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Es war einmal ein PC

25. September 2010

Wie sehen die Computer der Zukunft aus? Man wird sie kaum noch als solche erkennen, sagt Stefan Jähnichen, Leiter des Fraunhofer-Institut für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik (FIRST).

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Stefan Jähnichen (Foto: DW)
Ständig neue Ideen: der Visionär Stefan JähnichenBild: DW

DW-WORLD.DE: Herr Jähnichen, Ihre provokante These lautet: Den Computer, wie wir ihn heute kennen, den wird es morgen so nicht mehr geben. Wie kommen Sie darauf?

Stefan Jähnichen: Ich denke, dass der Computer im Alltag nicht verschwinden wird, aber er wird immer kleiner und unsichtbarer. Wir werden den Computer gar nicht mehr als Gerät wahrnehmen, weil er einfach überall eingebaut ist - in allen Dingen, die wir benutzen. Ein gutes Beispiel dafür ist das iPad: Das iPad nehmen Sie eigentlich nicht als Computer oder als Rechner wahr, sondern als einen Gebrauchsgegenstand.

iPad und Lochstreifen (Foto: DW)
Kaum mehr als Computer wahrgenommen: das iPad, daneben der alte Datenträger LochstreifenBild: DW

Sie benutzen es wie eine Waschmaschine. Sie gehen damit ins Internet und bestellen fünf Paar Hemden und nehmen es nicht als Computer wahr, weil Sie es auch nicht programmieren müssen, sondern kleine Anwendungen dafür haben. Ihnen ist es egal, woher die Daten kommen: Ob die Ihnen über das Internet zugeflogen kommen, oder ob Sie die hier direkt zur Verfügung haben. Es ist nicht mehr der Computer, der in der Ecke steht und den Sie dann extra bedienen müssen.

Das heißt, dass Gegenstände um uns herum in Zukunft "intelligent" sein werden?

Mit dem Begriff "Intelligenz" wäre ich vorsichtig. Aber es wird auf jeden Fall mehr Computer integriert in Gegenständen geben - vielleicht spezielle Chips, die Ihnen beispielsweise sagen, was der Kühlschrank gerade macht. Ich glaube, dass wir alle Dinge noch mehr miteinander vernetzen werden und damit eben sehr viele Komfortfunktionen erhalten, die uns vielleicht sogar gefallen werden.

An welche Funktionen denken Sie da?

Eine junge Frau schiebt ihren Einkaufswagen mit angestecktem Computer durch den Supermarkt (Foto: AP)
Leichter einkaufen dank "intelligentem" EinkaufswagenBild: AP

Wenn ich beispielsweise zu Hause bin und einfach meine Lieblingsmusik eingespielt wird und ich mich nicht erst lange um einen Radiosender kümmern muss. Das ist einfach ein bisschen Erleichterung. Oder ich nehme einen speziellen Gegenstand in die Hand und drehe meine Heizung einfach dadurch hoch, dass ich einfach nur da hinzeige. Ich muss dann nicht mehr zu dem Ventil rennen und daran herumfummeln, sondern ich habe etwas in der Hand, drehe das virtuell und die Heizung reagiert.

Was sich also verändern dürfte, ist die Art und Weise, wie wir unseren Computern in Zukunft Befehle geben, oder?

Vollkommen richtig. Das betrifft wieder die Schnittstellen, die ich dann zu diesen ganzen Gebrauchsgegenständen, die eigentlich Computer sind, habe. Da wird man sich noch eine Menge einfallen lassen. Da wird auch noch eine Menge passieren. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir für den Endbenutzer unter Umständen eine sehr einfache Art der Programmierung brauchen. Beispielsweise wie man einzelne Service-Funktionen zusammenstellen kann. Das kann man heute zwar schon, beispielsweise in Mobiltelefonen, aber das kann künftig noch ein bisschen komplexer werden.Und das muss man auf eine Ebene bringen, so dass der einfache Nutzer diese Service-Funktionen noch ein wenig gestalten kann. Das wird auch eine der Aufgaben der nächsten Jahre sein.

Und diese Programmierung kann man dann beispielsweise mit Sprachbefehlen erledigen?

Das kann ich Ihnen noch nicht sagen, wie die genau ablaufen wird. Wahrscheinlich läuft sie über Worte ab, wenn unsere Sprachverarbeitungssysteme noch ein bisschen besser werden, dann braucht man halt keine Tastatur mehr. Aber viele Leute sind mit der Tastatur inzwischen flink genug.

Was für andere Möglichkeiten, dem Computer Befehle zu geben, fallen Ihnen noch ein?

Ein Chip vor dem Auge eines Blinden (Foto: picture-alliance/ dpa)
Neue Anwendungen: Chip kann Blinden Seheindrücke ermöglichenBild: picture-alliance / dpa

Die Frage ist jetzt wieder sehr, sehr visionär. Ich gebe Ihnen noch ein Beispiel für Anwendungen, an die noch niemand gedacht hat: Wir haben vor vielen Jahren bei uns am Fraunhofer-Institut eine ziemlich spektakuläre Entwicklung gehabt. Wir waren einige der Ersten, die ein sogenanntes "Brain Computer Interface" vorgestellt haben. Wir haben versucht, Gehirnsignale zu messen und diese Gehirnsignale zu interpretieren. Das ist kein Gedankenlesen, das muss ich weit von mir weisen, sondern es ist einfach die Interpretation bestimmter Muster.

Wenn man diese Muster-Bewegungen beispielsweise Bewegungen des linken Arms und des rechten Arms unterscheiden kann, dann habe ich eine BIT-Information: "ist da" oder "ist nicht da". Und daraus ergibt sich, wenn jemand gerade an seine rechte Hand denkt, dass der Mauspfeil nach rechts geht. Und wenn er an seine linke Hand denkt, dann geht er nach links. Das sind natürlich auch Ansätze für eine Schnittstelle zwischen Benutzer und Computer, an die sicher bis dahin noch niemand gedacht hatte. Insofern will ich jetzt meine visionären Ideen nicht so offenlegen.

Das bedeutet aber, wenn jede Bewegung eine Reaktion des Computers auslöst, dann nimmt doch auch die Fehlerhäufigkeit zu?

Das kommt natürlich auf die Genauigkeit an. Es kommt auch darauf an, wie genau ich das steuern kann als Benutzer. Eine solche Vision - jetzt nenne ich doch eine - ist natürlich, dass man im medizinischen Bereich Chirurgen noch besser unterstützt, indem man ihre Mimik, ihre Gestik, ihre Bewegung versucht zu interpretieren. Als Resultat werden ganz spezifische Dinge auf einem Bildschirm eingespielt, die der Chirurg gerade sehen will, weil er seinen Augenwinkel verändert hat und man daraus eben schließt, er will jetzt eine bestimmte Sache genauer sehen. Ich glaube aber, dass der Mensch die Kontrolle darüber haben muss. Wenn ich es dem Rechner überlasse, die Entscheidungen alleine zu treffen, dann wächst diese Unsicherheit und wird sehr gefährlich.  

Gibt es Lebensbereiche, in denen Sie auch 2020 oder 2025 keine eingebetteten Computer sehen wollen?

Jeder möchte natürlich sein Privatleben auch noch so führen, wie er es eben gerne führt. Ich bin noch nicht so sicher, ob ich nicht weiterhin lieber ein normales Buch lese, als eben das Buch auf einem iPad oder Ähnlichem zu lesen. Das weiß ich einfach noch nicht. Die Bedürfnisse der Menschen sind sicherlich unterschiedlich. Und wir sollten uns nicht zu sehr in Technologien hineindrängen lassen, sondern wir sollten sie da nutzen, wo sie uns wirklich nützlich sind - und vielleicht auch ein bisschen Spaß machen.

Stefan Jähnichen (63) leitet seit 1991 das Fraunhofer-Institut für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik (FIRST) in Berlin und hat eine Professur an der dortigen Technischen Universität. Seit 2008 ist er zudem Präsident der Gesellschaft für Informatik (GI). Der promovierte Elektrotechniker hat sich die Verbesserung der Qualität und Zuverlässigkeit von Software zum Ziel gesetzt. 

Das Interview führte Richard A. Fuchs
Redaktion: Nicole Scherschun