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Schuften für einen Hungerlohn

20. April 2011

Nach gewaltsamen Protesten 2010 hat die Regierung in Bangladesch die Löhne in der Textilindustrie fast verdoppelt. Das Mindestgehalt liegt jetzt bei umgerechnet 30 Euro pro Monat - immer noch weniger als überall sonst.

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Junge Frau in einer Textilfabrik am Rande von Dhaka (Foto: AP)
Knochenjob für umgerechnet 30 EuroBild: AP

Das Bild in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, ist allabendlich das Gleiche: Auf den Straßen sind unzählige Frauen und junge Mädchen zu sehen, sie tragen traditionelle Baumwoll-Saris und Kopfbedeckungen, an den Handgelenken baumeln Handtaschen. Sie eilen vorbei und entschwinden irgendwann in den engen Gassen der Slums von Dhaka.

Traum vom besseren Leben

Verschwommenes Bild von Lily Begum (Foto: Bijoyeta Das/DW)
Lily Begum kam voller Hoffnungen nach Dhaka - jetzt ist sie enttäuschtBild: DW

Die Frauen und Mädchen gehören alle zur schnell wachsenden Gruppe der Textil-Arbeiter. Mehr als 80 Prozent aller Angestellten in der Bekleidungsindustrie des südasiatischen Landes sind weiblich. Und ihre Geschichten ähneln sich: In ihren Heimatorten gab es für sie keine Jobs, deshalb zogen sie in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach Dhaka. Genauso ging es auch der heute 30-jährigen Lily Begum. Sie lebt seit elf Jahren in der Hauptstadt. "Wir hatten kein Farmland in unseren Dorf und entsprechend auch keine Arbeit, also ist meine Familie nach Dhaka gegangen, um in der Textil-Industrie zu arbeiten."

Nach ihrer achtstündigen Schicht steht Lily zwei Stunden in der Küche, kocht für die Familie und kümmert sich um die Kinder – bevor sie wieder los muss: zur Nachtschicht. Auf dem Heimweg erledigt sie dann noch Einkäufe. Fleisch und Fisch sind zu teuer und stehen daher nicht auf dem Einkaufszettel. Um Geld zu sparen, kauft Lily lieber billigeres Gemüse wie beispielsweise Kartoffeln. "Heutzutage ist es praktisch unmöglich, mit dem, was ich in meinem Job verdiene, durchzukommen. Es ist wirklich schwierig, obwohl ich so hart arbeite."

Beengter Alltag

Muhammad Nizam, seine Mutter und zwei Kinder (Foto: Bijoyeta Das/DW)
Sie wohnen dunkel und beengtBild: DW

Lily und ihre Familie leben auf engstem Raum zusammen: Sie haben nur ein Zimmer, Küche und Bad teilen sie sich mit sieben anderen Familien. Auf Leinen hängt fein säuberlich die Wäsche. Extra-Matratzen und ein Sack mit Reis lagern unter dem hölzernen Bett. In einem kleinen Schrank werden Becher, Teller, Schmuck und Schulbücher aufbewahrt. Und auf dem Schrank steht ein kleiner Fernseher.

"Wir wohnen hier zu sechst", erläutert Lilys Ehemann Muhammad Nizam. "Neben meiner Frau und mir sind da noch meine Mutter, unsere Kinder und ein weiterer Untermieter." Hoffnung, dass sie sich irgendwann einmal ein zweites Zimmer leisten können, hat Nizam kaum. Denn sie müssen auch noch Vater und Geschwister finanziell unterstützen, jeden Monat schickt die Familie der Verwandtschaft im Heimatdorf Geld. "Zwar wird unser Lohn jedes Jahr um 100, 200 oder maximal 300 Taka erhöht. Aber gleichzeitig steigt die Miete um 500 Taka."

Das Leben eines Gefangenen

Näherinnen auf der Straße in Dhaka (Foto: Bijoyeta Das/DW)
Näherinnen auf der Straße in DhakaBild: DW

Für seine Kinder wünscht Nizam sich eine bessere Zukunft, will ihnen ein Studium ermöglichen. "Ich arbeite in den Textil-Fabriken, damit meine Kinder es nicht müssen. Dieser Job ist unmenschlich. Es ist, als wäre man im Gefängnis."

Jeden Abend verlässt entweder Lily oder ihr Mann die Familie, um zur Nachtschicht zu gehen und ein bisschen Geld dazu zu verdienen. Trotzdem reicht es kaum aus, um die Familie zu ernähren. Lily möchte deshalb zurück in ihr Dorf. Dort würde sie gern eine Geflügelfarm aufbauen und ihre Kinder zur Schule schicken. Der Traum von einem besseren Leben als Textil-Arbeiterin in der Hauptstadt ist für sie geplatzt.

Autorin: Bijoyeta Das
Redaktion: Priya Esselborn