1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Selesnjow und zwei Ausschussvorsitzende der Staatsduma aus Kommunistischer Partei Russlands ausgeschlossen

27. Mai 2002

– Droht der KPRF die Spaltung?

https://p.dw.com/p/2M8k

Köln, 27.5.2002, NESAWISSIMAJA GASETA, russ., Anna Sakatnowa

Es sieht so aus, als ob die inneren Probleme der Kommunisten zur echten Spaltung der Partei führen könnten. Bei einem am Samstag (25.5.) in Moskau abgehaltenen außerordentlichen Plenum des ZK der KPRF wurden Gennadij Selesnjow, Swetlana Gorjatschewa und Nikolaj Gubenko wegen mangelnder Parteidisziplin aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Sie alle hatten sich entgegen einem Beschluss des vorausgegangenen Plenums geweigert, ihre Ämter in der Staatsduma niederzulegen (Duma-Vorsitzender und zwei Ausschussvorsitzende). Ungeachtet der Tatsache, dass die Linie von Gennadij Sjuganow siegte, sind die Abstimmungsergebnisse über alle drei Kandidaturen mehr als unerfreulich: fast 40 Prozent der ZK-Mitglieder enthielten sich ihrer Stimme oder sprachen sich gegen den Ausschluss von Gorjatschewa und Gubenko aus der Partei aus, die Zahl der Gegner des Ausschlusses von Selesnjow stieg von 14 auf 25 Personen. Im ZK formiert sich praktisch eine geheime Opposition, die nicht nur mit den Kaderbeschlüssen der ersten "Troika" (Gennadij Sjuganow und zwei seiner Stellvertreter – Walentin Kupzow und Iwan Melnikow), sondern dem politischen Kurs der Partei insgesamt unzufrieden ist. Allein mit Ausschlüssen ist das Problem der Unzufriedenen nicht zu lösen.

Wie das Schicksal es wollte, mussten auf dem Plenum eben diejenigen leiden, die besonders genau der traditionellen Parteilinie folgten. Zur Erinnerung: seit etwa 1995 begründeten die KPRF-Führer ihre Zusammenarbeit mit den Machthabern mit einer ganz schlauen ideologischen Konstruktion. Die Kommunisten blieben in der "unversöhnlichen" Opposition, schlossen jedoch die Möglichkeit nicht aus, zum Schutz der Interessen ihrer Wähler "konstruktiv" mit den Machtorganen zusammenzuarbeiten. Auf dieser Welle der Kooperation kontrollierten die Kommunisten die größten Dumaausschüsse, und Gennadij Selesnjow wurde zu einem Politiker von föderalem Maßstab, gehört zu den ersten "Fünf" offiziellen Persönlichkeiten des Staates.

Die "unversöhnliche konstruktive Opposition" existierte bis 2001, als die Führung der mit der neuen Politik von Wladimir Putin unzufriedenen Kommunistischen Partei diese Wortverbindung auf "unversöhnliche Opposition" kürzte. Eben damals begann Gennadij Sjuganow damit, seine Partei in die politische Sackgasse zu führen, in der sich seine Genossen letzten Samstag wieder fanden. Alle drei Verbannten folgten weiterhin – bewusst oder aus Gewohnheit – dem alten Kurs auf Zusammenarbeit mit der Macht und sind bestraft worden, weil sie veralteten Richtlinien folgten. Dabei hat die KPRF-Führung ihren Genossen doch gar keine neue politische Perspektive vorgeschlagen. Als Ergebnis der Umsetzung des Kurses von Sjuganow ist die KPRF praktisch aus der föderalen Politik verbannt worden, da die sogenannten "roten" Gouverneure unter der derzeitigen Abhängigkeit der Subjekte der Föderation vom Zentrum eine mehr als schwache Stütze der Einflussnahme auf die Macht sind. Diese Gouverneure kritisieren übrigens die ZK-Führung ebenfalls und stellten beim letzten Kongress sogar die Frage über die Auswechslung des Vorsitzenden.

Es gibt allen Grund anzunehmen, dass eben dieses Problem in der nächsten Zeit zum akutesten bei der KPRF werden könnte. Um so mehr, da die von den drei Verbannten abgegebenen Erklärungen davon zeugen, dass der Verlust des Parteibuches noch nicht bedeutet, dass sie nicht mehr an ihrer politischen Karriere an der linken Flanke arbeiten werden. Selesnjow, Gorjatschewa und Gubenko genießen in der Partei hohes Ansehen. (...) Der Verlust dieser drei Mitglieder schadet nicht nur dem Image der Partei, er bedeutet auch eine ernste Umverteilung der Einflusssphären im Parlament. Die zentristischen Fraktionen in der Duma haben bereits erklärt, sie seien bereit, Selesnjow und Gorjatschewa als unabhängige Abgeordnete zu unterstützen. Gennadij Rajkow (Vorsitzender der Gruppe "Volksabgeordneter" – MD) hat Selesnjow bereits vorgeschlagen, Mitglied der Volkspartei der Russischen Föderation zu werden. Gut informierte Quellen der Kreml-Administration beeilten sich zu erklären, dass sie keine andere Kandidatur für das Amt des Vorsitzenden sehen. Um der Gerechtigkeit willen muss andererseits unterstrichen werden, dass Sjuganow auf das Benehmen der "politisch entarteten Elemente" Selesnjow, Gorjatschewa und Gubenko reagieren musste, weil sonst Zweifel hochkämen, was seine Fähigkeit betrifft, die KPRF im Zaume zu halten.

Gennadij Selesnjow bezeichnete den Beschluss des Plenums als "groben Fehler, vielleicht sogar tragischen" und unterstrich, dass er sogar "als Parteiloser weiterhin einfache Leute, Kommunisten, unterstützen wird". Swetlana Gorjatschewa war darüber verwundert, dass "unter dem Druck, zu dem es gekommen war", so viele ZK-Mitglieder für und nicht gegen die drei stimmten. (...) Nikolaj Gubenko ist der Ansicht, dass "die Partei den Beschluss gefasst hat, zu dem sie herangereift war".

Das Ausmaß des Pyrrhussieges begreift man auch beim ZK, obwohl Sjuganow jegliche Gerüchte dementiert und erklärt hat, dass "es zu keiner Spaltung kommen wird". Gleichzeitig äußerte er Bedauern über das Schicksal seiner ehemaligen Genossen und unterstrich, dass sie im Laufe von zwei Monaten wegen ihres Ausschlusses den KPRF-Kongress anrufen können. Ihre Mitgliedschaft in der Partei könnten sie jedoch, so der Vorsitzende der Kommunistischen Partei, gemäß dem Statut erst in einem Jahr wieder herstellen. Eigentlich gab der Vorsitzende der Kommunistischen Partei damit eindeutig zu verstehen, dass die KPRF bereit sein wird, sich im Vorfeld des Wahlkampfes mit ihren verlorenen Söhnen und der Tochter zu vereinigen. Im Moment sieht es jedoch so aus, als ob es nie zu solch einem Kompromiss kommen würde. (lr)