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Schulden hemmen Industriestaaten

21. Juli 2010

Auf die Finanz- und Wirtschaftskrise folgte die Schuldenkrise, doch diesmal nicht in allen Teilen der Welt. Die weniger verschuldeten Schwellenländer werden schneller aufholen als vor der Krise vermutet wurde.

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Schild mit der Schrift "Schulden" (Foto: BilderBox)
Schulden: Ab 90 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung wird's kritisch, sagt eine US-StudieBild: BilderBox
Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel (Foto: dpa)
Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in KielBild: dpa/picture-alliance

Die Rettung der Welt kostete 15 Billionen Euro. Das hat die Staatsschulden vor allem in den Industrienationen nach oben schnellen lassen. "Die Schulden werden zum Verhängnis, sobald die Gläubiger glauben, dass eine Möglichkeit besteht, dass sie nicht zurückgezahlt werden", sagt Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel. "Früher oder später bekommen die Finanzmärkte diese Vermutung, und dann steigen die Risikoprämien."

Im Falle Griechenlands ist diese Vermutung bereits eingetreten. Für das Land wurde es immer teurer, sich frisches Geld zu besorgen, weil die Zinsen immer weiter stiegen. Dieser Risikoaufschlag drohte das Land zu ersticken. Die EU spannte einen 750 Milliarden Euro schweren Rettungsschirm für Griechenland und andere Pleitekandidaten der Eurozone.

Bis zum Hals verschuldet

Auch wenn die Schuldenkrise einiger Euroländer die Schlagzeilen in den letzten Monaten beherrscht haben, sieht die Lage in anderen Industrienationen kaum besser aus. Großbritannien erwartet in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit von 11,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), das ist mehr als die bekannten Defizitsünder der Euro-Länder Griechenland, Portugal, Spanien und Italien. Die USA haben mit 13 Billionen Dollar mehr Staatsschulden als alle anderen auf der Welt. Wenn man die Schulden in Relation zum BIP stellt, dann ist Japan mit 204 Prozent die einsame Spitze unter den reichen Ländern. Auch wenn sich Japan fast gänzlich aus eigenen Spareinlagen finanziert, wird dieser Verschuldungsgrad wachstumshemmend wirken. Dennis Snower verweist auf eine Studie der US-Wirtschaftwissenschaftler Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff, die zeigt, "dass wenn die Schulden mehr als 90 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung ausmachen, dann wird das Wachstum eingeschränkt aus verschiedenen Effekten, auch Zinseffekten."

Staatsschuldin in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (Infografik: DW)

So hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich errechnet, dass bis 2040 die Zinsen der US-Staatsschulden so weit gestiegen sein werden, dass sie ein Viertel des BIP verschlingen. Im selben Jahr müssten 30 Prozent des britischen BIP für Zinszahlungen aufgebracht werden. Hinzu kommt die Alterung der Bevölkerung in den meisten entwickelten Ländern. Ein immer kleinerer Teil der Gesellschaft muss für einen immer größeren Schuldenberg bedienen. "Die alternde Gesellschaften in Europa bedeuten höhere Renten- und Gesundheitskosten, und das wird die Schuldenproblematik erhöhen", sagt der US-Wirtschaftswissenschaftler Dennis Snower, der das Kieler Institut für Weltwirtschaft leitet.

Das alles wird dazu führen, dass ein viel niedrigeres Wachstum für die Industrieländer erwartet wird als in den vergangenen Dekaden. So senkte der Internationale Währungsfonds kürzlich die Wachstumsprognose für die Eurozone wegen der Schuldenprobleme auf 1,3 Prozent, während er die Prognose für die Weltwirtschaft auf 4,6 Prozent erhöhte.

Schwellenländer in einer besseren Ausgangsposition

Eine junge indische Geschäftsfrau (Foto: dpa)
Junges und modernes Indien

Zu verdanken haben wir diesen optimistischen Ausblick den Schwellenländern, vor allem China und Indien. Beide aufstrebenden Länder haben die Wirtschaftskrise relativ unbeschadet überstanden und sind jetzt nach der Krise in einer besseren Ausgangsposition, die vor allem in der niedrigen Staatsverschuldung begründet ist. Chinas Verschuldungsgrad wird dieses Jahr trotz eines gigantischen Konjunkturprogramms nur auf 23 Prozent des BIP ansteigen. Indien weist mit 54 Prozent zwar eine höhere Schuldenquote auf, wegen der Export-Unabhängigkeit seiner Wirtschaft und der jungen Bevölkerung werden dem südasiatischen Staat aber langfristig bessere Chancen eingeräumt. Über 30 Prozent der Inder sind heute unter 14 Jahren.

Auch die Schuldenentwicklung in dieser Dekade lässt die fortgeschrittene industrielle Welt ziemlich alt aussehen. Laut einer Studie der Deutschen Bank Research rast der Verschuldungsgrad der entwickelten Nationen bis 2020 auf 140 Prozent zu, während er bei Schwellenländern auf unter 40 Prozent fallen wird.

Bereits im vergangenen Jahrzehnt begann sich das Gravitationszentrum der Weltwirtschaft zugunsten der Schwellenländer zu verschieben. Die Schuldenkrise in den reichen Ländern wird diesen Prozess beschleunigen.

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Henrik Böhme