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Südosteuropa: Mehr Dialog zwischen Parlamentariern

11. Oktober 2007

Debattierclub, Quasselbude, Akklamationsmaschine? Die Parlamente in den südosteuropäischen Transformationsländer haben keinen besonders guten Ruf. Dem soll der so genannte Dubrovnik-Prozess abhelfen.

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Regelmäßige Treffen fördern Dubrovnik-ProzessBild: dpa

"Rettet die Legislative" lautete der Titel einer internationalen Parlamentarierkonferenz, die vom 4. bis 6. Oktober in Dubrovnik stattfand. Das Treffen zwischen Parlamentariern aus der Region, dem deutschen Bundestag und dem Europaparlament geht auf eine Initiative des Stabilitätspaktes für Südosteuropa zurück und hat das Ziel, den sporadischen Dialog zwischen den Abgeordneten in Südosteuropa zu intensivieren. Der Austausch ist unter dem Begriff 'Dubrovnik-Prozess' mittlerweile zur festen Institution in der Region geworden.

Schwacher Status

Die Abgeordnetenhäuser der Region stehen vor vielfältigen Problemen, die es ihnen erschweren, ihrer eigentlichen gesetzgeberischen Aufgabe nachzukommen. In vielen südosteuropäischen Ländern ist der Nationsbildungsprozess noch in vollem Gange, die Gesellschaften befinden sich sozial und wirtschaftlich im Umbruch. Autoritäre Staatsführer schränken die Spielräume der Abgeordneten vielfach ein. Zu diesem Schluss kommt Petra Blaess, ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und seit Jahren Beraterin für internationale Organisation in Südosteuropa, in ihrer im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführten Analyse zur aktuellen Situation der Parlamente: "Das sind vor allem Defizite in dem schwachen Status der Parlamente. Das heißt, in nur wenigen Fällen haben die Parlamente die Hoheit über ihre eigenen Budgets und sind deshalb defizitär ausgestattet mit professionell ausgebildeten Mitarbeitern in der Parlamentsverwaltung."

Kontrollentzug der Regierenden

Mangelnder Zugang zu Informationen sowie die restriktive Visapolitik des Westens, die viele Abgeordnete in ihrer Reisefreiheit beschränken, sind weitere Hürden für die Parlamentarier in Südosteuropa. Petra Blaess spart nicht mit Kritik an der Internationalen Gemeinschaft, die zu lange sehr viel Geld in die Unterstützung der Nichtregierungsorganisationen gesteckt und dabei die zentrale Bedeutung der Parlamente übersehen habe. Dabei tragen die Abgeordneten in den parlamentarischen Demokratien eine große Verantwortung. Sie können Verfassungsänderungen erwirken, die Ausgaben von Steuergeldern kontrollieren, haben die Möglichkeit, Misstrauensanträge einzubringen und die Geheimdiensttätigkeit zu überprüfen. Aber von diesen Spielräumen machen noch zu wenige Parlamente Gebrauch, auch weil sich die Regierenden häufig der Kontrolle des Parlaments entziehen, meint Petra Blaess. Weitere grundlegende Probleme seien, dass die gesamten Entscheidungsprozesse ausschließlich auf der Regierungsebene stattgefunden hätten, sämtliche regionale Vereinbarungen von den Ministerien aus gehandhabt worden seien und Minister oder Staatschefs Verträge unterzeichnet hätten und die Einbeziehung der Parlamente häufig nicht stattgefunden habe, erklärt Blaess.

Gestiegenes Selbstbewusstsein

Dennoch sieht sich die dominante "Exekutive" zunehmend mit einem gewachsenen Selbstbewusstsein der Parlamentarier konfrontiert. So hat eine Parlamentarierinitiative dafür gesorgt, dass sich die Europa-Ausschüsse der südosteuropäischen Parlamente zusammengeschlossen haben, um über Fragen der Annäherung an die EU zu diskutieren. Auch hat eine Initiative des mazedonischen Parlaments dazu geführt, dass Parlamente in Entscheidungsprozesse hinsichtlich internationaler Verträge, – wie zum Beispiel in Bezug auf die Energieversorgung – künftig frühzeitiger als bisher einbezogen werden.

Die Parlamente sollten sich insgesamt stärker als bisher in Fragen der internationalen Politik einmischen, fordert Petra Blaess. Und um ihre Position zu stärken, sollten sie bestehende parlamentarische Netzwerke effektiver als bisher nutzen. Dafür gibt es ermutigende Beispiele: "Es ist durchaus signifikant zu sehen, dass es ein gestiegenes Selbstbewusstsein der Parlamentarier gegenüber den Regierungen gibt. Aber auch gegenüber den kommunikativen Aufgaben, gegenüber den Wählern, und dass das Bewusstsein gewachsen ist, dass es sinnvoll ist und notwendig, sich regional da zusammenzutun, wo es gemeinsame Probleme gibt."

In regionalen parlamentarischen Initiativen sehen viele Abgeordnete folglich einen Schlüssel zur Stärkung der legislativen Strukturen. Dabei spielen der Erfahrungsaustausch und die persönliche Begegnung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Denn sie bilden die Grundlage für vertrauensbildende Maßnahmen, die angesichts weiterhin schwelender Konflikte in der Region – wie etwa der ungelöste Status des Kosovo – dringend notwendig sind.

Verica Spasovska
DW-RADIO/Südosteuropa, 9.10.2007, Fokus Ost-Südost