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Seltenes Massenschlüpfen: USA erwarten Milliarden Zikaden

Sophia Wagner
Veröffentlicht 28. Mai 2020Zuletzt aktualisiert 30. Januar 2024

Dass zwei Zikaden-Völker gleichzeitig schlüpfen, gab es zuletzt vor 221 Jahren. Die meiste Zeit verbringen periodische Zikaden unter der Erde. Erst kurz vor ihrem Tod kommen sie für Sex und Gesang ans Tageslicht.

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USA 17-Jahres Zikade
Eine Zikade schlüpft aus ihrer alten LarvenhautBild: picture-alliance/dpa/T. Maury

Wahrscheinlich Ende April dieses Jahres beginnt das gigantische Massenschlüpfen. Denn dann überschneiden sich die Geburtszyklen der Great-Southern-Brut (Brut XIX), die alle 13 Jahre schlüpft, mit der Northern-Illinois-Brut (Brut XIII), die alle 17 Jahre für Sex und Gesang ans Tageslicht kommt. Als Brut wird eine Gruppe von Zikaden bezeichnet, die einer Art angehören und zeitgleich schlüpfen.

In 16 Bundesstaaten im Südosten und im Mittleren Westen der USA werden bei diesem seltenen Naturspektakel mehrere hundert Milliarden Zikaden das Licht der Welt erblicken. Zuletzt ereignete sich ein solches Massenschlüpfen vor 221 Jahren.

Das Ziel: Fortpflanzung

Jahrelang graben sich die Larven der periodischen Zikaden (Magicicada) durch den Boden. In 20 bis 30 Zentimetern Tiefe ernähren sie sich von Wurzeln, die sie anstechen und aussaugen. Im Boden wachsen die Larven und häuten sich dabei mehrmals, bis sie das finale Larvenstadium erreicht haben.

Jetzt krabbeln sie zur Oberfläche, schlüpfen aus dem Boden, suchen sich einen Zweig oder Ast, wo sie sich ein letztes Mal häuten können. Wenn ihr Außenskelett ausgehärtet ist, beginnt die Partnersuche. Nach ihrer letzten Häutung über der Erde sind die Zikaden geschlechtsreife Vollinsekten. Sie sind zwei bis drei Zentimeter lang, haben einen schwarzen Körper, mit großen roten Glubschaugen, orangefarbenen Beinen und durchsichtigen Flügeln.

Beim diesjährigen Zusammentreffen der beiden Geburtszyklen blicken die US-Forschenden vor allem auf das nördliche Illinois, wo sich die beiden Bruten besonders überlappen. Sollten sich dort Individuen aus verschiedenen Bruten kreuzen, könnte so eine neue Population mit einem anderen Lebenszyklus entstehen.

USA | Forschung | 17-Jahres-Zikade
Kurz nach ihrer letzten Häutung sind die erwachsenen Zikaden noch recht blassBild: Scott Campbell, Kansas Biological Survey, University of Kansas

Ohrenbetäubender Gesang

Die Männchen besitzen außerdem ein Trommelorgan im Hinterleib, das sie in Schwingung bringen können. Die Schwingungen werden über Hohlräume im Körper verstärkt und produzieren so den typischen "Zikaden-Gesang”. Was auf Zikaden-Weibchen äußerst anregend wirkt, ist für menschliche Ohren teilweise nur schwer zu ertragen. Vor allem, weil sich die Männchen der Periodischen Zikaden gerne in Gruppen zusammentun, um gemeinsam im Chor zu singen.

Abgesehen von der Lärmbelästigung und eventuell damit verbunden Kopfschmerzen, sind die Zikaden aber weder für Menschen noch für Tiere gefährlich. Und auch der Krach ist nur von kurzer Dauer: Nach einigen Wochen der Balz und der Paarung legen die Weibchen ihre Eier mit einem sogenannten Legebohrer in kleine Zweige und sterben danach. Die Männchen sind zu diesem Zeitpunkt bereits tot - sie haben direkt nach dem Sex ausgedient.

Nach wenigen Wochen schlüpfen aus den Eiern die Jungtiere, sogenannte Nymphen, die sich ebenfalls in den Boden eingraben und dort je nachdem 13 oder 17 Jahre lang verbringen, bis ihre Zeit gekommen ist.

Koordiniert Bodentemperatur Massenschlüpfen?

Erreicht die Temperatur des Bodens in 20 bis 30 Zentimetern Tiefe 17 Grad Celsius oder mehr, machen sich die Larven auf den Weg zur Oberfläche. Wieso das nur alle 13 beziehungsweise 17 Jahre passiert, ist aber nicht klar. Eine verbreitete Hypothese ist, dass die Insekten auf diese Weise Fressfeinden ausweichen.

13 und 17 sind Primzahlen, die sich nur durch 1 und sich selbst teilen lassen. Die meisten anderen Tiere haben regelmäßigere Fortpflanzungszyklen von zum Beispiel zwei, vier oder sechs Jahren.

USA | Forschung | 17-Jahres-Zikade
Schwarzer Körper, rote Augen - die Zikade ist erwachsenBild: Scott Campbell, Kansas Biological Survey, University of Kansas

Zyklus als Schutz vor Fressfeinden

Hätten die Zikaden einen Lebenszyklus von zwölf Jahren, würden sie all diesen Tieren ein Festmahl bieten. Die Massenzusammenkunft von geschlechtsreifen Tieren ist zwar einerseits eine ideale Voraussetzung für die Fortpflanzung der Zikaden, andererseits aber auch ein unwiderstehliches All-you-can-eat-Angebot für alle Insektenfresser.

Auch wenn Zikaden äußerlich den Heuschrecken ähneln und mit ihrem millionenschweren Auftreten an die achte Plage in der Bibel erinnern, eine enge Verwandtschaft besteht nicht. Im Vergleich zu Wanderheuschrecken ist auch der Schaden an der Vegetation nur gering. Vielmehr liefern die abgestorbenen Zikaden dem Boden bei ihrer Zersetzung wichtige Nährstoffe.

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 28. Mai 2020 veröffentlicht. Er wurde am 30. Januar 2024 aktualisiert.