1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Symbolische Wahl in Birma

Gero Simone27. März 2012

Oppositionsführerin Suu Kyi steht erstmals kurz vor dem Einzug ins Parlament. Doch vieles spricht dafür, dass die Nachwahl in Birma an den bestehenden Machtverhältnissen nichts ändern wird.

https://p.dw.com/p/14Si8
In this photo taken Tuesday, Feb.7, 2012, Myanmar pro-democracy icon Aung San Suu Kyi greets supporters as she arrives at Myaung-Mya, the Irrawaddy Delta, Myanmar. Crowds of supporters greeted Myanmar opposition leader Aung San Suu Kyi with thunderous applause as she embarked Tuesday on her first campaign trip since becoming an official candidate for April elections. (AP Photo/Khin Maung Win)
Aung San Suu KyiBild: AP

"Vertrauen Sie uns! Wir, die Nationale Liga für Demokratie, sind es gewohnt, schwierige Aufgaben zu übernehmen und in einem problematischen Umfeld zu arbeiten", so Hoffnungsträgerin Aung San Suu Kyi am Ende ihres Wahlwerbespots. Dass den Oppositionsparteien gestattet wurde, im Staatsfernsehen für sich zu werben, ist ein Novum.

Neu ist auch, dass die Nationale Liga für Demokratie (NLD), die die Wahl im Jahr 2010 boykottierte, auf einen Einzug ins Parlament hoffen kann. Insgesamt werden bei der Nachwahl am 1. April 48 Parlamentssitze neu besetzt, die frei wurden, nachdem einige Abgeordnete in die Regierung gewechselt waren. Im Gegensatz zur letzten Wahl sind diesmal internationale Wahlbeobachter zugelassen und die Oppositionsparteien dürfen einen freieren Wahlkampf führen.

Diese Schritte gehen mit einer Reformpolitik einher, die in Birma noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Seit März 2011 treibt die neue Regierung um Präsident Thein Sein den Demokratisierungsprozess voran. Unter anderem wurden politische Gefangene freigelassen, die Pressezensur und das Demonstrationsrecht gelockert sowie Gewerkschaften zugelassen. Ebenso bemüht man sich um eine Aussöhnung mit den ethnischen Minderheiten. Experten warnen jedoch vor verfrühter Hoffnung.

Parlamentssitzung in Birma, die Abgeordneten tragen weiße Kleidung und weiße Kopfbedeckung (Foto: EPA)
Birmanische Tracht anstatt Uniform: Im Parlament herrscht dennoch eine militärische ÜbermachtBild: picture alliance / dpa

"Birmanisches Scheinparlament"

"Die anstehende Nachwahl wird überbewertet: Selbst wenn die NLD alle zur Wahl stehenden Mandate für sich gewinnen kann, sind sie im Parlament immer noch in der Minderheit", erklärt Mark Farmaner, Leiter der "Birma Kampagne Großbritannien" (Burma Campaign UK). Ein Viertel der 659 Parlamentssitze ist per Verfassung für das Militär reserviert. 80 Prozent  der restlichen Sitze belegt die von der Militärjunta gegründete Regierungspartei USDP (Partei für Solidarität und Entwicklung).

Darüber hinaus liegt die eigentliche Macht im Staat bei Präsident Thein Sein. Das Parlament ist nicht befugt, die Regierung zu kontrollieren oder in politische Entscheidungsprozesse einzugreifen. "Es handelt sich eher um ein Scheinparlament als um ein Parlament nach unserem Verständnis", so Farmaner.

Enthusiasmus und große Hoffnungen

"Mit Aung San Suu Kyi ist in Birma der Enthusiasmus verknüpft, dass man die alten Machthaber beseitigen könnte. Deshalb liegen große Hoffnungen darauf, dass mithilfe dieser Wahl der erste Schritt hin zur endgültigen Demokratisierung des Landes getan wird", meint Marco Bünte vom GIGA Institut für Asien-Studien in Hamburg. Doch falls Nobelpreisträgerin Suu Kyi die hohen Erwartungen nicht erfüllen kann, bestehe die Gefahr, dass die Menschen desillusioniert und enttäuscht werden könnten. Sie selbst sagte vor Kurzem, dass ihre Kandidatur nur "der erste und nicht der letzte Schritt" sei und noch "ein langer Weg" gegangen werden müsse.

Unterstützer von Aung San Suu Ky halten ein rotes Plakat bei einer Wahlkampfveranstaltung (Fotl:REUTERS)
Menschen strömen zu einer Wahlkampfveranstaltung der NLDBild: REUTERS

Auch wenn es bisher schon einige positive Veränderungen gab, die Menschenrechtsverletzungen in Birma haben laut Birmaaktivist Mark Farmaner zugenommen: "Im letzten Jahr gab es weitere bewaffnete Konflikte mit ethnischen Minderheiten, mehr Flüchtlinge und eine Zunahme der Vergewaltigungen durch die birmanische Armee." Zudem seien die Reformen noch nicht in den unteren Ebenen der Gesellschaft zu spüren. Aus diesen Gründen geht er davon aus, dass sich "drei Viertel der birmanischen Bevölkerung, nämlich Menschen in entlegenen Regionen und Angehörige der ethnischen Minderheiten, nicht besonders für die Wahl interessieren".

Im Westen hingegen wird die Nachwahl besondere Beachtung finden, wie Entwicklungsminister Dirk Niebel gegenüber der Deutschen Welle bestätigte: "Der Verlauf des Wahlkampfes und die Wahlen haben einen Einfluss auf die Linderung der EU-Sanktionen." Derzeit belaufen sich die Sanktionen auf Einreiseverbote für Regierungsmitglieder, weitreichende Handelsbeschränkungen und den Ausschluss vom allgemeinen Präferenzsystem für Entwicklungsländer, welches unter anderem tariffreie Importe beinhaltet. Über ein Auslaufen der Zwangsmaßnahmen soll Ende April entschieden werden.

"Die EU würde die Sanktionen gerne auslaufen lassen, weil wir ein Entwicklungspotenzial sehen, das die Bürger in eine wesentlich bessere Zukunft begleiten könnte", so Niebel. Auch in den USA soll im Sommer über die künftige Sanktionspolitik gegenüber Birma verhandelt werden. Einige Beobachter äußern jedoch Bedenken, dass die Sanktionen zu schnell aufgehoben würden und damit der Anreiz für weitere Veränderungen in Birma verloren ginge.

Schwierige Wahlprognose

Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, ob die Nachwahl, wie international gefordert, frei und fair ablaufen wird oder nicht. Gerhard Will von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin ist sich sicher, dass "die Regierung alles daran setzen wird, die internationalen Erwartungen nicht zu enttäuschen". Doch über viele USDP-Mitglieder, die seit der letzten Wahl im Jahr 2010 auf einen Parlamentssitz warten und von denen Berichte über Wählerbestechung bekannt wurden, habe Präsident Thein Sein keine Kontrolle. 

Aung San Suu Kyi und Präsident Thein Sein bei einem Treffen in Naypyitaw (Foto: EPA)
Aung San Suu Kyi und Präsident Thein Sein bei einem Treffen in NaypyitawBild: picture-alliance/dpa

In einem Punkt sind sich die Experten jedoch einig: Das Ergebnis der Nachwahl ist wegen des undurchsichtigen Netzwerkes und Einflusses der USDP nur schwer vorhersehbar. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass die NLD ins Parlament einziehen wird. Dies hätte zumindest einen symbolischen Wert für die zukünftige Demokratisierung Birmas. Aung San Suu Kyi könnte nach Jahrzehnten der Unterdrückung erstmals als gewähltes Mitglied im Parlament auftreten.