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Hoffung auf Demokratie

Sandra Petersmann (cd)20. Dezember 2008

Ilja Jaschin engagiert sich für eine demokratische Entwicklung in seinem Land, auch wenn er damit sein Leben riskiert. Er war mit dabei, als sich in Moskau die neue Oppositionsbewegung "Solidarnost" gegründet hat.

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Ilja Jaschin, Leiter der russischen Jugendorganisation "Molodeschnoe Jabloko"(Foto: Deutsche Welle)
Ilja Jaschin, Leiter der russischen Jugendorganisation "Molodeschnoe Jabloko"Bild: DW/Sergej Morosow

"Solidarnost" - mit diesem Namen wollen die Oppositionellen in Russland an Polens Gewerkschaftsbewegung "Solidarność" erinnern. Doch so ganz stimmt der Vergleich nicht. Denn die russischen Oppositionellen sind untereinander gar nicht solidarisch. Sie verfolgen recht unterschiedliche Interessen, sind in mehrere Gruppen zersplittert. Deshalb glauben Beobachter auch nicht, dass sich in Russland jemals eine schlagkräftige Opposition entwickeln wird.

Ilja Jaschin kennt diese Situation aus eigenem Erleben. Er ist der Vorsitzende der Jugendorganisation der links-liberalen "Jabloko"-Partei. In den frühen 90er-Jahren war "Jabloko" eine hörbare Stimme der Freiheit und der Demokratie.

Inzwischen ist die Partei - wie so viele Oppositionsparteien in Russland - völlig zerstritten und in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Ilja Jaschin gibt trotzdem die Hoffnung nicht auf, dass sich eine politische Kraft entwickeln könnte, die sich dem autoritären Regime und dem russischen Geheimdienst FSB entgegenstellt. Deshalb hat er am vergangenen Wochenende den Gründungskongress von "Solidarnost" besucht.

Hoffnung auf eine schlagkräftige Opposition

Festnahme von Oppositionellen bei einer Kundgebung in Moskau(Foto: AP)
Russische Sicherheitskräfte gehen häufig mit Gewalt gegen Oppositionelle vorBild: AP

Jaschin wünscht sich, dass die Menschen erfahren, was wirklich im Land passiert. In Russland herrsche das totale Informationsvakuum. "Was wir im Putinschen Fernsehen sehen, hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun", so Jaschin. Darum setzt er jetzt auf "Solidarnost". Diese Bewegung muß überleben, sagt er. Wenn "Solidarnost" kaputtgehe, dann sei das das Ende der Demokratie in Russland.

„Jabloko“ hat den Anschluß verpaßt

Ilja Jaschin ist 25 Jahre alt, hat Politikwissenschaft studiert und ist publizistisch tätig, auch wenn das in Russland lebensgefährlich werden kann, wie das Beispiel der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja zeigt. 1999 schloß er sich der "Jabloko"-Jugend an.

Damals startete Russland seinen zweiten Tschetschenien-Feldzug, und das Land versank in militärischer Hysterie. "Jabloko" hat sich zu der Zeit offen gegen den Krieg ausgesprochen. Das gefiel Jaschin. Inzwischen hat er sich jedoch von der Parteiführung entfernt. Denn dort sitzen immer noch viele, die nicht mit anderen Oppositionskräften zusammenarbeiten und die daran glauben, dass das System durch Mitarbeit von innen verändert werden kann.

Ilja Jaschin glaubt das nicht. Seiner Ansicht nach ist der Machtapparat des Kreml totalitär. Er habe das russische Parlament zertrümmert, die Wahlen geraubt und das freie Fernsehen und die Justiz zerstört. Die FSB-Leute, die das Land regieren, seien blind und taub für Reformen von innen, kritisiert Ilja Jaschin.

Totalitäre Geheimdienstmethoden

Russlands Geheimdienst auf dem Moskauer Roten Platz (Foto: Fotomontage AP/DW)
Wenn der Kreml ruft, liefert Russlands Geheimdienst die nötigen Informationen - legal oder illegalBild: Fotomontage/AP Graphics/DW

Er weiß, worüber er redet. Als seine Freundin auf einer Demonstration verhaftet wurde, bekam er Besuch vom Geheimdienst. Die Geheimdienstler haben ihm damals in allen Farben geschildert, was sie mit seiner Freundin im Gefängnis machen würden, wenn er nicht mit ihnen zusammenarbeite. Er hat sich dann ein paar Mal mit ihnen getroffen. Doch sobald seine Freundin wieder auf freiem Fuß war, schrieb er über seine Gespräche mit dem Geheimdienst Artikel in der unabhängigen Zeitung "Nowaja Gazeta“. Auch damit so etwas nicht häufiger passiert, wünscht sich Ilja Jaschin, dass die neue Oppositionsbewegung "Solidarnost" ein Erfolg wird. Doch Beobachter sind äußerst skeptisch.

Traurige Zukunft für demokratische Bewegungen

Der Kreml wird wohl dafür sorgen, dass "Solidarnost" kein Bein auf die politische Erde bekommt. Das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitsbehörden am vergangenen Wochenende gegen Teilnehmer zweier oppositioneller Kundgebungen hat einen Vorgeschmack gegeben. Und in der Bevölkerung findet die Opposition auch kaum Unterstützung. Die Menschen sind zwar höchst unzufrieden mit ihrer Führung, doch das Protestpotenzial ist gering.

Die Freiheit werde nicht auf dem Silbertablett serviert, findet Jaschin. Als die Sowjetunion Anfang der 90-er Jahre zerfiel, gab es urplötzlich Freiheit und Demokratie. "Wir haben sie so schnell verloren, weil sie so leicht zu haben waren. Jetzt müssen wir für unsere Freiheit und Demokratie kämpfen. Erst dann werden wir sie ehren und verteidigen", sagt er.