Sportklettern wird olympisch
Bei den Olympischen Spielen 2021 werden erstmals Wettkämpfe im Sportklettern ausgetragen – auch mit deutscher Beteiligung. Doch mit der neuen Gesamtdisziplin „Olympic Combined“ sind nicht alle zufrieden.
Klettern ist etwas, das sicher jede und jeder schon mal in seinem Leben gemacht hat, um auf einen Baum, über eine Mauer oder einen Zaun zu kommen. Kraft in Händen und Beinen und körperliche Geschicklichkeit sind zwei Voraussetzungen, die dabei wichtig sind. Beides brauchen auch diejenigen, die Klettern als Sport betreiben – in einer Kletterhalle mit künstlichen Wänden oder im Freien, an Felswänden oder in den Bergen. Als Sport wurde Klettern zunächst in den USA in den 1960er-/1970er-Jahren populär, eroberte dann auch westeuropäische Staaten, darunter Deutschland, sowie Japan. In Deutschland schießen (wie Pilze) aus dem Boden schießen umgangssprachlich für: sich rasch vermehren, ausbreiten Kletterhallen, die Bouldern Bouldern (n., aus dem Englischen) eine Kletterart, bei der jemand eine nicht sehr hohe Wand hochklettert , Lead Lead (n., aus dem Englischen) eine Kletterart, bei der jemand an einer hohen Wand, gesichert durch Seile und Haken, nach oben klettert und Speed Speed (n., aus dem Englischen) eine Kletterart, bei der jemand an einer Wand, gesichert durch Seile und Haken, so schnell wie möglich bzw. schneller als sein Gegner nach oben klettert anbieten, wie Pilze aus dem Boden (wie Pilze) aus dem Boden schießen umgangssprachlich für: sich rasch vermehren, ausbreiten . Auch Jan Hojer, einer der weltbesten deutschen Kletterer, beobachtet einen wahren Kletterboom:
„Die Mitgliederzahlen des Alpenvereins schießen durch die Decke und in jeder mittelgroßen Stadt gibt es mittlerweile Boulder- und Kletterhallen. Also Leute, die wirklich durchs Feld klettern, den ersten Kontakt zur Sportart haben, sind eher ’ne Seltenheit, und die meisten Leute beginnen eben in der Halle, und erst wenn man dann ’ne gewisse Leidenschaft, ’n gewissen Spaß am Klettern entwickelt hat, dann schaut man sich eben um und schaut, wo die nächsten Felsklettergebiete sind.“
War Klettern einst eher ein Sport für Individualisten, ist es mittlerweile zu einem Breitensport Breitensport (m., nur Singular) die sportlichen Aktivitäten, die viele Menschen in ihrer Freizeit betreiben geworden. Die Mitgliederzahlen des Deutschen Alpenvereins (DAV) schießen durch die Decke, steigen sehr stark. Startete die Bergsteigervereinigung bei ihrer Gründung im Jahr 1869 noch mit 36 Mitgliedern, so verzeichnete sie 2019 mehr als 1,3 Millionen Mitglieder – auch und vor allem wegen des seit Jahren anhaltenden Kletterbooms. Der DAV betreibt selbst auch eigene Kletterhallen, um damit nach eigenen Angaben einen Ganzjahressport für alle Generationen zu ermöglichen. So kommen, wie er es ausdrückt, die meisten Leute auch dort in Kontakt mit dem Sport und nicht, indem sie durchs Feld klettern, in der freien Natur, vor allem in den Bergen unterwegs sind.
Sportklettern zeichnet sich dadurch aus, dass mit Ausnahme des Boulderns Seile oder Haken lediglich zur Sicherung bei einem Sturz und nicht auch – wie beim Klettern in den Bergen – zur Fortbewegung dienen. Auch müssen relativ kurze, Kraft und Körperbeherrschung erfordernde Routen an Wänden absolviert werden, an denen Griffe für die Hände und Tritte für die Füße in verschiedenen Größen, Formen und Abständen angebracht sind. Dadurch und durch die Neigung einer Wand lassen sich alle erdenklichen Schwierigkeitsgrade gestalten.
Eigentlich sollte laut einem Beschluss der Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) aus dem Jahr 2016 das Sportklettern seine Premiere bei den Sommerspielen 2020 in der japanischen Hauptstadt Tokio haben. Das wird nun im Sommer 2021 sein, weil die Spiele wegen der Corona Corona(virus, -viren) (n.) ein kleiner Organismus, der eine Lungenkrankheit auslöst -Pandemie Pandemie, -n (f.) eine ansteckende Krankheit, die sehr viele Menschen zur gleichen Zeit in mehreren Ländern auf der Welt haben um ein Jahr verschoben werden mussten. Allerdings gibt es dann nicht in jeder Einzeldisziplin Wettkämpfe, sondern in einer Kombination aller drei Disziplinen. Im „Olympic Combined“ werden in der Reihenfolge Speed, Bouldern und Lead die Wettkämpfe an einem Tag ausgetragen. Für die Athletinnen und Athleten stellt das eine Herausforderung dar, nicht nur körperlich. Die meisten Sportkletterer*innen sind zudem eher selten Spezialistinnen und Spezialisten in allen drei Disziplinen. Das zeigte sich für Jan Hojer auch bei der Weltmeisterschaft im August 2019 im japanischen Hachioji:
„Ich komme ursprünglich vom Seilklettern, vom ‚Lead‘-Klettern, und obwohl ich in den letzten Jahren viel ohne Seil bei ‚Boulder‘-Wettkämpfen unterwegs war, habe ich zumindest diesen Background. Also im ‚Lead‘ wieder einigermaßen Anschluss zu finden, ist mir daher eventuell ’n bisschen leichter gefallen als manch anderen Athleten, die wirklich reine Spezialisten waren. ‚Speed‘ war für so gut wie jeden von uns ’ne neue Herausforderung.“
Wie der englische Begriff besagt, liegt der Schwerpunkt beim Speed-Klettern auf der Geschwindigkeit. Im Wettkampf treten zwei Athleten gegeneinander an, müssen in möglichst kurzer Zeit jeweils eine vertikale, vorgegebene Route hochklettern. Im zweiten Durchgang werden die Seiten gewechselt. Eine Runde weiter kommt derjenige, der schneller war. Während Athleten wie Jan Hojer zumindest mit zwei Disziplinen im „Olympic Combined“ vertraut sind, sind andere reine Spezialisten und müssen jetzt noch zwei andere Disziplinen trainieren. Die meisten Sportkletterer sind daher laut Jan Hojer wie er der Meinung:
„Das ‚Olympic Combined‘ ist auf jeden Fall ’n Kompromiss, mit dem auch nicht alle Athleten hundertprozentig glücklich sind. Also, es gibt mit Sicherheit Athleten, die lieber in den Einzeldisziplinen angetreten wären, aber ich denke, allen Athleten – egal aus welcher Disziplin – kommt der steigende Bekanntheitsgrad der Sportart zugute. Die Meinung unter den Athleten ist, dass Olympia eine sehr große Chance für den Klettersport darstellt, dass es schön ist, unsere Sportart auf der größten Bühne präsentieren zu können, aber auf jeden Fall mit dem mittelfristigen Ziel, 2024 oder dann danach irgendwann mit drei Einzeldisziplinen und verschiedenen Medaillensets an Olympia teilnehmen zu dürfen.“
Die Idee des Internationalen Sportkletterverbands (IFSC), ein Wettkampfformat zu kreieren, zu schaffen, das alle drei Kletterdisziplinen umfasst, wurde von vielen Athletinnen und Athleten zunächst abgelehnt. Vor allem mit dem Speed-Klettern, einer Domäne Domäne, -n (f., aus dem Französischen) hier: ein Spezialgebiet, in dem jemand besonders gut ist der asiatischen und osteuropäischen Kletterer, wollten die meisten nichts zu tun haben. Einer der weltbesten Sportkletterer, der Tscheche Adam Ondra, etwa kritisierte, dass kein Sport auf Weltklasseniveau geboten werden könne, da die meisten Kombinierer (Boulder- und Lead-Kletterer) Anfänger im „Speed“ seien. Auch sei das Format mit bis zu dreieinhalb Stunden sehr lang und zu kompliziert. Allerdings nach einer Entscheidung des IOC sollte nur ein Medaillenset, Medaillen aus Gold, Silber, Bronze, in der Disziplin verliehen werden. Um den gesamten Sport auf großer Bühne präsentieren, ihm mehr Aufmerksamkeit verschaffen zu können, entschied sich der IFSC für die Kombinationslösung.
Das IOC ging dann doch auf die Kritik ein. Bei den Sommerspielen in Paris 2024 wird es zwei Wettbewerbe mit je einem Medaillensatz geben: einen, der aus Bouldern und Lead besteht, und einen in der Disziplin Speed. Für den Bundestrainer des deutschen Kletter-Nationalteams, Urs Stöcker, ist klar, dass sich seine Schützlinge trotz allem zunächst in Tokio jetzt erst mal auf unbekanntes Terrain Terrain, -s (n., aus dem Französischen) das Gebiet; das Gelände begeben:
„Das ist ein Abenteuer, und zwar aus zwei Sichten: einerseits eben bei Olympia überhaupt dabei zu sein und dann noch in einem neuen Wettkampfformat, das für Olympia sozusagen kreiert wurde. Das macht einerseits eine Reise ins Ungewisse [aus] und andererseits natürlich auch eben dieses Abenteuer und diese Begeisterung zeichnet sie auch aus.“
Und die Entscheidung des IOC, Sportklettern weiter als olympische Disziplin zu sehen, unterstreicht die Attraktivität dieses Sports.
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*Unter Verwendung von Interviews von Marina Schweizer (DLF) mit Urs Stöcker und Klaas Reese (DLF) mit Jan Hojer
Sportklettern wird olympisch
(wie Pilze) aus dem Boden schießen — umgangssprachlich für: sich rasch vermehren, ausbreiten
Bouldern (n., aus dem Englischen) — eine Kletterart, bei der jemand eine nicht sehr hohe Wand hochklettert
Lead (n., aus dem Englischen) — eine Kletterart, bei der jemand an einer hohen Wand, gesichert durch Seile und Haken, nach oben klettert
Speed (n., aus dem Englischen) — eine Kletterart, bei der jemand an einer Wand, gesichert durch Seile und Haken, so schnell wie möglich bzw. schneller als sein Gegner nach oben klettert
Breitensport (m., nur Singular) — die sportlichen Aktivitäten, die viele Menschen in ihrer Freizeit betreiben
Corona(virus, -viren) (n.) — ein kleiner Organismus, der eine Lungenkrankheit auslöst
Pandemie, -n (f.) — eine ansteckende Krankheit, die sehr viele Menschen zur gleichen Zeit in mehreren Ländern auf der Welt haben
Domäne, -n (f., aus dem Französischen) — hier: ein Spezialgebiet, in dem jemand besonders gut ist
Terrain, -s (n., aus dem Französischen) — das Gebiet; das Gelände