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Seit drei Wochen im Hungerstreik

13. August 2010

Der Palästinenser Firas Maraghy fordert, dass seine deutsche Frau und seine Tochter mit ihm in Ostjerusalem leben dürfen. Doch Israel weigert sich, seine Ehe anzuerkennen und sein Kind in seine Papiere einzutragen.

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Der hungerstreikende Firas Maraghy (Foto: DW)
Firas Maraghy: Seit drei Wochen nur Wasser und ZigarettenBild: DW

Seit drei Wochen ist Firas Maraghy nun schon im Hungerstreik. Er sitzt gegenüber der israelischen Botschaft in Berlin auf einem Campingstuhl, eine Flasche Wasser und ein Päckchen Zigaretten sind seine einzige Nahrung. Er ist schmaler geworden in diesen Tagen, schwarze Bartstoppeln bedecken den unteren Teil seines Gesichtes. Er sieht müde aus, aber auf die besorgte Frage nach seinem Wohlergehen lacht er nur leise. "Mir geht es gut", sagt er, "ich fühle mich stark und kann noch zwanzig Tage durchhalten."

Seine Frau Wiebke Diehl dagegen ist besorgt. Mit dem Töchterchen Zeinab im Arm steht die deutsche Studentin der Islamwissenschaft auf dem Bürgersteig vor der Botschaft und betrachtet ihren Mann, der von Sympathisanten umringt ist, die ihm die Hand schütteln und ihm ermutigend auf die Schulter klopfen. "Ich weiß nicht, wie lange er es durchhalten kann", sagt sie. Natürlich mache sie sich Sorgen, aber der Arzt, der ihren Mann während seines Hungerstreiks betreue, habe ihm attestiert, dass sein Gesundheitszustand noch stabil sei.

Es geht um die Tochter

Der Palästinenser Firas Maraghy hält sein Baby im Arm und streichelt ihm den Kopf vor der israelischen Botschaft in Berlin (Foto: DW)
Firas Maraghy mit Tochter vor der israelischen Botschaft in BerlinBild: DW

Das Baby mit den runden blauen Augen streckt die Hände nach seinem Vater aus, der es in den Arm nimmt und liebevoll an sich drückt. Um sie geht es, die kleine Tochter des Palästinensers Firas Maraghy und seiner deutschen Frau Wiebke. Vor inzwischen acht Monaten wurde sie geboren, doch die israelische Botschaft weigert sich, das Kind in die Reisedokumente des Vaters einzutragen.

Einen Pass besitzt Firas Maraghy nicht, denn als Palästinenser aus dem besetzten Ostjerusalem ist er staatenlos. Er hat lediglich eine israelische Identitätskarte und von Israel ausgestellte Reisedokumente. Aber auch die könnte er verlieren, wenn er zu lange außerhalb seiner Heimatstadt lebt, erklärt Michal Kaiser-Livne, eine in Deutschland lebende Israelin. Denn der Staat Israel habe Ostjerusalem im Jahr 1967 erobert und annektiert. Gleichzeitig habe er die palästinensische Bevölkerung der Stadt ihrer Rechte beraubt. Für sie gelte nun: wenn sie sich sieben Jahre außerhalb ihrer Heimat aufhielten, zum Beispiel um zu studieren oder um zu arbeiten, verlören sie ihre Rechte und könnten nicht in ihre Stadt zurückkehren. Sie dagegen, die israelische Jüdin, die schon mehr als 25 Jahre im Ausland lebe, könne jederzeit zurückkehren.

Eine palästinensische Frau sitzt neben einem Zelt im palästinensischen Viertel Silwan in Ostjerusalem, wo die israelischen Behörden zuvor ihr Haus niedergerissen haben (Foto: AP)
Ein Zelt im Stadtviertel Silwan, hier wurde das Haus eines Palästinensers zerstörtBild: AP

Überdies versuche die israelische Regierung nun, die Palästinenser von Ostjerusalem gänzlich aus der Stadt zu verdrängen, sagt Kaiser-Livne. So würden beispielsweise Palästinenser aus ihren Häusern im arabischen Stadtviertel Sheikh Jarrah vertrieben und an ihrer Stelle Juden angesiedelt. Und im Viertel Silwan in der Nähe der Altstadt würden Häuser von Palästinensern niedergerissen, um dort einen archäologischen Park anzulegen.

"Die Jüdische Stimme" protestiert für Maraghy

Firas Maraghy stammt aus dem Viertel Silwan, und Michal Kaiser-Livneh ist zu ihm vor die israelische Botschaft gekommen, um seinen Kampf zu unterstützen. Sie ist Mitglied im Verein "Die jüdische Stimme für einen gerechten Frieden im Nahen Osten", der zu einer Solidaritätskundgebung für Firas Maraghy aufgerufen hat. Auch Sylvia Finzi gehört der jüdischen Stimme an. Und auch sie empört sich darüber, dass sie, als deutsche Jüdin, in Israel mehr Rechte hat als ein Palästinenser, der in Ostjerusalem geboren wurde und seit 1967 unter israelischer Besatzung lebt. "Meine Familie hat seit mindestens 2000 Jahren nichts mit Israel zu tun", sagt sie. Die Familie Maraghys dagegen lebe seit mindestens 150 Jahren in der Stadt, die Israel zu seiner Hauptstadt erklärt hat.

Die "jüdische Stimme" hat zur Solidaritätskundgebung mit Firas Maraghy aufgerufen und rund 70 Demonstranten sind vor die israelische Botschaft im feinen Berliner Villenviertel Schmargendorf gekommen. Deutsche, Palästinenser und Israelis, die Schilder hochhalten, auf denen sie ein Ende der Besatzung und gleiche Rechte für die Palästinenser in Ostjerusalem fordern. Es sei unmenschlich, Maraghy vor die Alternative Heimat oder Familie zu stellen, kritisieren sie. Denn wenn Firas Maraghy seine Rechte in Ostjerusalem nicht durch Abwesenheit verlieren will, muss er in seine Heimatstadt zurückkehren. Seine Frau und seine Tochter könnte er jedoch nicht mitnehmen, denn Israel weigert sich nicht nur, seine Tochter in seine Papiere einzutragen. Das Innenministerium hat auch seine Ehe mit der Deutschen nicht anerkannt. Maraghy müsste also wählen zwischen seiner Familie und seiner Heimat.

Der Felsendom in Jerusalem, im Hintergrund die Grabeskirche (Foto: Berthold Werner)
Jerusalem mit Felsendom und GrabeskircheBild: Berthold Werner

Unterstützung aus Israel

Für den israelischen Friedensaktivisten Reuven Moskowitz ist dies eine unerträgliche Vorstellung. "Das Leben der Palästinenser insbesondere nach dem Sechstagekrieg ist eine dauerhafte Schikane, eine Schikane nach der anderen", sagt er. Der 83-jährige Holocaust-Überlebende Moskovitz stammt aus Rumänien. 1947 wanderte er nach Palästina aus und war dort einer der Mitbegründer des einzigen arabisch-jüdischen Gemeinschaftsdorfes Neve Shalom.

Moskovitz gehört zu den schärfsten Kritikern der israelischen Politik. Auch hier, vor der israelischen Botschaft in Berlin macht er aus seiner Meinung keinen Hehl. Der jüdische Staat sei ein einmaliges Wunder der Geschichte gewesen, doch er entwickle sich immer mehr vom Traum zum Alptraum, sagt Moskovitz, zieht seine Mundharmonika aus der Tasche und stimmt den Kanon "Dona nobis pacem" an: "Gib uns Frieden". Dann umarmt er den hungerstreikenden Palästinenser und wünscht ihm Kraft und Glück.

Autorin: Bettina Marx

Redaktion: Sven Töniges