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Russland rechnet mit hohen Verlusten durch den Irak-Krieg

27. März 2003

– Experten sprechen von mindestens 48 Milliarden Dollar

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Moskau, 27.3.2003, NESAWISSIMAJA GASETA, russ., Michail Golubew

Der Westen ist sehr darüber verwundert, dass Moskau es gewagt hat, sich auf die Abkühlung der Beziehungen zu den USA einzulassen. Laut wird darüber nicht gesprochen, aber der eigentliche Grund für die Demarche Moskaus liegt in der Wirtschaft. Das Steinchen, das die Lawine ins Rollen gebracht hat, ist die Erkenntnis, dass Russland große wirtschaftliche Verluste durch die Besetzung des Iraks erleiden wird.

Der unausweichliche Sieg der proamerikanischen Koalition wird zu hohen Verlusten des russischen Haushaltes und der einheimischen Wirtschaft führen. Nach dem Ende des Krieges werden die USA und Großbritannien in dem besiegten Land eine den Siegern gegenüber loyale Regierung einsetzen. Russland wird danach seine Verträge im Irak – sowohl in der Erdöl- als auch anderen Branchen - verlieren. Und weil die Kontrolle über das irakische Öl in die Hände seiner Verbraucher fällt, wird der Ölpreis unausweichlich fallen.

Der Irak, den wir verlieren werden

Nach Ansicht des Vorsitzenden des Verteidigungs- und Sicherheitsausschusses des Föderationsrates, Wiktor Oserow, kann Russland nicht mit der Rückzahlung der irakischen Schulden von 8 Milliarden Dollar rechnen, da der Irak sogar in besseren Zeiten die Schulden nicht beglich. Im Irak von Saddam konnte Russland allerdings seine Verluste durch die Umsetzung einer ganzen Reihe großer Projekte wettmachen.

"In den letzten Jahren wurde ein Programm der russisch-irakischen Zusammenarbeit im Wert von 40 Milliarden Dollar erarbeitet, das für 10 Jahre vorgesehen ist", so der Experte der Firma "Anton", Aleksej Worobjow. "Die sind so etwas wie eine langfristige Option für die Aufnahme der Zusammenarbeit mit dem Irak im Falle der Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen dieses Land."

Ungeachtet des allgemeinen Charakters dieses Programm berechnen bestimmte Unternehmen bereits die Verluste durch dessen Vereitelung. Lukoil wird die Lizenz für die Erschließung des West-Kurna-2-Feldes verlieren. Es wurde erwartet, dass hier täglich etwa 600 000 Barrel Erdöl gefördert werden, was in etwa 30 Millionen Tonnen im Jahr entspricht. Das sind etwa 6 Milliarden Dollar nicht eingetriebener Gewinne im Jahr. (...)

Große Verluste wird auch der Maschinenbau einstecken müssen. Die Außenhandelsfirma Maschinoimport hat eine ganze Reihe von Verträgen in den Bereichen Service und Lieferungen mit dem Irak unterzeichnet. "Realisiert werden bereits Verträge von 145 Millionen Dollar. Verträge für weitere 302 Millionen Dollar sind bereits unterzeichnet", erklärte die Generaldirektorin der Vereinigung Olga Wdowitschenko gegenüber der "Nesawissimaja gaseta". "Wir haben vorläufig einen Teil der Gelder für Verträge noch nicht bekommen, die bereits umgesetzt werden. Ein Teil der Ausrüstung liegt in den Häfen. Außerdem befinden sich 8 unserer Bohranlagen in der Gegend von Rumaila, wo Kampfhandlungen stattfinden. Diese Anlagen sind nicht versichert, da keine Versicherungsgesellschaft dieses Risiko eingehen wollte." (...)

Nach Ansicht des Generaldirektors von Iljuschin finanz, Aleksandr Rubzow, wird das Unternehmen aller Wahrscheinlichkeit nach einen Auftrag für die Lieferung von zwei Il-96-300-Flugzeugen für je mindestens 65 Millionen Dollar an die irakischen Fluggesellschaften verlieren. Dieser Vertrag hätte auch ohne die Aufhebung der Sanktionen realisiert werden können, da er ins UNO-Programm passt.

Der Machtwechsel im Irak zugunsten der neuen proamerikanischen Regierung wird dem russisch-irakischen Kooperationsprogramm ein Ende bereiten. Die USA und Großbritannien werden das Monopol für die Wiederherstellung des Irak nach dem Krieg bekommen. Auf diese Weise werden die direkten Verluste Russlands infolge des Krieges und des Machtwechsels im Irak in etwa der Summe entsprechen, mit der das nicht realisierte Programm der russisch-irakischen Kooperation bewertet wird, so der Experte der Firma "Anton". Das heißt 40 Milliarden Dollar gemäß den Verträgen, die nach dem Krieg an englische und amerikanische Firmen gehen werden. Dazu kommen noch die 8 Milliarden Dollar Schulden, die natürlich niemand zurückzahlen wird.

Stagnation der russischen Wirtschaft nach Kriegsende

Weit größere Verluste wird die einheimische Wirtschaft durch den Rückgang der Erdölpreise erleiden. Bekannt ist, dass der Rückgang des Preises um einen Dollar für ein Barrel russischen Erdöls zu Haushaltsverlusten von 1 Milliarde Dollar führt.

Unabhängig davon, wie lange die Militäraktion der USA andauern wird, wird der wichtigste Erdölabnehmer der Welt die Kontrolle über die irakischen Vorkommen bekommen. Das wird zur Senkung der Erdölpreise auf der ganzen Welt führen. Um so mehr könnten die USA die Kontrolle über den ganzen Erdölmarkt herstellen, was nach Meinung von Vizepremier Wiktor Christen dazu führen wird, dass die OPEC als Wirtschaftsorganisation aufhören wird zu existieren.

Berücksichtigt man die starke Abhängigkeit von der Außenwirtschaftskonjunktur, so wird der Rückgang der Erdölpreise sich bereits in den kommenden zwei Jahren auf den russischen Markt auswirken. Wie Aleksandr Andrianow, Wirtschafts- und Finanzdirektor von Sewerstal sagte, erwarte man in der nächsten Zeit Änderungen bei der Nachfrage nach Stahl. Wegen des Krieges im Irak werden die Weltpreise für Erdöl zurückgehen, was dazu führen wird, dass die Erdölgesellschaften ihre Projekte zur Erarbeitung neuer Strukturen sowie den Bau neuer Erdölpipelines verschieben "oder ganz aufgeben" werden. Das wird dazu führen, dass die Nachfrage nach Röhren und Bohranlagen und folglich nach Stahl zurückgehen wird. (...) (lr)