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KonflikteGlobal

SIPRI: Die Atommächte rüsten weiter auf

12. Juni 2023

Die Stockholmer Friedensforscher sprechen von einer der gefährlichsten Perioden der Menschheitsgeschichte: Weltweit steige die Zahl der einsatzfähigen Atomwaffen.

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Eine russische Interkontinentalrakete startet aus ihrer Abschusseinrichtung im Kosmodrom Plessezk inmitten der Taiga
Eine russische Interkontinentalrakete des Typs Yars während einer Atomübung Bild: Russian Defense Ministry Press Service/AP/picture alliance

Das Problem ist nicht der globale Bestand an Atomsprengköpfen. Deren Zahl ist auch im vergangenen Jahr weiter gesunken - und zwar um knapp 200 auf schätzungsweise 12.512. Was den Wissenschaftlern am Friedensforschungs-Institut SIPRI große Sorgen bereitet, sind die einsatzfähigen Atomwaffen. Und deren Zahl ist von Anfang 2022 bis Anfang 2023 erstmals wieder gestiegen - und zwar um 86 auf schätzungsweise 9576.

SIPRI unterscheidet bei seinen Recherchen zwischen dem einsatzbereiten Lagerbestand und dem Gesamtbestand. Zu letzterem gehören auch ältere Atomwaffen und solche, die für den Rückbau bestimmt sind.

Es ist eine Trendwende

Der Lagerbestand bezeichne die "nutzbaren Atomwaffensprengköpfe und diese Zahlen beginnen leicht zu steigen", sagt SIPRI-Direktor Dan Smith. "Wir nähern uns dem Ende eines langen Zeitraums der weltweit zurückgehenden Zahl von Nuklearwaffen oder haben es sogar schon erreicht."

Es ist eine Trendwende, die zeitlich eher zufällig mit Russlands Krieg gegen die Ukraine zusammenfällt. Der SIPRI-Direktor verweist in Stockholm darauf, dass die steigenden Lagerbestände nicht mit dem Krieg mitten in Europa erklärt werden könnten. Denn es dauere viel länger, neue Sprengköpfe zu entwickeln. Zudem seien die Länder mit den größten Erhöhungen nicht direkt vom Krieg betroffen.

Beispiel China

Der Großteil der aktuellen Steigerung ist auf China zurückzuführen, das seinen Lagerbestand von 350 auf 410 Atomwaffensprengköpfe erhöhte. Peking hat zuletzt viel in alle Bereiche seines Militärs investiert. "Was wir sehen, ist Chinas Aufstieg zur Weltmacht, das ist die Realität unserer Zeit", sagt SIPRI-Direktor Smith.

Chinesische Dongfeng-41 Raketen werden am 1. Oktober 2019 zum ersten Mal auf einer Militärparade in Peking gezeigt
Dongfeng-41 heißen die stärksten Interkontinentalraketen, die China bisher entwickelt hat Bild: Zhang Haofu/Xinhua/picture alliance

Indien, Pakistan, Nordkorea und in einem geringeren Maße auch Russland hätten ebenfalls ihre Lagerbestände erhöht, die übrigen Atommächte behielten ihre Zahlen demnach bei. Russland und die USA verfügen nach wie vor über fast 90 Prozent aller Atomwaffen weltweit.

Eiszeit zwischen Russland und den USA

Zudem haben die diplomatischen Bemühungen zur Atomwaffenkontrolle und -abrüstung seit der russischen Invasion der Ukraine Rückschläge erlitten. So stoppte Washington seinen "bilateralen strategischen Stabilitätsdialog" mit Moskau. Und Russland hatte im Februar angekündigt, seine Beteiligung am 2010 abgeschlossenen Atomwaffen-Kontrollvertrag New Start zu beenden - laut SIPRI "der letzte verbliebene" Vertrag, der die strategischen Atomwaffen der USA und Russland beschränkt.

Zudem habe die Transparenz infolge des Ukraine-Krieges deutlich abgenommen, erklärten die schwedischen Friedensforscher. Auch die britische Regierung gebe die Zahl der Atomwaffen 2022 nicht mehr öffentlich bekannt.

SIPRI-Direktor Smith fordert, die Nukleardiplomatie wiederherzustellen und die internationalen Kontrollen von Atomwaffen zu verstärken. Er sagt: "Wir driften in eine der gefährlichsten Perioden der Menschheitsgeschichte."

rb/ack (AFP, dpa, epd)