Bangladeschs verschmutzte Flüsse
25. August 2009Die Slums am Ufer des Buriganga Flusses in Dhaka: Hier wird genäht, geschnitten, gefärbt und gewaschen. Überall ragen Rohre in den Fluss. Aus ihnen strömen Abwässer, sie schillern orange, grün oder blau. Auch etwa 4000 Tonnen Abfall versenkt die Stadt hier - und zwar täglich.
Fluss oder Müllhalde?
"Der ganze Müll der Stadt landet in diesem Fluss", sagt Mohammad Selim. Er ist seit zwanzig Jahren Bootsmann auf dem Buriganga. Fische gebe es schon seit langem nicht mehr im Fluss. Kaum einer wagt sich heute noch in die schwarzbraune Brühe – früher haben sich die Menschen hier gewaschen.
Der größte Teil Bangladeschs besteht aus einem riesigen Flussdelta. Rund 150 Millionen Menschen leben hier. Für sie ist das Delta ihre Lebensgrundlage. Und genau diese droht jetzt wegzubrechen, denn das Delta ist hochgradig verschmutzt. Die Hauptstadt Dhaka ist heute eine 12 Millionen Metropole. In ein paar Jahrzehnten wird die Stadt wohl eine der größten der Welt sein, schätzen die Vereinten Nationen. Doch die Flüsse Dhakas sind diesem Ansturm - und der Industrialisierung - kaum noch gewachsen.
Flusssterben - schon lange in den Medien
"Es ist eine Geschichte von Staatsversagen, Korruption, Gier und der Manipulation des Rechtssystems", sagt Syed Ashfaqul Haque, Redakteur des Daily Star, der größten englischsprachigen Zeitung des Landes. Seit Jahrzehnten hätten die Medien über die sterbenden Flüsse geschrieben, nie hätte es wirklich jemanden interessiert, sagt Haque. Eine Kampagne der Zeitung zur Rettung der Flüsse zeigt die Missstände auf: Illegale Landgewinnung und die Verschmutzung der Flüsse nehmen zu, keiner schreitet ein. Die Folge: akuter Trinkwasssermangel, Überschwemmungen, Fischsterben und Krankheiten.
"Wenn es so weiter geht, wird man Dhaka in ein paar Jahrzehnten zur unbewohnbaren Stadt erklären müssen", warnt Saber Hossain Chowdhury, Leiter des Parlamentsausschusses für Umweltfragen. Der Ausschuss - der erste seiner Art - ist so jung wie die Medienkampagne zur Rettung der Flüsse - nämlich drei Monate. Bangladesch ist mit einer Bevölkerungsdichte von mehr als 1000 Menschen je Quadratkilometer einer der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt. Während der Monsunzeit treten die Flüsse über die Ufer, etwa die Hälfte des Landes steht dann unter Wasser.
Verbot wird ignoriert
80 Prozent Rechtsstreitigkeiten in Bangladesch betreffen Grund und Boden, denn Land ist teuer. Eine Million Dollar für ein paar Hundert Quadratmeter in guter Lage sind keine Seltenheit. Deshalb haben die Bangladescher immer wieder Sand in die Flüsse geschüttet, zur Landgewinnung. Ein lukratives Geschäft. Dabei gibt es Gesetze die genau diese Flussaufschüttungen unter Gefängnisstrafe stellen. Es sind Gesetze aus den Jahren 1995 und 2000. Doch sie werden schlicht ignoriert. Die Hälfte von Dhakas 43 Kanälen sind so in den letzten Jahrzehnten der Bauwut zum Opfer gefallen.
Ein Rechtsanwalt will Aufschüttungen stoppen
Mitgemacht haben viele: Politiker, Behörden, Bauunternehmer, Bürokraten, Schulen und religiöse Vereinigungen. "Die Verantwortlichen sind mächtig. Seit Jahren manipulieren sie das System", sagt Manzill Murshid, ein Rechtsanwalt. Er klagte beim Obersten Gerichtshof. Im Juni forderte das Gericht die Regierung zum Handeln auf: Stopp der illegalen Landgewinnung, Abriss aller illegalen Gebäude im Flusslauf, Markierung der ursprünglichen Flussläufe und eine Vertiefung der Flüsse. Ein Milliardenprojekt.
Ob die Politiker das wirklich alles durchsetzten werden? Immerhin sind hier mächtige Interessengruppen am Werk. Das wisse er nicht, sagt Rechtsanwalt Murshid. "Wir sind alle nur hier auf begrenzte Zeit. Wissen Sie, Auftragsmord ist hier keine Seltenheit. Aber das Risiko ist es mir wert".
"Wir zerstören unsere Grundlage"
Die Weltbank beziffert die Kosten aller Umweltschäden in Bangladesch auf vier Prozent des jährlichen Bruttosozialprodukts. Vom stolzen Wachstum von sechs Prozent bleibt so wenig übrig. "Wir sind dabei die Grundlage unser Existenz zu zerstören", sagt Chowdhury. Aber der Parlamentarier ist hoffnungsvoll. Es sei nicht mehr lediglich eine Kampagne einiger weniger Bürger. Das erste Mal seien nun die Bevölkerung, das Parlament, die Gerichte, NGOs und Bangladeschs Entwicklungspartner involviert.
Autor: Tom Felix Joehnk
Redaktion: Miriam Klaussner