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Regierungsbildung im Kosovo

17. Februar 2011

Die Demokratische Partei Kosovos (PDK) von Premierminister Hashim Thaci hat bei den Parlamentswahlen gewonnen. Dennoch braucht sie mindestens zwei Koalitionspartner zum Regieren. Die zu finden, gestaltet sich schwierig.

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Regierungsgebäude in Pristina, (Foto: Emil Popov)
Harte Koalitonsverhandlungen im KosovoBild: Emil Popov

Der wegen Verdachts auf Verstrickungen in kriminelle Machenschaften unter Druck geratene Premierminister Hashim Thaci und seine Partei müssen für eine Regierungsbildung Kompromisse eingehen. Vor den Wahlen im Dezember 2010 hätten sie dies noch für unmöglich gehalten. Doch da war auch der Bericht von Dick Marty an den Europarat noch nicht veröffentlicht. Darin wird Thaci als "Mafiaboss" und Anführer einer kriminellen Vereinigung bezeichnet, der in Verbrechen und illegalen Handel mit Organen serbischer und anderer Kriegsgefangener während des Kosovo-Krieges 1999 verwickelt sein sollte.

Ein Kompromiss ist, dass nicht der Kandidat von Thaci und seiner Partei, der amtierende Präsident Jakup Krasniqi, neuer Staatschef des Kosovo werden soll. Denn der künftige Koalitionspartner Behgjet Pacolli will diesen Posten für sich. Krasniqi trug die Entscheidung mit Fassung, obwohl seine Partei ihm versprochen hatte, ihn als Kandidaten für den Posten des Präsidenten unterstützen zu wollen. "Nein, ich fühle mich nicht verraten. Die Koalitionsverhandlungen und die Koalitionen verlangen einige Kompromisse und dieses Mal bin ich ein Opfer der Kompromisse", sagte er.

Zünglein an der Waage

Waage auf einer Hand (Foto: PictureAlliance / Creasource)
Kleine Partei und große ForderungenBild: picture-alliance / Creasource

Pacolli und seine Allianz Neues Kosovo (AKR), die bei den vergangenen Wahlen nur acht von insgesamt 120 Parlamentssitzen gewonnen hatte, konnte hoch pokern. Denn der bisherige Koalitionspartner der PDK, die Demokratische Liga Kosovos (LDK), hatte schon vor den Wahlen eine Neuauflage der Koalition mit Thaci ausgeschlossen. Die Bürgerbewegung "Vetvendosja" (Selbstbestimmung) ist derzeit wegen ihrer radikalen Forderungen, wie etwa der Vereinigung von Kosovo und Albanien, für keine der großen Parteien als Partner akzeptabel.

Als am Ende auch die Allianz für die Zukunft Kosovos (AAK) forderte, dass der amtierende Premierminister sein Amt niederlegt, blieben Pacollis AKR und 22 von insgesamt 25 Abgeordneten der Minderheiten, die mit Thaci zusammenarbeiten wollen, die einzige Möglichkeit für die PDK, eine Mehrheit zu sichern. Der stellvertretende Vorsitzende der AKR, Ibrahim Makolli, äußerte sich in einem Interview mit der Deutschen Welle zufrieden: "Nachdem die PDK zugestimmt hat, dass das Amt des Präsidenten uns gehört, können wir in den nächsten Tagen über die Verteilung der Ministerposten reden."

Auch hier pokert die AKR hoch und verlangt einige der wichtigsten von insgesamt 16 Ministerien in der kosovarischen Regierung. "Wir werden auf jeden Fall verlangen, dass wir direkten Einfluss auf die Wirtschaft bekommen. Uns interessieren auch das Außenministerium sowie die Ressorts, die mit Gesundheit und Sicherheit zu tun haben."

Vom Geschäftsmann zum Politiker

Porträt von Behgjet Pacolli (Foto: dpa)
Millionär mit politischen Ambitionen: Behgjet PacolliBild: picture-alliance / dpa

Ob die AKR auch hier gewinnen wird, ist für viele Beobachter mehr als fraglich. Klar ist jedoch, dass sich die internationale Gemeinschaft, unter deren Verwaltung das Kosovo steht, nicht direkt in die Bildung der neuen Regierung einmischen möchte. Das bestätigte der Pressesprecher des International Civilian Office (ICO), Andy McGuffie: "Unsere Angelegenheiten haben nur mit den kosovarischen politischen Parteien und mit einem bestimmten Verfahren für die Bildung der Institutionen zu tun. Das ICO wird sich bei der Bildung der Kosovo-Regierung nicht einmischen."

Viele Analysten glauben das jedoch nicht. Der Grund dafür ist Pacolli. Der künftige Präsident gilt als "russophil". Als einer der reichsten Kosovaren hat er einen großen Teil seines Vermögens in Russland und Kasachstan verdient. Vor einigen Jahren gab es auch Vorwürfe, dass er in Korruptionsaffären in Russland verwickelt sei, wo er als ein "guter Freund" des ehemaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin galt. Eines der Lieblingsthemen der Presse im Kosovo ist seit Tagen die Frage, ob Maria Pacolli die künftige erste Dame des Kosovo sein wird. Die 33-jährige "Mascha" wurde im russischen Sankt Petersburg geboren. Dies ist Anlass genug für viele Medien im Kosovo, die Frage zu stellen, ob eine Russin wirklich geeignet ist, die First Lady des Kosovo zu werden? Für so manchen Kosovo-Albaner ist diese Nähe zu Russland bedenklich, weil Moskau sich in politischen Fragen an die Seite Serbiens stellt. Auch in der Frage der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo unterstützt Russland die serbische Position und hat die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkannt.

Analysten stellen dagegen eine andere Frage: Wie lange wird sich diese Koalition mit nur 63 Stimmen im Parlament halten? Halil Matoshi meint: nicht lange. "Nach unseren Analysen wird Thaci in einer zweiten Amtszeit eine sehr starke Opposition gegen sich haben und mit zahlreichen Problemen konfrontiert werden. Diese Koalition wird nicht länger als sechs Monate oder ein Jahr bestehen. Danach werden wir im Kosovo vorgezogene Neuwahlen haben." Die Regierung wird demnach einer starken und kämpferischen Opposition gegenüberstehen.

Und die Herausforderungen sind sehr groß: Sie muss der schlechten wirtschaftlichen Lage Herr werden. Des Weiteren soll der Dialog mit Serbien aufgenommen werden, um über die so genannten "technischen Fragen" zu verhandeln - über praktische Dinge wie Nachbarschaftsfragen oder Anliegen der serbischen Minderheit, die zwischen Belgrad und Pristina geklärt werden müssen. Und das sind nur zwei der brennenden Themen. Am 17. Februar 2011 ist der dritte Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung. Am 21. Februar wird das Parlament konstituiert. Spätestens bis dann muss unter den Koalitionspartnern klar geworden sein, wer welche Rolle in der Regierung spielen wird. Aber für wie lange?

Autor: Bahri Cani

Redaktion: Mirjana Dikic / Julia Kuckelkorn