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Streit um Frühwerk von Gerhard Richter

19. Dezember 2019

Es gibt Ärger auf dem Kunstmarkt. Der Künstler Gerhard Richter wehrt sich gegen den Verkauf von 500 Skizzen und Studien aus seiner Anfangszeit als DDR-Maler. Vieles sei nicht signiert, einiges nicht von ihm.

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Deutschland | Ausstellung Gerhard Richter Museum Barberini
Bild: Hubert Becker

Seit 16 Jahren steht der deutsche Maler Gerhard Richter unangefochten auf Platz 1 des "Kunstkompass", der jedes Jahr von dem Wirtschaftsmagazin Capital veröffentlicht wird. Das vor allem vom globalen Kunstmarkt vielbeachtete Ranking listet seit 1970 die wichtigsten internationalen Künstler auf. Platz 2 behauptet derzeit der US-amerikanische Künstler Bruce Naumann, danach folgen die Deutschen Georg Baselitz und Rosemarie Trockel.

Dementsprechend hochpreisig sind ihre Werke, ganz oben als teuerster lebender Künstler: Gerhard Richter. Um einen Teil seines Frühwerkes, dass noch in seinen DDR-Zeiten an der Kunstakademie entstanden ist, gibt es erneut Ärger. Es geht nicht um Fälschungen großformatiger Bilder, sondern um kleinere Skizzen und Zeichnungen.

Dietmar Elger, Leiter des Gerhard-Richter-Archivs
Dietmar Elger leitet das Gerhard-Richter-Archiv in DresdenBild: picture-alliance/dpa/M. Hiekel

Deren Wert sei eher biografischer Natur, so Dietmar Elger, Leiter des Gerhard-Richter-Archivs: "Seine typische künstlerische Handschrift erkennt man dort nicht." Er habe das Konvolut schon vor zehn Jahren bei dem Anbieter begutachten können. "Das Dresdner Frühwerk ist deutlich anders als das spätere Werk, das im Westen in seiner Düsseldorfer Zeit entstanden ist", sagt er im DW-Interview.

Künstlerischer Neuanfang im Westen

Die umstrittenen Papierarbeiten stammen aus der Studienzeit Gerhard Richters an der Kunstakademie in Dresden, wo er von 1951 bis 1956 arbeitete. Damals suchte der junge Maler noch seinen Stil, experimentierte, kopierte und fertigte auch schon mal Arbeiten im Stil berühmter Künstler, die er bewunderte. "Er hat sich zum Beispiel angelehnt an Picasso. Das war ganz typisch für die Kunst in der damaligen DDR", sagt Richter-Experte Elger.

1959 durfte Richter als junger aufstrebender Künstler für einen Besuch der Documenta in den Westen reisen. Danach fühlte er sich unter dem Druck des staatlich verordneten "Sozialistischen Realismus" in der DDR zunehmend fehl am Platze, und floh zusammen mit seiner Frau im Frühjahr 1961 nach Westdeutschland - mit nur einem Koffer, seine frühen Arbeiten musste er zurücklassen.

An der Düsseldorfer Kunstakademie fand er dann seinen eigenen künstlerischen Weg. Als Flüchtling aus dem Osten stand er anfangs auch unter Beobachtung. Klassische Malerei, wie Richter sie in der DDR gelernt hatte, war in den 1960er Jahren im Westen nicht angesagt. Es entstanden die ersten verwischten, fotorealistischen Bilder, die Gerhard Richter als Maler berühmt machen sollten.

Undatierte Zeichnungen auf dem Markt

Unbekannte Anbieter versuchen jetzt zum wiederholten Mal das Mappenkonvolut von 500 Papierarbeiten zu verkaufen - für mehrere Millionen. Der Urheber einiger dieser Arbeiten, der in Köln lebende Gerhard Richter, ist nachhaltig verärgert darüber. "Da sind jede Menge Sachen nicht von mir. Die Hälfte ist Ramsch und sollte verbrannt werden", sagte Richter in einem Interview mit der Deutschen Pressagentur dpa.

Ihm persönlich habe man vor Jahren angeboten, diese Arbeiten zurück zu kaufen. Er lehnte ab. Im Original gesehen hat Richter das Konvolut nicht, aber Fotos davon. Ein Teil sei von befreundeten Künstlern, andere Arbeiten stammten aus der Hand seiner ersten Frau Marianne, genannt Ema, die damals in Dresden Mode- und Textilgestaltung studierte und Skizzen für ihr Studium angefertigt habe.

Richter-Gemälde: "Ema, Akt auf der Treppe" (1966)
Richter-Gemälde: "Ema, Akt auf der Treppe" (1966)Bild: Gerhard Richter/2016/Rheinisches Bildarchiv Köln

Seine Frau erlangte später Berühmtheit durch Richters Aktbild "Ema, Akt auf der Treppe", das er 1966 schon im Westen in seinem Stil malte. Heute ein Millionenobjekt, das hinter Panzerglas im Kölner Museum Ludwig hängt.

Spekulationsobjekt auf dem Kunstmarkt

Der Kunstspezialist Dietmar Elger hat nach seiner Promotion eine Zeit lang als Sekretär im Kölner Atelier von Gerhard Richter gearbeitet. Seit 2006 leitet er das Gerhard-Richter-Archiv, das innerhalb der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden angesiedelt ist. Der damalige Generaldirektor Martin Roth besiegelte die Gründung mit einem Handschlag Richters. Seitdem werden alle Zweifelsfälle dort sachkundig auf Echtheit geprüft und als Expertise dem Kunsthandel zur Verfügung gestellt.

Elger kennt die Besitzer des Konvolutes. Die Blätter stammen aus dem verlassenen Haus der Schwiegereltern von Gerhard Richter, die ebenfalls in den Westen geflohen waren. "Diese Arbeiten sind von Personen, die anschließend in diesem Haus gewohnt haben, auf dem Dachboden entdeckt worden. Und die haben sie an sich genommen. Aber wie wir vom Gerhard-Richter-Archiv, und auch unsere Anwälte, glauben, sind sie juristisch nicht die Eigentümer."

Mäzen gesucht als Mittler

Mittlerweile ist in diesem Kunstkrimi der Düsseldorfer Kunstvermittler Helge Achenbach ins Spiel gekommen. Achenbach ist 2015 wegen Betrugs rechtskräftig verurteilt worden, kam aber im Juni 2018 vorzeitig auf freien Fuß. Ihm hat ein Mittelsmann das Richter-Konvolut jetzt zum Kauf angeboten. Achenbach will sich für seinen langjährigen Freund Richter einsetzen, verdienen wolle er daran nichts. "Ich mache das ohne Honorar", sagte er gegenüber dpa. Er suche derzeit einen finanzkräftigen Mäzen, der die frühen Papierarbeiten für das Gerhard-Richter-Archiv in Dresden erwerben soll. Archivleiter Elger ist da allerdings skeptisch.

Gerhard Richter im Profil
Hat den Ärger satt: Gerhard Richter in seinem Kölner Atelier (2018)Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Der Künstler selbst hat aus dem Ärgernis längst seine Konsequenzen gezogen. Die Eigentumsrechte an seinem gesamten Dresdner Frühwerk hat er dem Gerhard-Richter-Archiv übertragen, auch die Wahrnehmung der künstlerischen Urheberrechte. Damit sind Arbeiten aus dieser Zeit praktisch unverkäuflich. Archivleiter Dietmar Elger schätzt den finanziellen Wert des Konvolutes deshalb gering ein. Es habe lediglich einen dokumentarischen Stellenwert für den Werdegang des berühmten deutschen Malers. "Bei uns in Dresden sind sie gut aufgehoben", resümiert er im DW-Interview.