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Spioniert die NSA von Wiesbaden aus?

Mathias Bölinger18. Juli 2013

Der Skandal um das amerikanische Abhörprogramm-Prism beschäftigt die deutsche Politik. Unterhält der amerikanische Militärgeheimdienst in Deutschland ein Abhörzentrum? Wie viele Programme namens Prism gibt es überhaupt?

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Eingang der Clay-Kaserne in Wiesbaden (Bild:dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die amerikanische National Security Agency (NSA) baut in der Nähe von Wiesbaden ein neues Geheimdienstzentrum. Das wurde von einem Sprecher der US-Truppen in Wiesbaden bestätigt. In dem Gebäude würden geheime Informationen für den Einsatz der US-Streitkräfte in Europa gesammelt.

Verteidigungsministerium bestätigt Neubau

Am Mittwoch hatte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, den Innenausschuss des Bundestages über die neue Geheimdienstzentrale informiert. Unter Berufung auf Mitglieder des Gremiums berichteten Medien am Donnerstag (18.7.2013) von einem neuen "Abhörzentrum" der NSA in Deutschland. Mitglieder des Ausschusses bestätigten der Deutschen Welle, dass über den Neubau gesprochen worden sei, allerdings habe es keine Auskünfte über Abhöraktionen vom Standort Wiesbaden aus gegeben.

Vielmehr sei den Mitgliedern versichert worden, dort würden nur "Aktivitäten zum Schutz der US-Truppen" ausgeführt. Der amerikanische Militärgeheimdienst unterhalte in Wiesbaden seit langem eine "Technikzentrale", die Unterstützung für die Truppen in Europa leiste. Vom Bundesnachrichtendienst ist bisher keine Stellungnahme zu bekommen.

Laut dem Nato-Truppenstatut beauftragen die US-Truppen für Neubauten auf deutschem Gebiet in der Regel die Bundeswehr. Ausnahmen gelten aber für "Baumaßnahmen, die besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordern". Das Bundesverteidigungsministerium bestätigt, dass die US-Armee 2008 den Eigenbau eines "Consolidated Intelligence Centers" auf dem Gelände der Clay-Kaserne in Wiesbaden-Erbenheim beantragt und genehmigt bekommen habe.

Wiesbaden liegt nicht weit von Deutschlands wichtigstem Internetknotenpunkt De-Cix in Frankfurt entfernt. Dessen Geschäftsführer Harald Summa hatte vor kurzem in einem Zeitungsinterview ausgeschlossen, dass ausländische Geheimdienste direkten Zugriff auf den De-Cix haben, hatte den Raum Frankfurt aber als lohnenden Standpunkt für Spionage-Aktivitäten bezeichnet. "Frankfurt ist für die Telekommunikation einer der größten Knotenpunkte. 500 bis 600 Netze sind hier vertreten, 35 Rechenzentren. Irgendwo hier wird vermutlich auch die NSA zugreifen, denn die Attraktivität für den Dienst liegt auf der Hand."

Wie viele Anschläge wurden durch Prism verhindert?

In der Ausschusssitzung am Mittwoch hatten der Innenminister und die Präsidenten des Auslandsgeheimdienstes (Bundesnachrichtendienst) sowie des Inlandsgeheimdienstes (Verfassungsschutz) ausgesagt. Verfassungsschutzpräsident Georg Maaßen teilte neue Details zu Anschlägen mit, die angeblich durch Prism in Deutschland verhindert wurden. Demnach seien durch Abhörmaßnahmen der Amerikaner sieben Anschläge in Deutschland vereitelt worden. Auch die Verhaftung der Sauerland-Gruppe, die 2007 in Nordrhein-Westfalen ausgehoben wurde, gehe auf Informationen aus dem Prism-Programm zurück.

Innenminister Friedrich hatte nach einer Washington-Reise zunächst von fünf Anschlägen in Deutschland gesprochen, die dank belauschter Internetkommunikation verhindert worden seien. Allerdings räumte sein Sprecher später ein, es könnten auch weniger sein. "Ich habe den Eindruck, dass der Innenminister bei der Reise ein Szenario abgesprochen hat", kritisierte der Grünen-Politiker Mehmet Kilic.

Verwirrung perfekt

Die Enthüllungen des ehemaligen amerikanischen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden über weltweite Abhöraktionen der NSA haben in Deutschland zu einer Debatte über die Beteiligung deutscher Dienste und Behörden geführt. So berichtete das ARD-Magazin "Fakt", der Bundesnachrichtendienst sei im Besitz des Computerprogramms, mit dem der US-Geheimdienst die Prism-Daten auswerte. Die "Bild"-Zeitung schrieb am Mittwoch, deutsche Truppen in Afghanistan würden auf Daten aus einem Aufklärungsprogramm namens Prism zurückgreifen. Die Bundesregierung bestreitet aber, dass damit das gleichnamige weltweite Abhörprogramm gemeint sei. Es handle sich um "nicht identische" Programme, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU) sagte, bei dem Programm, das die Bundeswehr nutze gehe es um "Radarüberwachung und Luftaufklärung". Diese Darstellung wird aber von Medien und Oppositionspolitikern bezweifelt. Am Donnerstag berichtete die "Bild"-Zeitung, das Programm greife auf die gleichen Datenbanken zurück wie das umstrittene Abhörprogramm. "Von Tag zu Tag wird deutlicher, dass die Bundesregierung die Öffentlichkeit seit Wochen an der Nase herumführt", sagte der Linken-Abgeordnete Jan Korte. Der Grünen-Politiker Wolfgang Wieland kritisierte, die Bundesregierung habe offenbar weder die Kraft noch den Willen, für Aufklärung zu sorgen.