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Rückkehr ins Auswärtige Amt

Nina Werkhäuser18. Dezember 2013

Zum zweiten Mal ist der Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier Außenminister in einer großen Koalition. Er wird es schwer haben, neben der "Außenkanzlerin" Angela Merkel eigene Akzente zu setzen.

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Der neue Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Als Frank-Walter Steinmeier in dieser Woche an seine alte Wirkungsstätte zurückkehrte, war er ganz in seinem Element. Vor vier Jahren hatte der Sozialdemokrat das Auswärtige Amt in Berlin verlassen, nun bezieht er wieder sein altes Büro am Werderschen Markt. Es sei ihm eine "Ehre und Auszeichnung", Deutschland erneut als Außenminister vertreten zu dürfen, ließ der 57-jährige Jurist seine Mitarbeiter bei seinem Amtsantritt wissen. Die empfingen ihn mit viel warmem Applaus und, was unter Diplomaten noch wichtiger ist, als einen der ihren.

Anders als bei anderen Ressorts gab es bei der Besetzung des Außenamts kein großes Hin und Her. Steinmeier wollte zurück auf den Posten, den er bereits in der letzten großen Koalition von 2005 bis 2009 innehatte. Er hat den Job gerne gemacht, mit viel freundlicher Geduld und der nötigen Portion Pragmatismus, wenn die Krisen der Welt die Agenda diktierten. Bereitwillig tauscht der Sozialdemokrat nun den Chefsessel in der SPD-Bundestagsfraktion gegen den Sitz im Regierungsflugzeug.

Die erste Auslandsreise unternimmt er zusammen mit der Bundeskanzlerin, mit der er schon in seiner letzten Amtszeit gut auskam. Nur selten lagen er und Angela Merkel (CDU) überkreuz, etwa als sie den Dalai Lama im Kanzleramt empfing, was Steinmeier für eine unnötige Provokation der chinesischen Regierung hielt. Zumeist ging es harmonisch zu zwischen der Bundeskanzlerin und ihrem Außenminister. So harmonisch, dass Steinmeier - er war 2009 Kanzlerkandidat der SPD - die Amtsinhaberin im Wahlkampf mit den sprichwörtlichen Samthandschuhen anfasste.

Eingang des Auswärtigen Amt in Berlin, Foto: CC-BY-NC-SA-Michel Balzer
Nur noch mittelmäßig mächtig: Das Auswärtige AmtBild: CC-BY-NC-SA-Michel Balzer

"Auswärtiges Ämtchen"

Als Angela Merkel im November 2005 Bundeskanzlerin wurde, hatte sie wenig außenpolitische Erfahrung. Also schenkte ihr ein Mitarbeiter einen Globus, den sie zur besseren Orientierung auf ihrem Schreibtisch postierte. Acht Jahre später ist sie mehr als routiniert auf dem internationalen Parkett - jeder kennt sie, und sie kennt jeden Kniff. Es steht außer Frage, dass sie bei den wichtigen Themen weiterhin den Ton in der deutschen Außenpolitik angeben wird.

Zwar ist es nicht ungewöhnlich, dass das Kanzleramt die Wege absteckt, die der Chefdiplomat dann abgeht. Unübersehbar ist allerdings, dass das Amt des Außenministers seinen früheren Glanz eingebüßt hat. War der Posten einst mit großem Prestige und zumeist mit dem Amt des Vizekanzlers verbunden, so gilt das Ministerium heute zuweilen als Nebenstelle des außenpolitisch tonangebenden Kanzleramts. In der Presse wurde schon über das "Auswärtige Ämtchen" gespottet, das auf dem "Grabbeltisch der Koalitionsverhandlungen" verramscht worden sei.

Militärische Zurückhaltung

Die Grundkoordinaten sind für jeden deutschen Außenminister, egal von welcher Partei, im Großen und Ganzen vorgegeben. Als Leitplanken dienen die europäische Integration Deutschlands und die transatlantische Partnerschaft. In der Außenpolitik gilt das bewährte Prinzip der Kontinuität, auf das auch Steinmeier in seiner Antrittsrede Bezug nahm. Allerdings mit dem kritischen Hinweis, dass eine "bloße Beschwörung des Altbekannten" in der Zukunft nicht ausreichen werde. Daher wünscht sich der neue Chefdiplomat eine Diskussion über die künftige Ausrichtung der deutschen Außenpolitik.

Steinmeier wird von den Mitarbeitern des Auswärtigen Amts begrüßt, neben ihm sein Vorgänger Guido Westerwelle. Foto: Getty Images
Freundliche Begrüßung beim Amtsantritt: Steinmeier (l.) neben seinem Vorgänger Guido WesterwelleBild: JOHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images

Eine Überzeugung brachte Steinmeier sofort in diese Debatte ein: Die Androhung und der Einsatz militärischer Gewalt könne nicht der "Lackmustest für die außenpolitische Glaubwürdigkeit" Deutschlands sein. Das missachte sowohl die Möglichkeiten einer klugen Diplomatie als auch die besondere Verantwortung, die Deutschland aufgrund seiner Geschichte trage. Der Sozialdemokrat verband diese Absage an eine militärisch orientierte Außenpolitik mit einem Lob für seinen Amtsvorgänger Guido Westerwelle von der FDP. Er habe stets an einer "Kultur der militärischen Zurückhaltung" festgehalten.

Von Freunden und Partnern umgeben

Der Koalitionsvertrag, den CDU/CSU und SPD geschlossen haben, enthält im Kapitel Außenpolitik keine Überraschungen. Herausgehoben werden Frankreich und Polen als besonders wichtige Nachbarn. Die USA nehmen als "Schlüssel zu Freiheit, Sicherheit und Wohlstand für alle" einen Logenplatz ein. Da das nicht die Freiheit zur Bespitzelung einschließt, erwarten die Koalitionäre, dass die US-Regierung verlorenes Vertrauen wiederherstellt und die Privatsphäre der Deutschen künftig respektiert. Als wichtigstes Zukunftsprojekt gilt das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA.

Die Beziehungen zu Russland definieren CDU/CSU und SPD wie gehabt als "Modernisierungspartnerschaft", über deren Gestaltung beide Länder allerdings "unterschiedliche Vorstellungen" hätten. Ganz oben auf der Agenda des neuen Außenministers steht die Lage in der Ukraine, wo Demonstranten seit Wochen eine engere Anbindung an die EU fordern. Er frage sich, so Steinmeier, ob das Land nicht überfordert sei, "wenn es sich zwischen Russland und Europa entscheiden muss". Der Westen habe die Entschlossenheit Russlands in dieser Sache vielleicht unterschätzt.

China und Indien sieht die neue Bundesregierung als "strategische Partner", mit denen die wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter vertieft werden soll. Afrika soll mit deutscher Unterstützung in die Lage versetzt werden, regionale Probleme selbst zu lösen. Die Staaten des Maghreb dürfen weiter auf den "Transformationspartner" Deutschland hoffen, vor allem, wenn sich "eine positive Entwicklung zur Demokratie und zum gesellschaftlichen Pluralismus abzeichnet". Das alles qualifiziere Deutschland dafür, einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu übernehmen, schreiben CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag. Dazu müssten aber zuerst einmal die Vereinten Nationen reformiert werden.

Zwischen Staatsräson und Parteipolitik

Nach seiner letzten Amtszeit als Außenminister trat Steinmeier im Jahr 2009 als Kanzlerkandidat gegen Angela Merkel an. Das Ergebnis war ein Schock für die Partei: Die SPD fuhr das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Schon während der gemeinsamen Regierungszeit hatten die Sozialdemokraten geklagt, sie müssten im Maschinenraum des "Dampfers große Koalition" schuften, während die CDU sich auf dem Sonnendeck räkele. Das bezog sich zwar nicht nur auf die Außenpolitik, aber auch darauf. Roter Teppich statt Rentenformel, Weißes Haus statt Wahlkreis - Merkel nimmt in der Tat gerne mal eine Auszeit vom innenpolitischen Klein-Klein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel besteigt ein Flugzeug, Foto: dpa
Fliegt von Gipfel zu Gipfel: Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: picture-alliance/dpa

Am Ende fielen die Lorbeeren der Union zu, während die SPD das Nachsehen hatte. Die Sozialdemokraten haben sich geschworen, dass sich diese Schmach bei der Wahl in vier Jahren nicht wiederholen wird. Ob das gelingt, wird auch davon abhängen, wie viel sozialdemokratisches Profil die SPD-Minister in der großen Koalition zeigen. Angriffsflächen gäbe es auch in der Außen- und Europapolitik. So wurde Merkels strikter Kurs gegenüber den südeuropäischen Krisenstaaten ebenso kritisiert wie ihr schlechtes Management der NSA-Affäre. Die spannende Frage wird sein, ob Steinmeier in diesen Feldern eigene Akzente als Außenminister setzen kann.