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Noch kein Mittel gegen Cyber-Dschihadisten

Peter Hille9. April 2015

Nach dem Hacker-Angriff fährt TV5 Monde langsam wieder sein Programm hoch. Die französische Regierung will nun Cyber-Terroristen stärker bekämpfen. Doch Experten meinen: dafür bräuchte es ein komplett neues Internet.

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Polizist vor der Zentrale von TV5 Monde in Paris (Photo: REUTERS/Benoit Tessier)
Bild: Reuters/B. Tessier

Ein Portrait des Designers Alexandre Vauthier und ein Besuch bei den Juwelieren von der Place Vendôme – das hätten die Zuschauer in der ersten Ausgabe von "Trends XXI" im Kanal Style HD auf TV5 Monde heute sehen sollen. Stattdessen sahen sie: nichts.

Denn stundenlang lief gar nichts auf den elf Kanälen von TV5 Monde. Der französischsprachige Sender, betrieben von öffentlich-rechtlichen Anstalten aus Frankreich, Belgien, Kanada und der Schweiz, zeigte in der Nacht auf Donnerstag stundenlang Schwarzbild, später Sendungen aus dem Archiv. Hacker waren in die Computersysteme von TV5 eingedrungen und hatten die Regie übernommen. Mittlerweile ist die Webseite des Senders wieder erreichbar, auch ein eingeschränktes Fernsehprogramm wird ausgestrahlt.

Zielgerichteter Angriff

Dass man mit solch einem Angriff bei TV5 Monde nicht gerechnet hatte, zeigt die Reaktion des Senderchefs: "Wir haben eine Firewall und andere Sicherheitssysteme die stark sind, das wurde uns erst vor wenigen Wochen bestätigt", sagte Yves Bigot, Intendant von TV5 Monde. "Deshalb muss es sich hier um einen wirklich schwerwiegenden Angriff gehandelt haben, der sehr zielgerichtet war."

gehackte Facebook-Seite von TV5 Monde (Photo: REUTERS/Christian Hartmann)
Mutmaßliche Dschihadisten hatten auch die Facebook-Seiten von TV5 Monde unter ihre Kontrolle gebracht.Bild: Reuters/C. Hartmann

IT-Experten bestätigen diese Einschätzung, auch wenn die Untersuchungen in den Pariser Studios von TV5 Monde noch lange nicht abgeschlossen sind. Angriffe wie die Attacke auf TV5 Monde könnten sich häufen, sagt Matthias Rosche, IT-Spezialist bei der NTT Com Security: "Wir sehen, dass die Absicherungen im Bereich der Industrie schwächer sind als im Bereich der IT-Wirtschaft." Zudem würden die Systeme zunehmend mit Internetverbindungen ausgerüstet aus Gründen der Fernwartung. "Damit droht nicht nur Gefahr für die Kommunikation und das System, wie wir das aus der Büro-IT kennen, sondern unter Umständen sogar Gefahr für Leib und Leben."

Politisch motiviert

Denn auch U-Bahnsysteme, die öffentliche Wasserversorgung oder Flughäfen sind über das Internet vernetzt und damit angreifbar. "Das sind neue Szenarien, auf die wir uns einstellen müssen", so Rosche. Im Falle von TV5 Monde seien die Hacker offensichtlich tief in die Produktionsabläufe eingedrungen. "Hier hatte man sogar Zugriff zu Systemen, die für den Sendebetrieb wichtig sind. Bisher hatten wir in diesem Bereich nur Angriffe auf Youtube- oder Twitter-Konten sowie Änderungen von Webseiten." Das alles sei übers Internet machbar, wenn entsprechende Sicherheitsvorkehrungen fehlten.

Die Intensität des Angriffs sei jedoch nicht das einzig Überraschende, sagt Rosche: "Dieser Angriff hat eine neue Qualität dadurch, dass er politisch motiviert ist." Denn die Hacker posteten islamistische Parolen auf den Social-Media-Diensten von TV5 Monde. Grund genug für Kultus-, Außen- und Innenminister, mit einem Besuch bei TV5 Monde ihre Solidarität zu zeigen.

Gewaltige Mittel

"Wir haben es mit entschlossenen Terroristen zu tun und sind ebenso entschlossen, sie zu bekämpfen", sagte Innenminister Bernard Cazeneuve vor laufenden Fernsehkameras am Haupteingang des Senders. Die Terroristen verfügten über gewaltige Mittel, an die man sich permanent anpassen müsse. "Das machen wir ohne Unterlass; wir nutzen alle Mittel, die es braucht, um solche Angriffe zu verhindern." Cazeneuve verwies darauf, dass die französische Regierung den Kampf gegen Cyberkriminalität verstärken werde.

Zentrale von TV5 Monde in Paris (Photo: PIERRE VERDY/AFP/Getty Images)
Die Zentrale von TV5 Monde in Paris.Bild: Getty Images

Wirkliche Cybersicherheit herzustellen sei jedoch fast unmöglich, sagt Haya Shulman, die an der Technischen Universität Darmstadt zum Thema IT-Sicherheit forscht. Die grundlegenden Internetprotokolle, die Basis des weltweiten Netzes, seien anfällig für Attacken. "Es ist sehr schwierig, dieses System zu ändern oder mit Verteidigungsmauern zu sichern; das würde viel Aufwand und Kosten bedeuten." Diese scheuten die meisten Firmen und Institutionen. Und selbst wenn einzelne Punkte im Netz gesichert seien, entscheidend für Angriffe sei stets das schwächste Glied in der Kette. "Deshalb müssen die Regierungen tätig werden und Cybersicherheit von oben herab verordnen", so Shulman. "In den USA oder in Israel ist man da schon weiter als in Europa."