Sag es mit einem Sprichwort! | Deutschlehrer-Info | DW | 29.10.2015

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Sag es mit einem Sprichwort!

Sie sind beliebt, weit verbreitet, und sie treffen den Nagel auf den Kopf. Rund 250.000 Sprichwörter gibt es in der deutschen Sprache. Ein Muttersprachler kennt davon vielleicht 300.

Die größte deutsche Sprichwörtersammlung entstand schon im 19. Jahrhundert. Der Verfasser Karl Friedrich Wilhelm Wander arbeitete von 1867 bis 1880 an seinem Werk „Deutsches Sprichwörter Lexicon“. Doch was genau ist eigentlich ein Sprichwort? Die Definition sei unglaublich kompliziert, meint Wolfgang Mieder, weltweit anerkannter Experte für Sprichwörter und Märchen und Professor für deutsche Sprache und Folklore. „Man würde denken, dass es nichts Einfacheres gibt, aber es gibt regelrecht dutzende, wenn nicht hunderte von Definitionsversuchen“, erklärt er. „Ich würde sagen, man könnte ein Sprichwort so definieren, dass ein Sprichwort ein allgemein bekannter, fest geprägter Satz ist, der eine Lebensregel oder Weisheit in prägnanter, kurzer Form ausdrückt.“

Weisheiten aus alter Zeit

Wolfgang Mieder

Wolfgang Mieder kennt sich mit Sprichwörtern aus

Es beginnt also alles mit einem Satz, der sich einprägt. Im Jahr 1804 veröffentlichte zum Beispiel der Dichter Friedrich Schiller das Drama „Wilhelm Tell“. In dem Werk stand die schöne Formulierung: „Die Axt im Haus erspart den Zimmermann.“ Über 200 Jahre später weiß zwar kaum jemand, wer diese Worte erstmals benutzte, aber sie sind als Sprichwort in die deutsche Sprache eingegangen.

Manche Redensarten sind in ganz Europa verbreitet, wie zum Beispiel Weisheiten aus der Bibel - etwa „Hochmut kommt vor dem Fall“ oder „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“. Oft lässt sich ein Sprichwort sogar bis in die Antike zurückverfolgen. Das beliebte „Morgenstund hat Gold im Mund“, das viele für urdeutsch halten, war sinngemäß schon den alten Römern geläufig. Damals hieß es: „Aurora musis amica" - „Die Morgenröte ist der Kreativität Freund.“ In Deutschland war die Redensart bis vor 50 Jahren das beliebteste deutsche Sprichwort überhaupt; belegt war es erstmals 1570. Dann schwappten nach 1945 viele Amerikanismen über den großen Teich, darunter auch die englische Redensart: „Der frühe Vogel fängt den Wurm“, und mittlerweile hört man beide Sprichwörter gleich häufig.

Der Sprung ins Lexikon - oder in die Vergessenheit

Um ein offiziell anerkanntes Sprichwort zu werden, sagt Professor Mieder, muss die volkstümliche Weisheit es aber irgendwann ins Lexikon schaffen. „Irgendjemand muss also eines Tages entscheiden: Da schau her, das ist ein Sprichwort.“ Hilfreich kann dabei das Mannheimer Institut für Deutsche Sprache mit seiner riesigen Datenbank an deutschen Texten sein. Trifft man dort auf einen bestimmten Satz 50.000 Mal, hat er gute Chancen darauf, in die Sprichwörterliste einzugehen.

Manche Redensarten sterben allerdings auch irgendwann aus. Das hat meist damit zu tun, dass sie nicht mehr zeitgemäß sind. Bei dem Sprichwort „Schuster bleib bei deinem Leisten“ kennt ein deutscher Schüler zwar noch das Wort „Schuster“, scheitert aber mit Sicherheit an dem „Leisten“. Ein Durchschnittssprichwort hat übrigens selten mehr als sieben Wörter, sagt Wolfgang Mieder. In diesem Sinne: Ende gut, alles gut.

km;suc/mk

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