meer hineinragt. Alle natürlichen Ressourcen, die sich in diesem Meeresgebiet befinden, können von dem Land wirtschaftlich ausgebeutet werden. Diese Regelung ist jedoch im Falle Zyperns komplizierter, denn Ankara sieht die "Türkische Republik Nordzypern" als souveränen Staat - mit eigener AWZ.

Die internationale Staatengemeinschaft erkennt die "Türkische Republik Nordzypern" dagegen nicht als eigenständigen Staat an. Daher wird die Türkei von den anderen Mittelmeeranrainern bei der Ausbeutung des Erdgasfeldes nicht berücksichtigt. Ausgerechnet an dem Tag, an dem das türkische Parlament für den Militäreinsatz stimmte, beschlossen die Mittelmeerländer Israel, Zypern und Griechenland in Athen ein Abkommen über das Pipeline-Projekt "EastMed". Mit der knapp 1900 Kilometer langen Pipeline soll Erdgas, das vor den Küsten Zyperns und Israels gefördert wird, nach Griechenland und von dort aus in weitere europäische Staaten wie Italien geleitet werden - Ankara saß nie am Verhandlungstisch. Erdogan betonte wiederholt, dass er es nicht zulassen wolle, dass die Türkei aus solchen Projekten ausgeschlossen wird. Die Einigung mit der libyschen Regierung soll Ankara aus der Isolation unter den Mittelmeer-Ländern befreien.

Erdogan und Putin in Sochi
Ist Kreml-Chef Putin auch in Libyen der entscheidende Akteur? Bild: Reuters/S. Chirikov

Welche Rolle spielt Russland?

Ende Oktober ist es dem russischen Staatschef Wladimir Putin und Erdogan in Sotschi gelungen, mit einer Einigung die türkische Militäroperation in Nordsyrien zu beenden und die Kampfhandlungen weitestgehend zu beenden. Genau wie in Nordsyrien ist der Kreml auch in Nordafrika einer der entscheidenden Akteure. Moskau unterstützt im libyschen Bürgerkrieg die gegnerische Seite - die Rebellen-Armee des abtrünnigen Generals Haftar. Am kommenden Mittwoch kommt es also zu einem schwierigen Treffen zwischen Erdogan und Putin, bei dem die beiden Staatschefs Gelegenheit haben werden, auch über Libyen zu sprechen und womöglich neue Weichen zu legen.