Silvester anno dazumal
Jedes Jahr am 31. Dezember wird in Deutschland das alte Jahr verabschiedet und das neue begrüßt. Doch der Jahreswechsel wurde nicht immer an diesem Tag gefeiert. Da musste erst ein Papst kommen und das Datum festlegen.
„Na also! Das Jahr da hätten wir wieder geschafft. 365 Tage, das ist doch ein Haufen Zeug. Grund genug zum Feiern. Heut hat ja alles seine Ordnung. Es ist noch gar nicht so lange her. Ein bisschen über 2000 Jahre nur, da haben die Römer das Ende des Jahres am letzten Februar gefeiert und am 1. März feierten sie Neujahr. Erst um 200 vor Christus haben sie dann Neujahr um zwei Monate vorverlegt. Nicht wegen uns, ach wo! Wir Germanen hatten ja einen eigenen Termin, mit dem das neue Jahr anfing. Und das war Weihnachten.“
Am 31. Dezember schaut man zurück. Häufig liegt ein ereignisreiches Jahr hinter einem, ein Haufen Zeug. Doch der 31. Dezember war im westlichen Kulturraum nicht immer der letzte Tag im Jahr. Noch im Altertum, im Römischen Reich, wurde der Jahreswechsel am letzten Februartag gefeiert – mit sogenannten Feuerfesten. Nach einer Kalenderreform durch Julius Caesar begann ein neues Jahr dann am 1. Januar. Der Monatsname geht auf Janus zurück, einen der ältesten römischen Götter: Er galt als Gott allen Anfangs und der Erneuerung. Doch als das Christentum sich ausbreitete, waren nicht alle mit der römischen Regelung einverstanden. Es gab noch zwei weitere Daten, die im Rennen waren: Weihnachten als der Geburtstag Jesu und der 6. Januar als Tag der Heiligen Drei Könige. Erst im Jahr 1691 machte Papst Innozenz XII. dem Chaos ein Ende und legte den Neujahrsbeginn endgültig auf den 1. Januar fest.
Dass der letzte Tag im Jahr in Deutschland und manchen anderen europäischen Staaten „Silvester“ heißt, geht auch auf einen Papst zurück, erläutert Pfarrer Josef Emgenbroich:
„Er lebte am Beginn des 4. Jahrhunderts unserer christlichen Zeitrechnung in Rom. Das Namensfest dieses Papstes Silvester hängt mit seinem Todestag zusammen. Das ist katholischer Brauch, dass nicht der Geburtstag, abgesehen vielleicht von Jesus, das entscheidende Datum ist, sondern der Todestag.“
Dass gerade er als Namensgeber gewählt wurde, hat wohl mit seinen Verdiensten um eine Stärkung des Christentums im Römischen Reich zu tun. Papst Silvester I. starb am 31.12.335. Doch dass ein Jahreswechsel so lautstark mit Feuerwerk gefeiert wird, kam erst im Mittelalter auf – allerdings nicht immer und überall. Zu Zeiten unserer Großeltern und Urgroßeltern ging es eher ruhig und gesittet gesittet so, wie es die gesellschaftlichen Regeln, die guten Sitten, verlangen zu, so wie zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Familie der Schriftstellerin Maria Croon:
„An Silvester wurden keine Feiern wie heute gehalten, sondern die Leute saßen wohl gemütlich beisammen. Manche blieben wach bis Mitternacht und haben sich dann ein gutes neues Jahr gewünscht. Am Morgen des Neujahrstages – so war es Sitte – sind die Kinder am frühen Morgen in die Schlafkammer der Eltern gegangen und haben ihnen das neue Jahr angewünscht. Und dabei war ein Satz, den musste man immer sagen, sonst war es nicht richtig: ‚Guten Morgen im neuen Jahr. Wir wünschen euch viel Glück zum neuen Jahr, lang sollt ihr leben, glückselig sterben und den Himmel erben.' Wenn wir etwas vergessen hatten, mussten wir es wiederholen.“
Während diese Erzählung von anno dazumal anno dazumal damals; früher aus heutiger Sicht ein bisschen wie aus der Zeit gefallen aus der Zeit gefallen redensartlich für: unmodern, veraltet scheint, ähnelt das, was der saarländische Mundartdichter Leo Griebler aus der Zeit um 1920 erzählt, schon ein bisschen eher heutigem Brauchtum:
„Ein schöner Brauch ist es auch [gewesen], kurz vor zwölf im ganzen Haus das Licht zu löschen. Schlag zwölf geht dann plötzlich im ganzen Haus das Licht an: das Licht des neuen Jahres. Wenn es ab zwölf los ging, sind alle auf die Stühle gestiegen. Und wenn’s zwölf schlug, sind wir vom Stuhl hinunter gesprungen ins neue Jahr. Wenn man dann einen langen Zug getan hat, den ersten guten Schluck im neuen Jahr, dann vergehen so fünf bis zehn Minuten bis jeder jedem Glück gewünscht hat.“
Punkt Null Uhr mit einem Glas Sekt anstoßen, den ersten guten Schluck nehmen, hat die Zeit ebenso überdauert wie der Brauch des Bleigießens. Der Autor Hans Bernhard Schiff erinnert sich, wie es in seiner Kindheit war:
„Damit das Bleigießen stimmte, musste es am letzten Tag des Jahres so spät wie möglich geschehen. Es durfte kein Tageslicht, auch keine Dämmerung mehr durch das Fenster hereindringen. Das Feuer im Herd, bei dem man das Blei in einem Löffel mit hölzernem Griff schmolz, musste als Helligkeit genügen. War nun aber das Blei im Löffel geschmolzen, da muss man es rasch ins kalte Wasser stürzen und dabei ganz fest an das denken, was man sich wünschte. Da kamen dann die seltsamsten matt-silbernen Figuren heraus, und man hatte alle Mühe zu erkennen, was es war. Erkannte man es nicht, dann war es auch gut. Man hatte wieder die volle Erwartung auf seiner Seite. War es aber etwas, das man erkannte, ein Schloss, eine Burg, ein Schuh oder ein Tier, dann ging man mit der Gewissheit ins neue Jahr, dass man dergleichen begegnen würde und mehr noch: dass es einem vorherbestimmt war.“
Zum Jahreswechsel blüht auch heute noch der Aberglaube. Weil man nicht weiß, was das Schicksal mit einem vorhat, was vorherbestimmt ist, versucht man, ein bisschen Licht ins Dunkel Licht ins Dunkel bringen redensartlich für: etwas herausfinden, etwas aufklären zu bringen Licht ins Dunkel bringen redensartlich für: etwas herausfinden, etwas aufklären . Zu den Orakel Orakel, - (n.) eine Vorhersage, was in der Zukunft geschehen wird traditionen an Silvester gehört definitiv dazu, flüssiges Blei in kaltes Wasser zu gießen, obwohl heutzutage wegen der schädlichen Dämpfe des Metalls eher Zinn Zinn (n., nur Singular) ein weiches, silbriges Metall oder heißes Wachs verwendet werden. Die etwas seltsamen Figuren, die dann entstehen, werden gedeutet. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Ein Schuh könnte bedeuten, dass man forschen soll, wo ein Problem liegt, ein Paar Schuhe, einen Schritt nach dem anderen zu machen, ein Schloss könnte endlich einen Wunsch wahr werden lassen. Wer sich da nicht auf seine Deutung einer Zinnfigur verlassen will, kann es ja mal mit dem probieren, was zu der Zeit von Leo Griebler angesagt war angesagt sein modern sein; beliebt sein :
„In manchen Gegenden schälen die Mädchen in dieser Nacht einen Apfel und werfen die Schalen über die Schulter hinter sich. Dann schauen sie nach, wie die Schalen liegen und ob man Buchstaben daraus lesen kann. Dann wissen sie wenigstens, mit welchem Buchstaben der Name ihres Zukünftigen beginnt. Und wenn das nicht reicht, dann werfen sie einen Schuh hinter sich und schauen, in welche Richtung die Schuhspitze zeigt. Das ist dann die Richtung, in der ihr künftiger Schatz wohnt.“
Wem das nicht hilft, der kann an Silvester auch auf das vierblätterige Kleeblatt mit kleinem Schornsteinfeger oder ein Marzipan Marzipan, -e (n., meist Singular) eine weiche Masse, die aus fein gemahlenen Mandeln und Zucker besteht und zu Süßigkeiten verarbeitet wird schweinchen mit einem Kleeblatt oder Glückscent im Maul vertrauen – oder darauf, dass alle Wünsche wahr werden, wenn die Sektkorken in die Luft schnellen in die Luft schnellen hier: plötzlich und schnell in die Höhe bewegen . Im Begriff „Aberglaube“ steckt „Glaube der Glaube versetzt Berge redensartlich für: wenn jemand fest von etwas überzeugt ist, kann er das, was eigentlich unmöglich erscheint, auch verwirklichen “ – und der versetzt der Glaube versetzt Berge redensartlich für: wenn jemand fest von etwas überzeugt ist, kann er das, was eigentlich unmöglich erscheint, auch verwirklichen bekanntlich Berge der Glaube versetzt Berge redensartlich für: wenn jemand fest von etwas überzeugt ist, kann er das, was eigentlich unmöglich erscheint, auch verwirklichen . Heute wie damals.
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*Mit einem Beitrag von Brigitte Arleff und Originaltönen von Maria Croon, Hans Bernhard Schiff und Leo Griebler aus den 1980er Jahren
Silvester anno dazumal
gesittet — so, wie es die gesellschaftlichen Regeln, die guten Sitten, verlangen
anno dazumal — damals; früher
aus der Zeit gefallen — redensartlich für: unmodern, veraltet
Licht ins Dunkel bringen — redensartlich für: etwas herausfinden, etwas aufklären
Orakel, - (n.) — eine Vorhersage, was in der Zukunft geschehen wird
Zinn (n., nur Singular) — ein weiches, silbriges Metall
angesagt sein — modern sein; beliebt sein
Marzipan, -e (n., meist Singular) — eine weiche Masse, die aus fein gemahlenen Mandeln und Zucker besteht und zu Süßigkeiten verarbeitet wird
in die Luft schnellen — hier: plötzlich und schnell in die Höhe bewegen
der Glaube versetzt Berge — redensartlich für: wenn jemand fest von etwas überzeugt ist, kann er das, was eigentlich unmöglich erscheint, auch verwirklichen