Sonnenwärme auf Siegeskurs
22. Februar 2010Wenn von Sonnenenergie die Rede ist, denken die meisten Menschen an Solarstrom. Dabei gibt es eine noch wichtigere solare Technik: solarthermische Kollektoren, die vor allem Wasser, aber auch Räume erwärmen. "Die öffentliche Beachtung der Solarthermie steht im krassen Missverhältnis zu ihren Energiesparpotenzialen", sagt Matthias Fawer, Energieanalyst beim Schweizer Bankhaus Sarasin, das den Solarthermie-Markt erforscht: 68 Prozent der weltweit installierten Anlagen sind in China in Betrieb, wo die Regierung früh die Industrie dazu anhielt, Kollektoren herzustellen. Der Grund war rein ökonomisch: Solares Heizen ist – gerade für ärmere Schichten – günstiger als eine Öl- oder Gasheizung.
Je nach Region können Solaranlagen bis zu 60 Prozent des Energiebedarfs für Warmwasser und Heizung ersetzen. Die Technik ist einfach: Sonnenstrahlen werden von einem flachen oder röhrenförmigen Kollektor absorbiert, der an den Warmwasserspeicher angeschlossen ist. Ein Wärmeträger wie Wasser oder Luft zirkuliert zwischen beiden Systemen. Sobald die Temperatur am Kollektor die im Wasserspeicher um einige Grad übersteigt, schaltet sich eine Umwälzpumpe ein. Der Träger transportiert die Sonnenwärme in den Speicher - und wird dann wieder zum Kollektor zurückgeleitet, wo der Wärmekreislauf neu beginnt.
Der Solarthermie-Markt boomt – 2008 wuchs er um 40 Prozent wegen der hohen Ölpreise. Für die kommenden Jahre werden 15 bis 20 Prozent jährlich erwartet. Neben China existieren größere Märkte in Deutschland, Österreich, Griechenland, der Türkei, Japan und Israel - das vor 30 Jahren als erstes Land solare Warmwasser-Anlagen für private Neubauten zur Pflicht machte.
Enorme Einsparpotenziale
60 Millionen Haushalte wärmen weltweit ihr Wasser mit Sonnenkraft. Auch deshalb erzeugen solare Warmwasser- und Heizungsanlagen mehr Energie als Geothermie, Photovoltaik und solarthermische Stromkraftwerke zusammen: 174 Terawattstunden jährlich. Das entspricht dem Strombedarf Polens bis 2020. Mit der Windkraft ist die Solarthermie der größte Motor für eine Energiewende. Und für die Energieautonomie: Europa könnte einer Sarasin-Studie zufolge 30 Prozent seiner Ölimporte aus dem Nahen Osten einsparen, wenn es gezielt auf Solarwärme setzen würde. Davon sind die Europäer aber noch weit entfernt. Gerade sonnenreiche Länder wie Italien oder Spanien, wo es nun entsprechende Gesetze gibt, haben die Technik lange vernachlässigt.
In der Erneuerbaren Energie-Richtlinie der EU wird die Solarthermie nun erstmals erwähnt. Bis Juni müssen die EU-Staaten ihren Plan für die nationale Umsetzung fertig stellen. "Das ist eine einmalige Möglichkeit, eine Technik voranzubringen, der eine selbstbewusste Industrie und ein finanzielles Instrument wie die Einspeisevergütung für Sonnenstrom fehlen", sagt Bärbel Epp vom Global Solar Thermal Energy Council in Brüssel. Die deutsche Einspeisevergütung, bei der Hausbesitzer für die Solarstromproduktion Geld erhalten, wurde weltweit dutzende Male kopiert. Der Solarthermie fehlt ein solch einheitliches und erprobtes Fördermittel bisher.
"Das Entwicklungspotenzial ist noch sehr groß", sagt Analyst Fawer. Für die technisch komplexen Systeme müsse es allerdings eine potente Käuferschicht geben. "Deshalb sind in Schwellenländern mit ihren neuen Mittelschichten die Bedingungen besonders gut", sagt Fawer. Seine Bank geht davon aus, dass sich in Indonesien, Mexiko, Südafrika und Brasilien neue Märkte entwickeln. Doch auch in Südeuropa, den USA und Australien gibt es vielversprechende Entwicklungen.
Fachkräfte frühzeitig schulen
Hoffnungen ruhen auch auf Indien, wo sich die Solarthermie wegen langer Genehmigungsverfahren und fehlender Werbekampagnen bislang nicht durchsetzen konnte – trotz staatlicher Förderung und potenzieller Käufer. Wichtig sei es auch, so Bärbel Epp, Installationsunternehmen und Ingenieurbüros frühzeitig zu schulen. "Sonst fehlt bei Neu- und Umbauten das Know-how." Als vorbildlich gilt der Ansatz in Mexiko, frühzeitig alle Akteure an einen Tisch zu holen und ärmeren Bevölkerungsschichten mit günstigen Darlehen den Einbau einer Anlage zu ermöglichen. Der Erfolg zeigt sich etwa in der Arbeitersiedlung Heroes de Tecamac in Mexiko-City, wo bereits 1000 Haushalte solche Systeme installiert haben.
Viel Beachtung erfährt auch Kalifornien: Mit 380 Millionen Dollar fördert der US-Bundesstaat über acht Jahre den Einbau von solarthermischen Anlagen – zu größeren Teilen in Unternehmen. Dies entspreche einem globalen Trend, sagt Bärbel Epp. "Bisher hat man fast nur auf Privathaushalte geschaut. Die neue Konzentration auf größere Anlagen und die Privatwirtschaft ist begrüßenswert – auch aus Klimaschutzgründen."
Autor: Torsten Schäfer
Redaktion: Ranty Islam