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Russische Kohle in deutschen Kraftwerken

Birgit Wetzel29. Juli 2004

Die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Stroms wird aus Kohle erzeugt. Und die wird häufig aus Russland importiert - unter oft schwer vorstellbaren Bedingungen. Dabei lohnt sich der Abbau nur bedingt.

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Von Sibirien nach SüddeutschlandBild: dpa

Kohle kommt aus aller Welt nach Deutschland, auch aus Russland - immerhin etwa zweinhalb Millionen Tonnen jährlich. Bis zu 4600 Kilometer fährt sie durch das weite Land, bevor sie die Ostsee erreicht. Zehn Tage dauert die Fahrt. Im Hafen wird die Kohle in Schiffe verladen und zu den Kraftwerken bis hinunter nach Süddeutschland transportiert. Trotzdem ist die russische Kohle nur halb so teuer wie die aus dem Ruhrgebiet.

Der russische Kohleabbau beschäftigt noch immer etwa 320.000 Menschen. Es gibt es sieben große Steinkohleregionen: Petschora/Nord, Donbass, Ural, Kuzbass, Kansk-Atschinsk, Fernost und Nordost. In den Betrieben dieser Regionen werden jährlich etwa 180 Millionen Tonnen Steinkohle produziert: Zwei Drittel im Tagebau, ein Drittel in Tiefbauförderung. Rund ein Viertel davon geht in den Export.

Wie im Jahre 1923

Industrie Russland - Kohleabbau in Sibirien
Tagebau in RusslandBild: dpa

Die meiste in Deutschland verstromte Kohle kommt aus dem Kuzbass-Gebiet. Es liegt südlich vom Ural-Gebirge, nicht weit von der Grenze nach Kasachstan und zur Mongolei. Dort wird sie in 800 Metern Tiefe abgebaut. An der Sicherheit der Bergleute wird da gern gespart. "Die Arbeitsbedingungen dort sind für uns kaum vorstellbar. Da geht es in einigen Zechen zu wie bei uns im Jahre 1923", erzählt Kraftwerksdirektor Friedrich-Wilhelm Meyn, der die russischen Stollen besucht hat. "In großem Stile läuft das noch richtig manuell-händisch da unter Tage, mit vielen Arbeitsunfällen, und einem nicht gerade sehr hohen Sicherheitsstandard". Für einen Durchschnittslohn von monatlich 200 Euro, der vielerorts mit monatelanger Verspätung ausgezahlt wird, riskieren die Bergleute ihr Leben. Bei der Vielzahl von Unfällen kommen häufig schlechte Infrastruktur und menschliche Fehler zusammen. Die Opferzahlen unter Tage seien mit den Verhältnissen vor 100 Jahren vergleichbar, klagen Gewerkschafter.

"Man kann nicht davon ausgehen, dass langfristig auf dem internationalen Markt und bei den langen Transportwegen, den die russische Kohle zurückzulegen hat, mit diesen Zechen das große Geld zu machen ist. Jedenfalls nicht auf dem internationalen Markt", erklärt ein Händler aus Hamburg. Die staatlichen Eisenbahnen sind in Russland Taktgeber des Kohlegeschäfts. Sie befördern die Kohle zu einem politischen, also einem subventionierten Preis. So sorgen sie dafür, dass die Kohleförderung weiter geht. Die russische Kohle kann deshalb sehr preisgünstig auf dem europäischen Markt angeboten werden.

Binnenmarkt später

Russland - Hafen in Murmansk
Verladekräne im Hafen von Murmansk auf der russischen Kola HalbinselBild: dpa

"Im Grunde ist das ein Wunder, dass Russland exportiert, denn in einer normalen westlichen Wirtschaft würde sich das überhaupt nicht rechnen", sagt Wolfgang Ritschel, der Geschäftsführer des Vereins der Kohlenimporteure. Aber da sich Russland immer noch in einem Übergangsstadium zur Marktwirtschaft befindet und im Land noch keine größere Nachfrage vorhanden ist, wird eben exportiert. Das bringt immerhin mäßige Gewinne. Auf lange Sicht erscheint es allerdings wirtschaftlicher, die Kohle auf dem russischen Binnenmarkt zu verbrauchen.