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App rettet Leben nach Opioid-Überdosis

9. Januar 2019

Täglich sterben in den USA 115 Menschen an einer Opioid-Überdosis. Forscher haben jetzt eine App entwickelt, die das Smartphone zum Sonar-Gerät macht. Wird die Atmung durch Opiode unregelmäßig, schlägt das Telefon Alarm.

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Deutschland Medizin Medikament Schmerzmittel Morphin und Fentanyl
Bild: picture-alliance/Okapia

Seit Ende der 1990er Jahre hat der Konsum von Schmerzmitteln, die Oxycodon, Fentanyl oder damit verwandte Wirkstoffe enthalten, in den USA und Kanada drastisch zugenommen. Beide Medikamente wurden dort Ende des vergangenen Jahrhunderts zur ärztlichen Verschreibung zugelassen - etwa zur Behandlung sehr starker Schmerzen, zum Beispiel nach Bandscheibenvorfällen. Allerdings machen diese Opioide stark süchtig, ähnlich wie das eng mit ihnen verwandte Heroin. 

Die medizinische Freigabe der Wirkstoffe zog die amerikanische "Opiod Epidemie" nach sich - eine drastischen Zunahme von Süchtigen. Und damit verbunden zu einem sprunghaften Anstieg von Todesfällen durch eine Überdosierung. Starben 2002 in den USA noch etwa 10.000 Menschen an einer Opioid-Überdosis, so hat sich die Zahl seitdem fast verfünffacht. Insbesondere Fentanyl ist hochgefährlich und selbst bei sehr viel geringeren Dosen tödlicher als Heroin. 

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Schmerzmittel Fentany
Beschlagnahmte Opioide vom Schwarzmarkt: Diese vermeintlichen Oxycodon Tabletten enthalten in Wirklichkeit Fentanyl. Bild: picture-alliance/AP Photo/T. Farmer

Naloxon macht Opioide unwirksam

Da ein Drogen-Entzug ein langwieriger und zäher Prozess ist, versuchen die Gesundheitsbehörden nun auch einen anderen Weg, um Süchtige vor dem Tod durch eine Überdosis zu bewahren. Der Schlüssel dazu ist ein Opioid-Antagonist namens Naloxon. Dieser kann als Nasenspray verabreicht werden und das Leben eines Patienten retten.

Bei einer Opioid-Überdosis verlangsamt sich der Atem-Rhythmus, bis die Atmung schließlich komplett aussetzt. Naloxon besetzt die Opioid-Rezeptoren im Nervensystem und macht damit die Opioide im Blut unwirksam. Die Atmung kann sich langsam wieder stabilisieren und der Patient überlebt. Das gelingt indes nur, wenn das Medikament rechtzeitig verabreicht wird.

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Damit das Medikament schnell zu den Patienten kommt, hatte die US-Behörde FDA 2016 einen Wettbewerb zur Entwicklung einer Naloxon-App für das Smartphone ausgerufen. Gewonnen hatte damals ein Team der University of Southern California, deren App mit Hilfe eines Atem-Sensors, den der Patient auf der Brust trägt, und der erkennt, ob die Atmung aussetzt.

Die App schlägt dann Alarm, gibt Ersthelfern Handlungsanweisungen zur Wiederbelebung und sendet gleichzeitig Hilferufe an weitere Ersthelfer, die ständig Naloxon bei sich tragen. Dies sind neben den Rettungsdiensten etwa die Uber-Taxifahrer; sie können den Patienten schnell Naloxon erreichen.

Smartphone wird zum Atem-Sensor

Nun hat ein Team um Shyam Gollakota, der an der University of Washington in Seattle Informatik lehrt, diese Idee noch einen Schritt weiterentwickelt. Seine App kommt auch ohne den speziellen Sensor auf der Brust aus. 

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Grundlage seiner Erfindung ist eine App, die er eigentlich zur Beobachtung und Analyse der Schlaf-Apnoe entwickelt hatte. Normalerweise kommen Patienten, die unter Atemaussetzern im Schlaf leiden, in ein Schlaflabor. Dort werden sie verkabelt und müssen unter äußerst unbequemen Bedingungen eine Nacht schlafen. Seine App erspart den Patienten diese unangenehme Prozedur.

Das Smartphone sendet für den Menschen nicht wahrnehmbare Sonar-Töne aus, die den Abstand zur Brust des Patienten messen können. Wie beim Tiefenmesser eines Schiffes erkennt die App, sobald sich innerhalb eines Abstandes von einem Meter ein Brustkörper durch die Atmung hebt und senkt.

Diese typischen Atembewegungen analysiert die App und wandelt sie in eine Kurve um. Die App kann sogar die Atmung verschiedener Menschen gleichzeitig erkennen und differenzieren. 

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Versuche an Narkose-Patienten

Laut einer Studie, die Gollakota und sein Team am 9. Januar in Science Translational Medicine veröffentlicht haben, erkennt die App in 90 Prozent eine Verlangsamung der Atmung bei Patienten richtig.

Die Versuche führte der Erfinder gemeinsam mit Medizinern im Operationssaal der Universitätsklinik in Seattle durch. Die Atmung von Patienten, die vor einer Operation eine Vollnarkose erhalten, verhält sich nämlich ähnlich wie die von Opioid-Abhängigen, die eine Überdosis erleiden. So stellt die App die Verlangsamung der Atmung bereits frühzeitig fest und löst Alarm aus, bevor es zu einem Atemstillstand kommt.