1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Stahlfusion in der Warteschleife

11. August 2017

Kommt es zur Stahlfusion von ThyssenKrupp und Tata? Der Vorstand des Essener Konzerns scheint entschlossen, den Befreiungsschlag zu wagen. Ein Haupthindernis könnte jetzt aus dem Weg geräumt sein.

https://p.dw.com/p/2i2OS
Stahlarbeiter ThyssenKrupp
Bild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Der Stahlkonzern Tata Steel hat mit einer neuen Regelung für seine milliardenschweren Pensionslasten womöglich ein Hindernis für eine Stahlfusion mit Thyssenkrupp aus dem Weg geräumt. Danach erhalte der Pensionsfonds von Tata eine Finanzspritze von 550 Millionen Pfund (umgerechnet gut 600 Millionen Euro), teilte ein Behördenvertreter in Großbritannien am Freitag mit. Zudem werde der Fonds an Tata Steel Großbritannien mit 33 Prozent beteiligt. Tata Steel erklärte, der Pensionsfonds werde vom Stahlgeschäft in Großbritannien abgetrennt. Thyssenkrupp kündigte eine genaue Prüfung der Vereinbarung an. Die Arbeitnehmervertreter lehnten eine Fusion erneut ab.

ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger hatte sich gestern erneut für eine Fusion der Stahlsparte mit Tata Steel ausgesprochen. Der Konzern strebe ein Joint Venture der Stahlsparte mit Tata als beste Lösung an, sagte Hiesinger am Donnerstag während einer Telefonkonferenz. Hiesinger verspricht sich vom Zusammengehen mit dem indischen Konkurrenten Synergieeffekte, die bei anderen Lösungen nicht möglich wären. Allerdings prüfe das Management auch andere Optionen. Der Finanzchef des Stahlkonzerns, Guido Kerkhoff, betonte aber, dass der Konzern bei den Verhandlungen nicht vorschnell handeln werde. "Wir werden keinen Zeitrahmen nennen."

Deutschland Heinrich Hiesinger ThyssenKrupp vor dem Firmensitz in Essen
Alles auf eine Karte? ThyssenKrupp-Chef Hiesinger vor dem Firmensitz in EssenBild: picture-alliance/dpa/R. Weihrauch

Thyssenkrupp verhandelt seit über einem Jahr mit Tata über die Zusammenlegung der Stahlgeschäfte. Hiesinger hat sich für ein Joint Venture ausgesprochen, um damit den Überkapazitäten in der Branche zu begegnen. Analysten halten dabei Einsparungen von einer halben Milliarde Euro für möglich. Betriebsräte hatten berichtet, dass das Management eine Entscheidung noch im Geschäftsjahr 2016/17 anstrebe, das bis Ende September läuft. Kerkhoff wollte dies am Donnerstag ebenso wenig bestätigen oder dementieren wie Berichte, wonach ThyssenKrupp in dem Joint Venture nur eine Minderheitsbeteiligung anstrebt. Finanzchef Kerkhoff zufolge ist ThyssenKrupp auch offen gegenüber der Möglichkeit, das Joint Venture an die Börse zu bringen. Geld reinzuholen sei immer gut, sagte der Manager. Daher werde man sich nicht dagegen sperren.

Knackpunkt Pensionsverpflichtungen

Als Haupthindernis für eine Fusion galten seit Anfang der Verhandlungen die 15 Milliarden Pfund (knapp 17 Milliarden Euro) schweren Pensionsverpflichtungen von Tata in Großbritannien, für die ThyssenKrupp nicht geradestehen will. Der britische Sender Sky News hatte bereits am Mittwoch berichtet, Tata stehe in der Frage kurz vor einem Durchbruch. Dennoch trat Kerkhoff auf die Bremse: "Nur wenn Sie irgendwann lesen, Tata hat eine Einigung, heißt das nicht, dass wir eine Woche später dastehen können und sagen, das ist jetzt ein Joint Venture. So kann das nicht funktionieren."

Die ThyssenKrupp-Aktie hat unter den Fusionsspekulationen in den vergangenen Monaten deutlich zugelegt. Viele Investoren und Analysten rechnen damit, dass Hiesinger der Deal gelingt. Die Erwartungen, dass es zu einer Fusion komme, seien hoch, schrieben die Experten von Jefferies. Auch Investoren wie die Fondsgesellschaft Union Investment haben sich für einen Abschied vom konjunkturanfälligen Stahlgeschäft ausgesprochen. Ihnen bereitet jedoch Bauchschmerzen, dass Hiesinger mit Tata anscheinend alles auf eine Karte setzt.

Sorge um Arbeitsplätze trotz Gewinnsprung

Deutschland ThyssenKrupp Stahlproduktion
Seit längerem auf Partnersuche: ThyssenKrupp Stahlproduktion Bild: DW/M. Hütter

Die Arbeitnehmervertreter lehnen hingegen eine Fusion ab. Sie befürchten, dass Jobs gestrichen und Standorte geschlossen werden. Die Debatte sei schon längst schädlich für den Konzern, hatte der frühere IG-Metall-Chef Detlef Wetzel kritisiert, der im Aufsichtsrat der Stahlsparte sitzt. "Der Vorstand ist dabei, die Reputation von ThyssenKrupp Steel Europe zu zerstören. Sollte ThyssenKrupp an der Fusion mit Tata festhalten, werde dagegengehalten. "Das ist keine Frage." Von einer Fusion wären 27.000 Beschäftigte betroffen, davon allein 20.000 in Nordrhein-Westfalen.

Ausgerechnet die Stahlsparte sorgte nun für eine deutliche Gewinnsteigerung. Der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) des Konzerns stieg im dritten Quartal des Geschäftsjahres 2016/17, das im September endet, um 41 Prozent auf 620 Millionen Euro. Die Stahlsparte konnte dank höherer Preise ihr Ergebnis auf 232 Millionen Euro mehr als verdoppeln. Hiesinger will sich trotzdem nicht von seinem Kurs abbringen lassen, den Konzern stärker auf die Technologiesparte mit Aufzügen, Maschinen, Autoteilen oder U-Booten auszurichten.

"Die Erholung der Ergebnisse bei den Werkstoffgeschäften freut uns", sagte der Manager. Die großen Schwankungen von einem Quartal zum anderen zeigten jedoch, dass seine Strategie stimme. Die Industriegüter- und Dienstleistungsgeschäfte sollten ausgebaut werden. "So werden wir in Zukunft stabilere Ergebnisse erwirtschaften und profitabel wachsen."

Neue EU-Strafzölle auf chinesische Stahlerzeugnisse

Die EU hat unterdessen zur Abwehr von Billig-Stahlimporten aus China neue Strafzölle verhängt. Auf bestimmte korrosionsbeständige Stahlerzeugnisse müssen Importeure ab sofort Aufschläge von bis zu 28,5 Prozent des Preises zahlen. Die betroffenen Produkte würden vor allem im Baugewerbe, aber auch bei der Herstellung von Haushaltsgeräten oder kleinen geschweißten Rohren verwendet, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Verordnung. Die Aufschläge sollen ausländische Waren teurer machen und so heimische Hersteller vor unlauterer Konkurrenz schützen. Sie ergänzen eine ganze Reihe anderer Antidumpingzölle auf Stahlerzeugnisse aus China. Die Einnahmen aus den Einfuhrabgaben fließen in den EU-Haushalt.

tko/wen (rtr, dpa)