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Russlands neuer Eisenbahnminister greift durch

18. Januar 2002

- Hunderte bisherige Mitarbeiter des Ressorts müssen gehen

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Moskau, 18.1.2002, THE MOSCOW TIMES, engl., Alla Starzewa

Mitarbeiter des Eisenbahnministeriums haben unter dem Vorbehalt der Anonymität am Donnerstag mitgeteilt, ihr neuer Chef, Gennadij Fadejew, habe mit durchgreifenden Säuberungsaktionen innerhalb des Personals begonnen, das sein in Ungnade gefallener Vorgänger hinterlassen habe. Sieben der zwölf Vizeminister, die Leiter von 17 Eisenbahnlinien und zahlreiche Abteilungsleiter seien unter den Hunderten von Beschäftigten, die in dieser Woche ihre Schreibtische hätten räumen müssen, hieß es.

"Die Atmosphäre im Ministerium ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehr ungesund", sagte ein Mitarbeiter. "Alle sind in Panik. Die Leute gehen und suchen nach Arbeit. Fast jeder, der geht, geht, weil er dazu aufgefordert worden ist, obwohl es offiziell heißt, man gehe auf eigenen Wunsch."

Drei Erste Vizeminister - Aleksandr Zelko, Michail Iwankow und Aleksandr Mischarin - werden gefeuert werden, so ein Mitarbeiter der Presseabteilung. INTERFAX hatte gemeldet, zwei Weggefährten Putins aus Sankt Petersburg - Wladimir Jakunin, einer der stellvertretenden Transportminister, und Wladimir Kusnezow, Abteilungsleiter im Transportministerium, seien Kandidaten für das Amt des Ersten Vizeministers im Eisenbahnministerium.

PRIME-TASS berichtete, drei Vizeminister - Jewgenij Winogradow, Wladimir Mironow und Tschimaf Schewzukow - hätten am Mittwoch ihre Ämter niedergelegt. Den Namen des siebenten Ministers, dem der Rausschmiss droht, nannten die Mitarbeiter, die am Donnerstag kontaktiert worden sind, nicht.

"Die Leute auf den Fluren meinen, sie könnten sich morgen möglicherweise nicht mehr wiedersehen", so der Mitarbeiter der Presseabteilung. Entlassen werde sowohl der Chef der Finanzabteilung Pjotr Korotkewitsch als auch andere Abteilungsleiter. (...)

Fadejew scheint zwei Dinge zu tun: Er wirft die Leute, die dem bisherigen Eisenbahnminister Nikolaj Aksjonenko gegenüber loyal waren, heraus und verschlankt das aufgeblasene Ministerium, das Aksjonenko hinterlassen hat.

Zu den anderen Sünden, die Aksjonenko nach Meinung des Kabinetts begangen hat, gehörte die Beschäftigung von wesentlich mehr Mitarbeitern als auf der Gehaltsliste des Ministeriums standen. Das Ministerium beschäftigt landesweit etwa 1,5 Millionen Menschen.

Nicht klar ist, wie viele der 2000 Mitarbeiter im Sitz des Ministeriums in Moskau entlassen werden. Die Zeitung KOMMERSANT hatte in der vergangenen Woche berichtet, Aksjonenko habe in dem Ministerium 500 Leute zu viel gehabt.

Am Montag unterzeichnete Fadejew eine Anordnung über Personalabbau im Pressezweig des Ministeriums, Trans-Media. Die Zahl der Mitarbeiter hier soll von 300 auf 30 reduziert werden. Trans-Media hat sich den Ruf erworben, für die Regierung am wenigsten hilfreich zu sein, und seit Fadejews Einzug in das Ministerium haben die Beschäftigten dieser Abteilung auf Telefonanrufe geantwortet, sind dürften keine Kommentare abgeben. Über die Massenentlassungen war am Donnerstag keine offizielle Stellungnahme zu erhalten.

Die Mitarbeiter des Ministeriums erklärten, keiner im Ministerium zweifle, dass Kusnezow an Stelle von Zelko Erster Vizeminister wird. "Wenn Kusnezow hier einzieht, macht er reinen Tisch. Es heißt, er ist nachtragend."

Kusnezow war von 1998 bis zu seiner Entlassung durch Aksjonenko im Mai 2000 Leiter der Eisenbahnlinie "Oktjabrskaja", die die Strecke Sankt-Petersburg - Moskau abdeckt. Putin ernannte ihn daraufhin zum stellvertretenden Bevollmächtigten des Präsidenten im nordwestlichen föderalen Bezirk. Einige Tage nachdem Aksjonenko im Oktober 2000 Machtmissbrauch zur Last gelegt worden war, wurde Kusnezow ins Transportministerium versetzt.

Kusnezow kennt Putin aus der gemeinsamen Arbeit in der Sankt Petersburger Administration von Anatolij Sobtschak in den frühen Neunzigerjahren.

Jakunin, ehemaliger Geheimdienstoffizier, ist ein weiterer langjähriger Weggefährte Putins. INTERFAX meldete unter Berufung auf Quellen im Eisenbahn- und im Transportministerium, er werde wahrscheinlich Erster stellvertretender Eisenbahnminister werden. In dem Bericht hieß es, Jakunin werde auf den Posten des Chefs der Aktiengesellschaft Russische Eisenbahnen lanciert werden, die Anfang 2003 gegründet werde und die für die kommerziellen Operationen der Eisenbahn zuständig sein soll. Nach der Gründung der Russischen Eisenbahnen sollen das Transport- und das Eisenbahnministerium nach dem Regierungsplan für die Industriereform zusammengelegt werden.

Am Donnerstag stellte Premierminister Michail Kassjanow dem Kabinett auf dessen erster Sitzung Fadejew den übrigen Ministern vor. Mit Fadejew an der Spitze, so Kassjanow, sei er sicher, dass die Reform im Eisenbahnsektor entsprechend dem Plan der Regierung vorankommen werde, meldete PRIME-TASS.

Fadejew hat sich eiligst daran begeben, den Kurs des Eisenbahnministeriums zu ändern. Eine Woche nach seiner Ernennung legte er einen neuen Investitionsplan für das Jahr 2002 vor. Dieser Plan ist um 40 Prozent billiger als der 5,25-Milliarden-Dollar-Plan, den Aksjonenko vorgelegt und den das Kabinett im November abgelehnt hat. Es wird davon ausgegangen, dass das Kabinett in der kommenden Woche den neuen Investitionsplan billigt. (...) (TS)