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Politik

Spahn: Keine Sonderrechte für Geimpfte

28. Dezember 2020

Der Bundesgesundheitsminister ruft zu gegenseitiger Solidarität auf - und zur Geduld. Derweil deutet sich eine Verlängerung der Corona-Beschränkungen an.

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vor einem Mikrofon
"Wir kämpfen gemeinsam": Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (Archivbild)Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn lehnt Sonderrechte für Menschen mit Corona-Schutzimpfung ab. "Viele warten solidarisch, damit einige als erste geimpft werden können. Und die Noch-Nicht-Geimpften erwarten umgekehrt, dass sich die Geimpften solidarisch gedulden", sagte Spahn den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Keiner sollte Sonderrechte einfordern, bis alle die Chance zur Impfung hatten."

Es sei diese gegenseitige Rücksicht, die das Land zusammenhalte, fügte der Gesundheitsminister hinzu. "Gegen die Pandemie kämpfen wir gemeinsam - und wir werden sie nur gemeinsam überwinden." Zuvor hatte sich bereits Bundesinnenminister Horst Seehofer gegen Privilegien für Geimpfte ausgesprochen. Dies käme einer Impfpflicht gleich, sagte der CSU-Politiker der "Bild am Sonntag". Die Impfungen gegen das Virus hatten am Wochenende bundesweit begonnen.

"Einige unterschätzen die Komplexität"

Spahn reagierte zurückhaltend auf Forderungen, die Impfstoffmenge durch Lizenzvergabe an andere Pharmahersteller zu erhöhen. Einige unterschätzten die Komplexität und die Qualitätsanforderungen bei der Impfstoffproduktion, sagte Spahn dem Bayerischen Rundfunk. Man stehe mit BioNTech und Pfizer in intensivem Kontakt, um zusätzliche Produktionsstätten auch in Deutschland möglich zu machen. Wenn BioNTech wie geplant im ersten Quartal 2021 am Standort Marburg mit der Herstellung des Vakzins beginnen könne, "würde sich sehr schnell die verfügbare Menge enorm erhöhen", so der CDU-Politiker.

Dosen des Covid-19 Impfstoffes von Biontech/Pfizer liegen in einer Box
Lizenzvergabe an andere Hersteller? Impfdosen des COVID-19-Vakzins (Archivbild)Bild: Marijan Murat/dpa/picture alliance

Für die Lizenzproduktion hatte sich unter anderem die Linke ausgesprochen. Deren gesundheitspolitischer Sprecher im Bundestag, Achim Kessler, sagte dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", die Bundesregierung müsse den Spielraum des Ersten Bevölkerungsschutzgesetzes nutzen und die Impfstoffentwickler zwingen, anderen Unternehmen eine Lizenz zur Nachproduktion zu gewähren.

Dahmen: Vorsprung eingebüßt

Der Grünen-Abgeordnete im Bundestag, Janosch Dahmen, sagte unterdessen der Deutschen Welle, dass die Impfung in ganz Europa "nicht das Ende unseres Kampfes" gegen das Coronavirus sei, sondern "nur der Anfang eines großen und wichtigen Schrittes im Kampf gegen diese schreckliche Krankheit." Nach Ansicht von Experten müssen etwa 70 Prozent der Bevölkerung geimpft werden, um die sogenannten Herdenimmunität zu erreichen.

Dahmen, der auch Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages ist, betonte, dass die Anwendung des Impfstoffs nicht zwingend vorgeschrieben werden müsse, um diese zu erreichen.  "Aber wir müssen eine riesige Informationskampagne durchführen, um den Menschen zu erklären, warum das so wichtig ist", sagte er der DW. Er fügte hinzu, dass dies erst beginnen könne, wenn Deutschland über große Mengen an Impfstoff verfüge.

Dahmen sagte weiter, dass Unstimmigkeiten zwischen den Bundesländern über die notwendige Strategie zur Eindämmung der Pandemie dem Land Nachteile eingebracht hätten. "Deutschland war im Frühjahr dieses Jahres so etwas wie ein Champion im Kampf gegen die Pandemie", erklärte Dahmen. "Aber wir haben den Vorsprung verloren und sind jetzt im Rückstand und wir bemühen uns wirklich sehr, die Zahlen runterzukriegen und die Situation unter Kontrolle zu bekommen."

Sonderzulassung für Corona-Schnelltest

Ein neuer Corona-Schnelltest eines bayerischen Startups hat eine Sonderzulassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erhalten. Das teilte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) mit. Das Schnellverfahren des Unternehmens GNA Biosolutions aus dem Münchner Vorort Martinsried soll Ergebnisse in weniger einer Stunde liefern, aber vergleichbar zuverlässig sein wie herkömmliche PCR-Tests. Das Testgerät ist transportabel und kann acht Proben gleichzeitig analysieren. Probeweise eingesetzt wurde das Verfahren in den vergangenen Monaten am Münchner Flughafen.

In Bayern und Mecklenburg-Vorpommern ist es derweil zum Start der großangelegten Impfungen gegen das Coronavirus zu Pannen gekommen. In der Hansestadt Stralsund bekamen acht Mitarbeiter eines Pflegeheims irrtümlich die fünffache Dosis des BioNTech-Impfstoffs gespritzt, wie der Landkreis Vorpommern-Rügen einräumte.

In sieben Landkreisen in Oberfranken werden die ersten rund 1000 Dosen erst gar nicht verwendet, nachdem die Transportbox zeitweise nicht ausreichend gekühlt wurde. Obwohl der Mainzer Impfstoff-Entwickler BioNTech keine Bedenken gegen die Verwendung geäußert hatte, sei "nach reiflicher Überlegung" entschieden worden, die Charge zunächst nicht zu verimpfen, sagte der Lichtenfelser Landrat Christian Meißner im Interview mit Reuters TV. "Und zwar einfach deswegen, um das Vertrauen der Bevölkerung in die ganze Impfkampagne nicht zu gefährden."

Mehr als 30.000 Tote

Unterdessen stieg die Zahl der Menschen, die an oder mit dem Coronavirus gestorben sind, innerhalb eines Tages um 348 auf insgesamt 30.126. Wie das Robert-Koch-Institut (RKI) mitteilte, wurden knapp 11.000 Neuinfektionen registriert. Die Zahlen seien allerdings nur bedingt mit früheren Werten vergleichbar, da während der Feiertage und zum Jahreswechsel weniger Tests durchgeführt und weniger Daten der Gesundheitsämter übermittelt würden. Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz liegt dem RKI zufolge bei 157,8. Die Zahl gibt Auskunft darüber, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen positiv getestet wurden. Bund und Länder streben zur Eindämmung der Pandemie einen Wert von 50 an.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig während einer Rede
"Wir sind noch nicht durch": Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (Archivbild)Bild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Mehrere Bundesländer sprachen sich bereits für eine Verlängerung der Corona-Maßnahmen aus. Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Manuela Schwesig sagte der "Bild"-Zeitung: "Wir sind noch nicht durch." Ähnlich äußerte sich der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil. Es sei zweifelhaft, ob man im neuen Jahr "direkt wieder über Lockerungen reden" könne. Gerade jetzt, da besonders gefährdete Menschen einen Impfschutz bekommen könnten, müsse man verhindern, "dass die Situation vorher noch einmal eskaliert". Die Regierungschefs der Länder wollen am 5. Januar mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über das weitere Vorgehen in der Krise beraten.

jj/as/kle (dpa, afp, rtr, epd)