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Sierens China: Annäherung im Windschatten

Frank Sieren11. April 2015

Der Vertrag über das Atomabkommen ist nach der Einigung noch nicht mal unterschrieben, da spielt sich der Iran wirtschaftlich schon frei und wird von China mit offenen Armen empfangen, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Lausanne Atomverhandlungen Abschlußstatement Gruppenbild
Bild: Getty Images/AFP/F. Coffrini

Für den Iran geht es derzeit vor allem um eines: So schnell wie möglich die wirtschaftliche und politische Normalität wieder herstellen. Teheran will sich nun endlich aus der Umklammerung der Sanktionsländer lösen. Innerhalb der 5+1-Gruppe, die mit dem Iran den Atomvertrag verhandelt hat, sind die Chinesen neben den Russen am offensten für den Versuch Irans, sich wieder freizuspielen. Vor allem Peking geht es um Bodenschätze und enge politische Beziehungen mit einer Nation im Nahen und Mittleren Osten, ohne deren Einfluss nichts geht.

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DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Die Amerikaner machen es Peking derzeit einfach, sich als verlässlicher Partner zu präsentieren. Denn Washington ist dabei, sich im Jemen in einen neuen Stellvertreter-Krieg zu verheddern. Die Amerikaner unterstützten die sunnitischen Saudis militärisch in ihrem Kampf gegen die schiitischen Rebellen in Jemen. Die wiederum werden von Iran unterstützt. England und Frankreich stehen treu zu den USA und Saudi Arabien. Deutschland ist hin- und hergerissen. Berlin will die amerikanische Aktion nicht offen kritisieren, ist aber sehr skeptisch, dass Gewalt von außen eine Lösung bringt.

Peking wünscht sich engeres Verhältnis zum Iran

Die Chancen für China, wieder ein engeres Verhältnis zum Iran aufzubauen, stehen also in dieser Machtkonstellation sehr gut. 2010 hat Peking seine Investitionen in Milliardenhöhe im Iran eingeschränkt, ohne sich an den westlichen Sanktionen zu beteiligen. Die chinesische Regierung hielt es damals für klüger, sich nicht offen gegen die westliche Allianz zu stellen. Peking hat immer die Position vertreten, dass Verhandlungen mit dem Iran besser sind als Sanktionen. Inzwischen teilt in den USA zumindest Präsident Barack Obama die Position der Chinesen. Die mächtige republikanische Opposition hält jedoch dagegen. Die Falken wollen durch die militärische Unterstützung der Saudis den Iran provozieren und damit den Annäherungskurs Obamas diskreditieren.

Währenddessen reiste eine iranische Delegation unter Leitung von Ölminister Bijan Zanganeh diese Woche nach Peking. Während der Westen wie gebannt auf den Jemen schaut, will der Iran die Wirtschaftskooperationen mit China so schnell wie möglich wieder hochfahren. Auch in dieser Woche hat Peking Teheran als Mitglied der chinesischen Entwicklungsbank AIIB aufgenommen, gegen die die Amerikaner erbittert gekämpft hatten. Bereits im vergangenen Jahr noch während der Atomvertragsverhandlungen hat Peking deutliche Zeichen in Richtung Iran gesetzt.

Öl- und Gasprojekte sollen ausgebaut werden

China – sowieso schon der größte Öl-Kunde des Iran – hat 2014 30 Prozent mehr Öl gekauft als im Jahr zuvor. Das sind zwölf Prozent des jährlichen Ölbedarf Chinas. Die Ölimporte aus Saudi Arabien sind hingegen um rund acht Prozent zurückgegangen. Dennoch ist es Peking gelungen, auch zu den Saudis sehr gute Beziehungen aufrechtzuerhalten. Peking will nun auch die von chinesischen Unternehmen finanzierten Öl- und Gasprojekte im Iran wieder aufnehmen und noch weiter ausbauen. Diese neue Energie-Allianz soll dem Iran dazu verhelfen, im Ölgeschäft so schnell wie möglich wieder auf den neuesten Stand der Technik zu kommen. China ist bereits der größte Investor in Irans Ölgeschäfte. Die deutsche Wirtschaft sieht das mit Sorge. Während die Exporte deutscher Maschinen in den Iran seit 2006 um 75 Prozent eingebrochen sind, hat China seine Exporte vervierfacht und sich seit 2011 dennoch zurückgehalten.

Nun ist die Zeit der Zurückhaltung zu Ende. Peking spielt dabei auf Risiko. Jemen und der Atomvertrag sind weiterhin die beiden großen Unbekannten in dem Spiel. Peking setzt darauf, dass – selbst wenn Jemen sich zuspitzt und die Umsetzung des Atomvertrags scheitert – die westliche Front nicht mehr so geschlossen gegen den Iran steht wie zuvor. Dann wäre der Spielraum für einen chinesisch ausbalancierten Sonderweg im Nahen Osten da. Immer wichtiger wird dabei die Frage, wie sich die Deutschen dazu verhalten.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.