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Streit um Emissionshandel

Fabian Schmidt27. Juli 2012

Die EU-Klimakommissarin Conny Hedegaard möchte CO2-Zertifikate knapper und damit teurer machen. Das sieht ein Richtlinienentwurf aus dieser Woche vor. Aber warum sind Verschmutzungsrechte derzeit eigentlich so billig?

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Windräder drehen sich unweit des Vattelfall Braunkohlekraftwerkes im brandenburgischen Jänschwalde (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Seit 2003 gibt es den EU-Emissionsrechtehandel. Die Idee dahinter: Industrien, die viel Öl, Gas oder Kohle verbrennen, müssen für jede Tonne Kohlendioxid, die sie in die Atmosphäre blasen, etwas bezahlen. Betriebe, die hingegen auf erneuerbare Energien umsteigen oder Strom sparen, können Verschmutzungsrechte verkaufen und sich dadurch mit finanzieren.

Anfangs wurden die Emissionsrechte an die etwa 11.000 beteiligten Unternehmen in der EU kostenlos verteilt. Dadurch konnten und können Betriebe, die erfolgreich Einsparungen umgesetzt haben, Zertifikate verkaufen. Betriebe, die dagegen mehr CO2 verursachen, müssen Zertifikate hinzukaufen. Abgewickelt wird die Ausgabe der Zertifikate durch die EU-Mitgliedsstaaten. In Deutschland übernimmt das die Kreditanstalt für Wiederaufbau.

Preise fahren Achterbahn

Seit Beginn des Zertifikatehandels hat sich der Preis für die Verschmutzungsrechte immer wieder verändert. Lag er anfangs bei etwa zehn Euro pro Tonne CO2, stieg er 2006 auf bis zu 30 Euro an. Seitdem ging der Preis aber in den Keller. Derzeit kostet eine Tonne CO2 nur noch sechs Euro. Das ist der EU-Klimakommissarin Conny Hedegaard zu billig. Sie möchte Zertifikate am Markt verknappen und dadurch teurer machen.

Eine Bullen Skulptur steht vor dem Gebaeude der Deutschen Boerse in Frankfurt (Foto: AP)
Kaufen! CO2-Zertifikate sind jetzt ein SchnäppchenBild: AP

Aber nicht einmal die EU-Kommission ist sich darin einig. Energiekommissar Günther Oettinger und Industriekommissar Antonio Tajani halten nichts davon. Auch eine Sprecherin des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums hat ablehnend auf den Vorstoß reagiert. Sicher ist: Ohne die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten kann die Richtlinie ohnehin nicht wirksam werden.

Ein Grund für die niedrigen Verschmutzungspreise ist der Rückgang der Emissionen, aber es gibt noch viele andere Gründe. "Der eine ist die Wirtschaftskrise, wo wir ja schrumpfende Ökonomien in Südeuropa haben", erläutert Gernot Klepper vom Institut für Weltwirtschaftsforschung in Kiel. "Der andere liegt darin, dass Verschmutzungsrechte aus dem Ausland zugekauft werden können". Und in Übersee seien die Preise noch niedriger als in der EU. Zudem seien Länder wie Kanada aus dem Kyoto-Protokoll ausgestiegen und kaufen keine Emissionsrechte mehr. Dadurch gibt es jetzt ein höheres Angebot. "Dadurch fällt der Preis in Europa noch weiter, unabhängig davon, ob hier Emissionsvermeidung gemacht wird, oder nicht," so der Wirtschaftsforscher.

Markt oder Intervention?

Der Preisverfall der Verschmutzungsrechte findet genau zu einem Zeitpunkt statt, an dem ein grundlegender Umbau des Handelssystems bevorsteht: Ab dem Jahr 2013 gilt nämlich eine EU-weite Obergrenze für alle CO2-Emissionen. Ab dann werden die Zertifikate auch nicht mehr national zugeteilt, sondern sollen versteigert werden. Genau diese Versteigerung will EU-Kommissarin Hedegaard nun für einen längeren Zeitpunkt aussetzen. So will sie eine Verknappung der Zertifikate auf dem Markt erreichen – Verschmutzungsrechte sollen teurer werden.

"Wir haben das europäische Ziel, bis 2020 die Emissionen um über 30 und bis 2050 um über 50 Prozent zu reduzieren", sagt der Kieler Wirtschaftsforscher Klepper. "Wenn man diese Reduktion haben will, muss man heute investieren. Investitionen für Unternehmen sind aber unattraktiv, wenn die Preise für Emissionsrechte so niedrig sind". Unternehmen würden nämlich in Emissionsvermeidung nur dann investieren, wenn sie daraus auch einen Gewinn erwirtschaften können. Zudem wolle die EU-Kommission mit den zusätzlichen Einnahmen durch einen höheren Zertifikatepreis Klimaschutzprojekte finanzieren.

Das Norsk Hydro Aluminium Werk in Neuss. Die groesste Aluminiumhuette Deutschlands (Foto: ddp images/AP Photo/Frank Augstein) +++ AP +++
Weil Aluminiumwerke mit Elektrolyse arbeiten, brauchen sie viel Strom. Den Bedarf können sie kaum mit Erneuerbaren decken.Bild: AP

Versteckte Steuern

Genau das ärgert Martin Kneer, Sprecher der Energieintensiven Industrien in Deutschland. Die EU habe sich Anfangs bewusst für einen Marktmechanismus und nicht für eine Steuer entschieden. Nun setze sie dies mit fadenscheinigen Argumenten wieder außer Kraft. Bei dem Vorstoß der EU-Klimakommissarin handele es sich um "eine Erhöhung der Klimaschutzziele auf klammheimlichem Wege". Zudem sei es ein unangemessener Markteingriff, hinter dem eigentlich ein Steuereinnahmemodell stecke. Es gehe darum "den Zertifikatepreis wieder zu erhöhen, um mit den Einnahmen andere Aufgaben irgendwo zu finanzieren." Industrien bräuchten Planungssicherheit, betont der Industrievertreter. Sollten die Regeln ständig geändert werden, sei das ein Investitionshemmnis und für einige vielleicht auch ein Grund, Produktionen in andere Länder zu verlagern.

Kneer beklagt, dass die Politik die Belastungsfähigkeit der europäischen und deutschen Industrie überschätze. Zudem sei die Klimapolitik in sich nicht schlüssig: "Der Instrumentenmix aus Brüssel und Deutschland sind nicht verzahnt. Die Ziele widersprechen sich und wir haben mit den Herausforderungen der Energiewende genug zu tun." Hinzu kämen die Herausforderungen durch die schlechte Konjunkturentwicklung und die Krise des Euro: "Wir sollten nicht jetzt, vor der Scharfschaltung des Emissionshandels, schon wieder daran herumdoktern. Wir erwarten, dass die Zertifikate ab 2013 durch die neuen Regeln sowieso teurer werden."

Klimapolitik widersprüchlich?

Für Wirtschaftswissenschaftler Klepper stellt sich angesichts der derzeit niedrigen Preise hingegen die Frage nach der Wirksamkeit des Emissionsrechtehandels. Zwar sei klar, dass die CO2-Emissionen heute sehr viel höher wären, wenn es keinen Emissionshandel gäbe, aber bestimmte Energiesparprojekte rechneten sich erst ab einem bestimmten CO2 Preis - und der sei jetzt zu niedrig.

Klepper stellt sich daher die Frage: "Ist der Emissionshandel in der Lage, die richtigen Signale zu setzen, dass wir bis 2050 tatsächlich weitgehend aus den fossilen Energieträgern aussteigen können?" Immerhin sei der Zertifikatehandel immer noch gerechter und auch wirksamer als die übermäßige Subventionierung einzelner erneuerbarer Energieträger. Das gelte umso mehr, wenn beides gleichzeitig geschehe.

"Wirtschaftlich gesehen hat es keinen Sinn, alternative Energieformen zu subventionieren, wenn die fossilen nicht mehr emittieren dürfen als durch die Obergrenze ohnehin erlaubt ist. Das heißt, man hat eine Doppelregulierung, die eigentlich sinnlos ist," so der Forscher. Er schlägt vor, statt Solarpaneele und Windkraftanlagen massiv über den Strompreis zu subventionieren, wie es in Deutschland geschieht und das Geld besser in die Forschung und Entwicklung neuer Techniken zu stecken.