1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

STASI-Steine und ihre Geschichte

Robert Schwartz25. April 2016

Der Künstler Daniel Knorr stellt in der Berliner Galerie Manière Noire eines seiner bekanntesten Werke aus: State of Mind, verklumpte STASI-Akten als Symbol für die heimliche Aktenvernichtung in der ehemaligen DDR.

https://p.dw.com/p/1IcLI
State of Mind, Daniel Knorr. (Foto: DW/L. Pitu)
Bild: DW/L. Pitu

Es sind einfache, unscheinbare Zellulose-Klumpen, aufgehäuft unter einem Kubus aus durchsichtigem Plexiglas. Ein Mahnmal auf weißem Sockel, in einem weißen Raum. STASI-Unterlagen, von STASI-Mitarbeitern in den letzten Wochen vor der Wiedervereinigung der DDR mit der Bundesrepublik Deutschland bis zur Unkenntlichkeit zerschreddert, zermahlen, mit Wasser und Öl vermengt.

Die Ausstellung "State of Mind" des Berliner Künstlers Daniel Knorr hält uns mit seinem Werk aber nicht nur die heimliche Aktenvernichtung vor Augen, sondern auch und vor allem die Versuche der politischen Geheimpolizei der früheren DDR, sich der Verantwortung und der Aufarbeitung ihrer dunklen Vergangenheit zu entziehen.

Sprache, Kunst, Kommunikation

Die kleine, schicke Galerie "Manière Noire" ist der ideale Ort für die so direkte und schmerzhafte Botschaft des Künstlers. In ihrem "Projektraum" will die Künstlerin und Galeristin Majla Zeneli zeigen, wie Kunst sich dem Medium Sprache annähert. Mit Daniel Knorr und seinen STASI-Steinen gelingt ihr ein diktaturgeschädigter Dreiklang, zugleich ein Missklang: das Werk eines rumänischen Künstlers, inspiriert von zerstörten DDR-STASI-Akten, ausgestellt von einer albanischen Galeristin.

Knorr, in der rumänischen Hauptstadt Bukarest geboren, kennt die schrillen und schmerzhaften Töne der kommunistischen Diktatur, er hat sie als Kind selbst erlebt. "Der Künstler ist ein politischer Mensch", sagt er im DW-Gespräch und fügt hinzu: "Es kommt der Moment, in dem die Kunst, das Werk, eine untergeordnete Rolle spielen". Wichtig sei der politische Kontext, in dem sich der Künstler bewege, und der ihn zugleich antreibe.

Galeristin Zeneli hat gerade diesen Zusammenhang mit ihrer eigenen Erfahrung erweitert. Sie wurde in Tirana, der Hauptstadt Albaniens, geboren und kennt die Greuel der kommunistischen Diktatur aus ihrem Land. Die aus Geheimpapieren und Mikrofilmen entstandenen Zellulose-Klumpen, in denen noch einzelne Buchstaben erkennbar sind, entsprechen ihrem konzeptionellen Schwerpunkt von Sprache, Kunst und Kommunikation.

"Wenn wir hier über einen Dreiklang sprechen, fühle ich mich in Italo Calvinos Buch 'Das Schloß, darin sich Schicksale kreuzen' versetzt", erzählt Majla Zeneli und zeigt auf die STASI-Steine. Alle Personen, alle Schicksale treffen sich dort in einem Raum – genau wie hier, flüstert sie.

Die Galeristin und ihr Künstler: Majla Zeneli und Daniel Knorr. (Foto: DW/L. Pitu)
Die Galeristin und ihr Künstler: Majla Zeneli und Daniel KnorrBild: DW/L. Pitu

Entzaubert und doch erschreckend

Geheime Akten entschieden oft in kommunistischen Dikaturen - ob in Bukarest, Tirana oder Ost-Berlin - über Schicksale der Menschen. Der Zellulose-Klumpen in grau-blau-rosa Tönen - also in den Farben der Aktenordner - liegt zwar entzaubert und harmlos unter dem durchsichtigen Schutzkasten aus Plastik, doch das Wissen um die Macht solcher Dokumente lässt uns immer wieder erschauern.

Die STASI-Steine seien letztendlich, so Majla Zeneli im DW-Gespräch, nicht nur eine Warnung vor den undurchsichtigen Machenschaften der Geheimdienste, sondern auch ein Weckruf an die Gesellschaft, ähnliche Verwerfungen sofort zu enttarnen.

Die STASI-Steine sind bloß ein Teil von Knorrs Gesamtkunstwerk "State of Mind". Teil zwei ist ein Miniatur-Modell eines sowjetischen Panzers auf einem Sockel im Leipziger STASI-Museum in der "Runden Ecke". An der Kanone des Panzers hängen Geheimdokumente, darunter ein Flugblatt, das 1968 von drei Schülerinnen verfasst wurde. Darin wird die DDR-Bevölkerung über die Invasion der "Bruder-Armeen" des Warschauer Paktes in Prag informiert. Dem Besucher bleibt es selbst überlassen, über das weitere Schicksal der drei mutigen Mädchen nachzudenken.

"State of Mind" (2007) von Daniel Knorr gehört zur Kunstsammlung der Erste Bank Group und Erste Stiftung. Die Arbeiten des Berliner Konzept- und Performancekünstlers wurden u. a. im Museum of Modern Art, Warschau (2013), im Centre Pompidou, Paris (2010) und auf der 5. Berlin-Biennale (2008) gezeigt. Einzelausstellungen waren u.a. in der Kunsthalle Wien (2013) und im Fridericianum, Kassel (2008), zu sehen. Außerdem gestaltete Knorr auf der 51. Venedig-Biennale (2005) den rumänischen Pavillion.