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Auf Tornadojagd

Judith Hartl1. Oktober 2013

Nichts hält sie zu Hause, wenn das Wetter so richtig grausig wird. Sturmjäger wollen möglichst dicht ans Unwetter ran und dokumentieren, was sie sehen und erleben. Die Bevölkerung profitiert davon.

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Sturmjäger bei der Arbeit (Foto: dpa)
Sturmjäger: Auf der Jagd nach dem TornadoBild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Sven Lüke ist Sturmjäger. Wann immer irgendwo in Deutschland ein schweres Gewitter, ein Tornado oder ein Hagelsturm droht, setzt sich der 37-Jährige in sein Auto und fährt dem Unwetter entgegen: "Manchmal kommen da schon 700 Kilometer für eine Fahrt zusammen", sagt er und lacht. Es ist die Begeisterung für Naturgewalten, sagt Lüke, ein aufwendiges und zeitintensives Hobby, das "manchmal ganz schön schwer zusammenzubringen ist mit Beruf und Freunden".

Kracht und blitzt es um ihn herum, beobachtet Lüke, schießt Fotos, dreht Videos und schickt seine Daten an Wetterdienste, wie den Deutschen Wetterdienst (DWD) und an die Unwetterzentralen.

Der DWD unterstützt Sturmjäger wie Lüke. Denn je mehr verlässliche Daten und Unwetterbeobachtungen es gebe, desto schneller und umfassender könne die Bevölkerung gewarnt werden, sagt Andreas Friedrich, der Tornadobeauftragte beim DWD: "Unser Wunschtraum ist, dass in Deutschland mehrere Tausend dieser ehrenamtlichen Wetterbeobachter für uns Daten sammeln." Zurzeit gibt es in Deutschland etwa 70 bis 80 Sturmjäger. Die meisten sind eng miteinander vernetzt - über soziale Netzwerke, aber auch in Vereinen wie beispielsweise "Skywarn".

Enge Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst

Sven Lüke hat "Skywarn" vor genau zehn Jahren mitgegründet. Seitdem kooperiert der Wetterbeobachter-Verein eng mit dem Deutschen Wetterdienst. Der bietet Neueinsteigern sogar eine Ausbildung an, um ihnen wichtiges meteorologisches Basiswissen zu vermitteln. "Damit sie beispielsweise einschätzen können, wie sich Gewitterwolken entwickeln", sagt Andreas Friedrich.

Sturmjäger in Aktion (Foto:picture alliance/dpa/dpaweb)
Auf Unwetterjagd: Extremwetter so nah zu kommen, ist nicht ungefährlichBild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Sven Lüke ist bei seinen Unwetter-Touren mit wenig Hightech unterwegs. GPS, ein Tablet, ein Handy. Das reicht. Außerdem kann er auf Radardaten zurückgreifen, die der DWD "Skywarn" kostenlos zur Verfügung stellt. So weiß er immer, wie gefährlich die Gewitterwolke ist, der er hinterherjagt.

Über das Handy gibt Lüke seine Beobachtungen weiter. Ein digitaler Code verrät, was gerade passiert - eine Fünf könnte beispielsweise für einen Tornado stehen, eine Drei für Hagel. Gemeldet wird jedoch nur, wenn es wirklich dicke kommt: "Hagelkörner müssen größer als zwei Zentimeter sein, ein Sturm stärker als 90 Kilometer pro Stunde", sagt Lüke.

Engmaschiges Sturmjäger-Netz in den USA

Solche Unwetter passieren in Deutschland öfter als man denkt. Immerhin fegen jedes Jahr zwischen 40 und 60 Tornados durchs Land. Zugegeben, im Vergleich zu den USA, wo jedes Jahr mehr als 1000 solcher Stürme toben, ist das verschwindend wenig.

Sven Lüke reist regelmäßig dorthin. Das seien aufregende Erlebnisse, sagt er. Einige zehntausend Sturmjäger ("storm chaser") verfolgen in den USA regelmäßig die Tornados - hauptsächlich aus Faszination. Gleichzeitig aber versorgen sie die amerikanischen Wetter- und Warndienste mit wertvollen Informationen. Das sei ein wunderbar engmaschiges Netz, schwärmt DWD-Mann Andreas Friedrich. Es habe dazu beigetragen, dass das Warnsystem in den USA erheblich verbessert worden und die Zahl der Tornado-Opfer deutlich gesunken sei. Sturmjäger sind in den USA so wichtig, dass manche sogar von Gemeinden oder Behörden bezahlt werden.

Sturmjäger in den USA (Foto: Reuters)
In den USA gibt es weitaus mehr "storm chaser" als in DeutschlandBild: Reuters

Doch manchmal endet eine Sturmjagd tragisch. In diesem Jahr traf es einen besonders berühmten, erfahrenen und besonnenen "storm chaser": Im Juli kam Tim Samaras ums Leben - und mit ihm sein 24-jähriger Sohn Paul sowie sein Partner Carl Young, als sie dem bislang größten Tornado hinterher jagten, der je über Oklahoma gefegt ist. Er hatte einen Durchmesser von über drei Kilometer und änderte ständig seine Bahn. Plötzlich waren die drei Männer mittendrin und hatten keine Chance zu entkommen. Kurz zuvor hatte Samaras über Twitter noch vor dem Monster-Sturm gewarnt.

Es ist in erster Linie die Leidenschaft für die Schönheit von Naturgewalten, die die Sturmjäger antreibt und sie vielleicht manchmal auch Gefahren verdrängen lässt. Sven Lüke widerspricht da nicht: "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde - ich mache das ausschließlich zum Schutz der Bevölkerung."