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Sachsen bleibt bei der Extremismusklausel

Jens Falkowski10. Februar 2014

Wer für seine Arbeit gegen Rechts Geld vom Staat will, muss sich per Unterschrift zum Grundgesetz bekennen. Jetzt schafft die Bundesregierung die sogenannte Demokratieerklärung faktisch ab - nur Sachsen hält daran fest.

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Demonstration von Neonazis in Bad Nenndorf ARCHIV 14.08.2010
Bild: picture-alliance/dpa

Hildegart Stellmacher war die ganze Sache peinlich. Die stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Dresden hatte zwei jüdische Theologen aus Prag als Referenten zu einem Vortrag eingeladen. Dafür beantragte sie Fördergelder von "Weltoffenes Sachsen". Das Landesprogramm des Freistaats Sachsen unterstützt unter anderem Initiativen gegen Rechts.

Um Geld zu bekommen, hätte Stellmacher ihre beiden Gäste die sogenannte Demokratieerklärung unterschreiben lassen müssen - ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands. Stellmacher wollte das den Holocaustopfern nicht abverlangen. "Ich habe ihnen die Klausel nicht vorgelegt. Ich habe gar nicht darauf gewartet, wie sie darauf reagieren, weil es mir ungemein peinlich war", sagt sie. Sie, andere Organisationen und Politiker sehen das Papier vor allem als Ausdruck eines Generalverdachts und des staatlichen Misstrauens gegen Vereine und Verbände und kritisieren es deshalb heftig.

Manuela Schwesig Familienministerin
Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat die Extremismusklausel faktisch abgeschafftBild: picture-alliance/dpa

Der Freistaat Sachsen und auch der Bund knüpfen ihre finanzielle Förderung von Aktionen gegen Rechts wie Vorträge, Diskussionen und Seminare an die Demokratieerklärung, die auch Extremismusklausel genannt wird. Seit 2011 müssen die geförderten Organisationen für Geld das umstrittene Bekenntnis zum Grundgesetz unterschreiben. Es soll ausschließen, dass Extremisten vom Staat gefördert werden. Jetzt wird die umstrittene Regelung auf Bundesebene faktisch abgeschafft.

Sachsens verschärfte Klausel

Anders sieht es in Sachsen aus. Das Bundesland hält an einer gesonderten Demokratieerklärung fest. Und im Unterschied zum Bund muss sich hier nicht nur der geförderte Verein zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen, sondern alle an dem Projekt beteiligten Partner und Referenten mit einer eigenen Unterschrift - wie Hildegart Stellmacher sie von den Referenten aus Prag gebraucht hätte. "Wir sind davon überzeugt, dass es richtig ist, denjenigen, die Gelder vom Staat in Anspruch nehmen, auch vorher noch einmal zu vergegenwärtigen, dass sie damit auch staatliche Anliegen und Grundsätze unterstützen und fördern müssen", erklärt Martin Strunden vom sächsischen Innenministerium diese Regelung.

Sich schämen für die Unterschrift

Weil Hildegart Stellmacher ihre Referenten nicht um eine Unterschrift bitten wollte, wurde dem Verein die Förderung aus dem Programm "Weltoffenes Sachsen" verwehrt. Eine Ausnahme gewährte das Innenministerium zunächst nicht. "Wir sind dann an die Öffentlichkeit gegangen, weil es nicht anders ging", beschreibt Stellmacher die für sie verzweifelte Situation. Nachdem sie die Presse eingeschaltet hatte, war das Ministerium bereit, in diesem Fall eine Ausnahme zu machen. Eine generelle Regelung wurde aber nicht getroffen.

Erster Uni-Studiengang für Jüdische Theologie in Deutschland
Müssen sich Rabbiner mit einer Unterschrift zum Grundgesetz bekennen?Bild: picture-alliance/dpa

Später geriet Hildegart Stellmacher wieder in eine für sie peinliche Situation. Diesmal sollte sie die Erklärung von Rabbiner Daniel Alter aus Berlin einholen. Er musste seinen Vortrag sogar verschieben, weil er in Berlin wurde. "Weil diese Veranstaltung aus dem 'Weltoffenen Sachsen' gefördert werden sollte, musste er die Demokratieerklärung unterschreiben. Alleine, wenn man das sagt, merkt man schon, dass es eigentlich nicht geht und dass man so etwas nicht dürfte - nicht mal vorlegen dürfte", kritisiert Stellmacher.

Klage eingereicht

Das Bildungswerk "Weiterdenken" von der Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen verzichtet bis heute auf Mittel aus dem Programm "Weltoffenes Sachsen". Der erste Antrag nach Einführung der Extremismusklausel wurde abgelehnt. Das Absurde: Der Verein wird bereits vom Land gefördert, weil seine Arbeit für die demokratische Kultur anerkannt ist.

Die Heinrich-Böll-Stiftung klagt deshalb gegen die sächsische Extremismusklausel. "Das Absurde an diesem System, an dieser Extremismusklausel ist, dass eine freiheitliche Ordnung, wie hier der Freistaat Sachsen, sich Mitteln bedient, die wir bisher nur aus Diktaturen kennen", sagt der Grünen-Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi zum Vorgehen des Freistaates. Sachsen habe damit "die Arbeit für demokratische Kultur im Kern beschädigt". Wann ein Gericht sich mit der Demokratieerklärung befasst, ist aber noch unklar.